Zweitages-Bergtour im Karwendel:Allein unter Gämsen

Im Herbst ist die schönste Zeit zum Wandern - und um im Karwendel über dem Rißtal Gämsen zu beobachten. Vorausgesetzt man weiß, wo die Tiere nicht vom Trubel verscheucht werden.

Von Hauke Bendt

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Goldener Herbst im Karwendel; Karwendel Ahornboden Herbst Ahorn Ahornbäume Eng Engalm Almen Wanderung Wandern

Quelle: PhotographicDelight - stock.adob

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Im Herbst übertreibt die Natur am großen Ahornboden im Karwendel fast ein wenig. Die großen, alten Ahornbäume am Ende des Rißtals leuchten jetzt gelb in der tiefstehenden Sonne, die vom blauen Himmel auf leicht eingeschneite Gipfel scheint. Dazu schroffe Felswände, die die Engalm einrahmen - und der Anblick ist nah am Postkartenkitsch. Nur dass durch das Bild Menschen spazieren.

Der Verdacht, dass ein Wanderer hier die Einsamkeit des Karwendels vergebens sucht, wird spätestens am hölzernen Eingangsportal zum Ahornboden zur Gewissheit, mit dem Schriftzug "Eng-Alm" und "Auf geht's ins Almdorf". Hunderte Menschen folgen im Herbst täglich dieser Aufforderung, ihre Reisebusse warten am Parkplatz auf sie. Wer keine große Tour unternehmen möchte, einen Kinderwagen schieben muss oder einfach nur guten Käse kaufen will, ist hier trotzdem genau richtig. Bergwanderer aber auf der Suche nach Einsamkeit und Gamswild, das umso leichter zu sichten ist, je näher die Brunftzeit im November rückt, sollten einen anderen Weg wählen - und sich mehr Zeit nehmen.

Karwendel Bergtour Tour Wanderung Sylvensteinsee Schafreuter Baumgartensattel Fleischbank Hinterriß Rißbach Tölzer Hütte; Zwei-Tages-Tour;

Quelle: Hauke Bendt

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Zwei Tage dauert eine Wanderung zunächst von Fall am Sylvensteinspeicher auf den Schafreuter; übernachtet wird in der Tölzer Hütte knapp unterhalb des Gipfels. Denn wenn die Morgensonne die Hänge hinter der Hütte golden färbt, grasen hier im Herbst so viele Gämsen, dass man sie kaum alle zählen kann. Am zweiten Tag geht es zunächst weit oberhalb des Tals weiter in Richtung Fleischbank, einem eher unbekannten Berg des Vorkarwendels, bevor die Route wieder hinab in das Rißtal führt.

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Doch erst einmal zurück zum Start: Die Wanderung beginnt an der Bushaltestelle Fall, direkt am Ufer des Sylvensteinspeichers, wo Ruderboote ruhig am Ufer liegen und sich die Berge im Wasser spiegeln. Von hier aus folgt man dem Weg mit der Nummer 237 in Richtung Grasköpfel. Es geht zuerst durch den Laubwald nach oben bis auf die kleine Lichtung, wo die Grammersbergalm steht. Dann weiter zum Grasköpfel. Das Gelände wird nun steiler und der Bewuchs lichter.

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Von hier aus kann man das Tagesziel, den Schafreuter, zum ersten Mal sehen. Im Gehen aber fixiert man besser den schmalen Steig entlang einer Wiesenflanke, die nach links steil abfällt. Es riecht nach trockenem Gras und Latschenzapfen. An einer schmalen Stelle ist der Weg zwischenzeitlich mit einem Drahtseil gesichert, er erfordert aber keinerlei alpinistische Fähigkeiten. Das Seil soll wohl ungeübten Wanderern lediglich ein gutes Gefühl vermitteln.

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Blickt man zurück nach Norden, sieht man zwischen den waldbedeckten Hügeln die große Brücke, die über den Sylvensteinspeicher führt, und die ersten Häuser von Lenggries, die entlang der Isar stehen. Sobald die Baumgrenze überwunden ist und sich der Weg durch die Latschenkiefern schlängelt, lohnt es sich, Augen und Ohren zu schärfen und auch den Geruchssinn nicht zu vernachlässigen: In dieser Höhe halten sich im Herbst die Gämsen auf. Am Boden liegt immer häufiger die Losung, also der Kot der Tiere. Und dann sind sie selbst zu sehen.

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In Gruppen von bis zu 25 Gämsen stehen sie in den Schotterfeldern oder an steilen Hängen mit Latschenbewuchs und fressen. Meistens sind es Weibchen mit ihren Kitzen. Wird der Wanderer von einem der Tiere bemerkt und fühlt es sich gestört, stößt es einen lauten Pfiff aus.

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Je näher die Brunftzeit im November, desto häufiger kann man zumindest die Böcke auch riechen: Sie markieren ihr Revier mit dem Sekret der Brunftfeige, einer Drüse zwischen ihren Hörnern. Ein Wikipedia-Autor hält den Geruch übrigens für übelriechend, tatsächlich ist er eher würzig. Man könnte sogar auf die Idee kommen, nach dem Kraut zu suchen, das da so intensiv duftet.

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Hat man die Selbstversorgerhütte "Wiesenbauern Hochleger" auf 1476 Metern erreicht, sieht man einen Kilometer entfernt und etwa hundert Meter höher schon die Moosenalm. War die Wahrscheinlichkeit bisher gering, auf andere Menschen zu treffen, steigt sie nach der Alm stark an: Der Pfad stößt auf den Wanderweg, der vom Parkplatz an der Oswaldhütte zum Schafreuter führt. Der Anstieg bis zum 1757 Meter hohen Kälbereck ist steil, danach geht es weiter am Wiesengrat entlang (im Bild) bis auf den Schafreuter (2101 Meter).

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Im Herbst kann hier oben manchmal schon etwas Schnee liegen. Mit etwas Glück lassen sich dann zwischen den Felsen auch Schneehühner entdecken.

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Die Tölzer Hütte liegt 300 Meter unterhalb des Schafreutergpfels und bietet etwa 70 Schlafplätze. Der Weg zur Hütte ist zwar felsig, aber nicht schwierig. Auf einem kleinen Plateau passiert man Hunderte von Steinmännchen, die über die Jahre von Wanderern gebaut wurden. Da der Weg von der Hütte bis hier nicht weit ist und man ihn auch noch gut mit einer Stirnlampe finden kann, lohnt es sich, zum Sonnenuntergang oder ...

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... zum Sonnenaufgang noch einmal herzukommen, um das Schauspiel etwas abseits zu genießen. Das Panorama mit Sicht auf das gesamte Karwendel- und sogar das Wettersteingebirge ist oft spektakulär schön. Wenn dann morgens in den Wiesen rund um den Rißbach dichte Nebelschwaden liegen, ist die Stimmung perfekt.

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Am zweiten Tag führt die Strecke hinter der Hütte weiter auf dem Weg Nummer 237 südlich vorbei am Delpsjoch in Richtung Baumgartensattel, Ochsentalalm-Hochleger und zur Fleischbank. Es lohnt sich, auf das Frühstück in der Hütte zu verzichten und möglichst zeitig noch vor allen anderen aufzubrechen. Die Lichtstimmung ist nun am schönsten: Man läuft der Sonne entgegen, die langsam über den Gipfeln aufgeht und die Hänge in warmes Licht taucht.

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Weil niemand sie aufgeschreckt hat, stehen links oberhalb vom Weg die Gämsen in der Morgensonne und fressen. Spart man sich jetzt Gespräche, geht eher im Gras und vermeidet so laute Schritte, bleiben Wanderer recht lange unbemerkt.

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Das Gelände hilft zusätzlich: Immer wieder führt der schmale Pfad durch Senken hindurch, die einen so lange vor den Gämsen verbergen, bis man auf der anderen Seite wieder auftaucht. Bewegt man sich langsam und vorsichtig, ist es möglich, die andere Seite des Hügels einzusehen, ohne entdeckt zu werden, und kann die Tiere so bequem beobachten.

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Nach dem Baumgartensattel gelangt man keine dreißig Minuten später zur Ochsentalalm. Die beiden alten, flachen Gebäude der Alm liegen in dem tiefen Kessel zwischen Schönalmjoch und der Nordflanke der Fleischbank. Der Weg auf den Gipfel teilt sich: Der kürzere führt hinter den Almen links hinauf, der längere rechts. Die Hänge unter dem Schönalmjoch und dem Altjoch liegen am Vormittag in der Sonne. Hier lassen sich mit etwas Glück wieder Gämsen beobachten.

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Ist eine halbe Stunde später das Gipfelkreuz erreicht, liegt einem das Rißtal zu Füßen. Der Blick ist frei in das Johannistal, das Laliderertal und weiter bis hin zum Sonnjoch. Auch die Gipfel der Birkarspitze, der Laliderer Spitze und der Lamsenspitze sind zu sehen. Im Tal funkelt es, die Sonne spiegelt sich im Rißbach, der mehr als tausend Meter unter dem Gipfel durch das breite Kiesbett mäandert.

Nur wo das Rißtal in der Ferne unterhalb des Sonnjochs nach Süden abbiegt, bleibt der Blick in den Talboden verschlossen. Dort liegt der große Ahornboden mit seinen alten Bäumen und die Engalm - mit dem Parkplatz, den Reisebussen, den Touristen und dem großen Schild: "Auf geht's ins Almdorf".

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Quelle: SZ-Karte/Maps4News.com/©HERE

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Informationen

Anfahrt: Vom Münchner Hauptbahnhof mit der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) bis Lenggries (Sa-So: 7.05 Uhr; Mo-So 9.05 Uhr); am Lenggrieser Bahnhof nimmt man den Bergsteigerbus 9569 (8.11 Uhr oder 10.11 Uhr) bis zur Haltestelle Fall. Wer es eher gemütlich mag und daher die Wanderung zum und auf dem Ahornboden vorzieht, bleibt sitzen bis Eng/Tirol.

Rückfahrt: Derselbe Bergsteigerbus 9569, andere Haltestelle - nun beginnt die Fahrt am "Einstieg Johannestal" (Sa-So um 16.46 sowie 18.51 Uhr; Mo-Fr 16.51 Uhr); bis zum Bahnhof Lenggries. Der Wanderbus fährt von Mitte Mai bis Ende Oktober.

Tour, Tag 1: Es geht 13 Kilometer etwa 1500 Höhenmeter aufwärts bis zur Tölzer Hütte - bis dahin gibt es keine Einkehrmöglichkeit. Eine spezielle Ausrüstung ist nicht nötig; einmal quert man einen kleinen Bach hinter dem Grasköpfel, hier lässt sich Wasser auffüllen. Gehzeit je nach Kondition fünf bis sechs Stunden.

Tag 2: 13 Kilometer, dabei 500 Höhenmeter hinauf und dann 1500 Höhenmeter bergab; abermals gibt es keine bewirtschaftete Hütte auf dem Weg. Wasser lässt sich einmal kurz vor dem Ochsental Hochleger und nochmal im Abstieg von der Fleischbank kurz hinter der Jagdhütte Steilegg nachfüllen; Gehzeit ist wieder etwa sechs Stunden.

Voraussetzungen: Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind unbedingt erforderlich sowie eine gute Kondition für Touren von etwa sechs Stunden. Es gibt sowohl am ersten als auch am zweiten Tag vereinzelte Stellen, die etwas ausgesetzt, aber gut zu bewältigen sind. Bei Nässe sind sowohl die Felsen am Gipfel des Schafreuters als auch die Wiesenhänge mit Vorsicht zu begehen.

© SZ.de/kaeb/stein
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