Übernahmen:Neue Horizonte

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Deutsche Firmen gelten für chinesische Unternehmen als Objekte der Begierde - für die sie viel bezahlen. Ein Investor aus Fernost ist allerdings eine kulturelle Herausforderung für Mittelständler. Doch eine Verbindung bietet beiden Seiten viele Chancen.

Von Marcel Grzanna

Vor Jahren waren chinesische Investoren noch besonders gefürchtet im Mittelstand. Doch mittlerweile hat sich dies gewandelt. Ist kein familieninterner Nachfolger vorhanden, kann auch die Übergabe an eine chinesische Firma eine gute Lösung sein. Wenn chinesische Unternehmen auf Brautschau gehen, werfen sie mit Vorliebe einen Blick auf den deutschen Markt. Hier hoffen sie zu finden, was ihnen die Heimat auf die Schnelle verwehrt: den Sprung auf eine deutlich höhere Entwicklungsstufe. Mit der Übernahme eines deutschen Mittelständlers versprechen sich chinesische Firmen Zugang zu Technologien, die sie aus der Rolle eines lokalen Produzenten in den Rang eines Weltmarktführers hieven können. Entsprechend begehrt sind die Deutschen als Übernahmekandidaten in der Volksrepublik.

Ihre Begehrlichkeiten kommen nicht von ungefähr. Die Situation chinesischer Privatunternehmen im eigenen Land ist vertrackt. Zwar sind sie überlebenswichtige Stützen des chinesischen Wachstumsmodells, werden von der Regierung aber vor riesige Probleme gestellt. Staatseigene Unternehmen rauben vielen privaten Firmen die Luft zum Atmen, weil sie in riesigen Mengen produzieren, um Kosten zu senken und damit die Mitbewerber ausstechen. Sie fusionieren miteinander und wachsen zu Kolossen ihrer Wirtschaftszweige heran, die den Kleineren die Marktanteile nehmen und ihnen nur noch Nischen übrig lassen.

Um in diese Nischen schlüpfen zu können, fehlt vielen chinesischen Firmen noch das Know-how. Genau an dieser Stelle kommt der deutsche Mittelstand ins Spiel. Dort blickt man zurück auf viele Jahrzehnte Forschung und Entwicklung. Seine Ingenieurskunst ist weltweit anerkannt und geschätzt. Schon vor langer Zeit haben diese deutsche Unternehmen sich in den Nischen eingerichtet und bilden von dort aus das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Kauft ein chinesisches Unternehmen einen deutschen Partner, verleibt es sich dessen Erfahrung und Reputation ein. Das ist unbezahlbar in Zeiten der Globalisierung, aber besonders wertvoll auch auf dem heimischen chinesischen Markt.

Das gewonnene Know-how ist nur ein wichtiger Punkt. Es ist nicht unüblich, dass chinesische Firmen mit derlei Akquisen in der Heimat hausieren gehen; eine Form der Eigenvermarktung. "Solche Übernahmen hinterlassen in China einen bleibenden Eindruck", sagt der deutsche Anwalt Patrick Heid, der in Shanghai das China-Geschäft der Anwaltskanzlei Graf von Westphalen verantwortet. "Deutsche Mittelständler sind perfekte Ziele für chinesische Unternehmen auf Expansionskurs: starke Marken, lange Tradition, Technologieführerschaft und Made in Germany. Dazu haben sie aufgrund der meist überschaubaren Größe einen vergleichsweise geringen Preis", sagt er.

Mehrfach schon hat Heid Unternehmensnachfolgen durch chinesische Investoren begleitet. Er empfiehlt eine gründliche Vorbereitung und manchmal einen langen Atem. Zwar erlaube die Eigentümerstruktur der Familienbetriebe oftmals leichtere Verhandlungen, aber die Tücken lauern auf anderer Ebene. "Der Verkauf eines deutschen Unternehmens aus der Hand einer Familie ist ein komplexes Projekt. Es gibt viele kulturelle Herausforderungen und Gegensätze zu bestehen. Die müssen aufgeklärt und ausgeräumt werden, bevor beide Parteien am Ziel sind. Deswegen müssen die deutschen Unternehmen der Gegenseite frühzeitig die richtigen Fragen stellen", sagt der Anwalt.

Finanzkräftige chinesische Firmen sind bereit, das Maximale auf den Tisch zu legen

Doch Heid hat auch die Erfahrungen gemacht, dass immer der höchstmögliche Marktpreis gezahlt wurde. Finanzkräftige chinesische Unternehmen sind gerne bereit, für deutsche Tradition das Maximale auf den Tisch zu legen. Und manchmal gibt das Geldargument den entscheidenden Anstoß. Denn nicht jeder deutsche Mittelständler ist gleich Feuer und Flamme für eine chinesische Investition, weil ihm Kultur und Sprache des Interessenten völlig fremd sind. Sie sehen ihr Lebenswerk oder ihre Familiengeschichte in Gefahr. Dabei haben sich solche Befürchtungen bei chinesische Übernahmen bislang nicht erfüllt.

Als der schwäbische Betonpumpenhersteller Putzmeister als erster deutscher Weltmarktführer von chinesischen Investoren gekauft wurde, breitete sich Angst aus vor dem Ausverkauf deutscher Technologie, aber vor allem vor der Verlagerung deutscher Arbeitsplätze und Standorte. Doch weder bei Putzmeister noch bei anderen Unternehmen, deren Übernahmen später folgten, fuchtelten die Chinesen mit dem Rotstift. "Die Investoren haben einen langfristigen Horizont. Sie glauben an den Erfolg des gemeinsamen Projektes. Scheitern bedeutet für sie Gesichtsverlust. Und sie sehen die Mitarbeiter der deutschen Familienunternehmen als Innovatoren, die wichtige Zukunftsthemen vorantreiben", sagt Thomas Heck, Leiter der Chinese Business Group beim Berater PwC.

Viele Produktionen deutscher Mittelständler seien zu anspruchsvoll, als dass sie beliebig in ein Schwellenland verlegt werden könnten. Eine qualitativ hohe Fertigung ist somit das beste Argument für den Erhalt eines Standortes. "Bei der Herstellung von einfachen Produkten besteht jedoch durchaus die Gefahr einer Verlagerung nach China oder auch andere, günstigere Standorte. Aber das gilt nicht nur für chinesische Investoren", sagt Heck.

Wer einen vertrauensvollen Investor findet, kann durch die Übernahmen bestenfalls neue Horizonte erschließen. Denn ein neuer chinesischer Mutterkonzern bietet deutschen Mittelständlern voll allem eines: Zugang zum chinesischen Markt einschließlich Marktkenntnis, Kundenkartei und Vertriebsnetz. Die Sicherung des eigenen Geschäfts kann damit über Jahre hinaus garantiert werden. So schnell und so günstig wäre solch ein Markteintritt für ein Unternehmen alleine unmöglich.

Chinesische Partner können auch neue Ideen liefern. "Innovative Geschäftsmodelle sind für mittelständische Unternehmen überlebenswichtig. Bei Themen wie Industrie 4.0, Elektromobilität und autonomes Fahren haben sich Chinesen bereits stark engagiert", sagt Heck. Grundsätzlich ist jedoch gut beraten, wer sich den Partner genau anschaut, um verstehen zu können, ob er zu einem passt und ob es eine Schnittmenge bei Strategie und Unternehmenskultur gibt.

© SZ vom 05.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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