Sportartikel:Adidas lässt Schuhe vom Roboter fertigen

Sportartikel: Roboter bauen Turnschuhe.

Roboter bauen Turnschuhe.

(Foto: oh)
  • Adidas eröffnet zusammen mit seinem Technologiepartner Oechsler erstmals wieder eine Fabrik in Deutschland.
  • Die Fabrik in Franken ist hoch automatisiert - und soll vor allem schnell sein.

Von Caspar Busse, Ansbach

Am Ende des Feldwegs hinter dem hohen Maisfeld fängt die Zukunft an. Hier, im Industriegebiet von Brodswinden, einem Ortsteil von Ansbach in Mittelfranken, steht eine sehr neue, sehr weiße Fabrikhalle. Am Eingang steht "Oechsler motion", daneben hängt das Logo von Adidas. Links geht es zu den Büros, geradeaus in die Produktionshallen. Hier stehen viele Maschinen, Roboterarme drehen sich leise hin und her, der Boden glänzt, alles ist aufgeräumt, fast klinisch rein.

In Brodswinden werden keine Halbleiter, elektronischen Bauteile oder Medikamente hergestellt. Hier, in der bayerischen Provinz, werden Adidas-Turnschuhe produziert, und zwar weitgehend automatisiert. Das ist überraschend. Die Serienproduktion der Fabrik, die Adidas "Speedfactory" nennt, läuft bereits. Jahrzehnte ist es her, dass in Deutschland die letzten Textil- und Schuhfabriken schließen mussten und alle Arbeitsplätze Richtung Osten verloren gegangen sind. Schon lange lassen alle großen Sportartikel-Konzerne Schuhe, Hosen, Trainingsanzüge, T-Shirts nahezu ausschließlich in den Billigländern Asiens fertigen, und zwar noch weitgehend in Handarbeit. In Europa ist so gut wie nichts mehr, Adidas etwa unterhält nur noch eine kleine Fabrik in Scheinfeld, dort werden fast ausschließlich Maßanfertigungen für Spitzensportler sowie die Uralt-Fußballschuh-Modelle Copa Mundial, World Cup, Kaiser Liga und Kaiser Cup hergestellt.

Doch jetzt geht Adidas neue Wege. Der Konzern, hinter US-Konzern Nike weltweit die Nummer zwei der Sportartikelbranche, eröffnet zusammen mit seinem Technologiepartner Oechsler - die fränkische Familienfirma fungiert als Auftragsfertiger - erstmals wieder eine Fabrik in Deutschland. "Ziel ist es, da zu produzieren, wo auch unsere Kunden sind", sagt Jan Hill, der das "Future-Team" mit 100 Leuten in der Adidas-Zentrale in Herzogenaurach leitet und auch das Projekt "Speedfactory" betreut. "Wir fahren gerade die Produktion hoch und werden im kommenden Jahr unsere geplante Kapazität erreicht haben", fügt er an.

Die Hauptarbeit machen hier, ganz anders als in Asien, Roboter, derzeit werden 120 Mitarbeiter beschäftigt, am Ende sollen es 160 bis 200 sein, darunter auch viele IT- und Wartungsspezialisten. Ein weiterer, nahezu baugleicher Standort ist demnächst in Atlanta in den USA geplant. Theoretisch wäre es möglich, viele solcher Fabriken zu bauen, die "Speedfactory" kann kopiert werden - nach dem "Copy-&-paste"-Verfahren sozusagen.

Links in den Fabrikhallen stehen große Behälter mit vielen kleinen weißen Kügelchen, die aussehen wie Styropor. Das Material wurde eigens vom Chemiekonzern BASF für Adidas entwickelt, daraus werden die sogenannten Boost-Sohlen für Sportschuhe produziert, die beim Laufen angenehm federn sollen, sich aber nicht verformen. In der nächsten Maschine wird per Laser aus Stoffbahnen das Obermaterial geschnitten, bearbeitet, gefärbt, beklebt. Weiter hinten in der Halle werden dann die Sohle und der Schaft miteinander verbunden. Markus Bischoff, der für Oechsler die Fabrik leitet, spricht von "Hochzeit", ganz wie im Automobilbau. Dann kommen noch Schnürsenkel rein - und der Schuh ist fertigt.

Insgesamt stellt Adidas 360 Millionen Paar Schuhe im Jahr her

Werden bald große Teile der Adidas-Produktion zurück in die Industrieländer wandern? Wenn überhaupt, wird das jedenfalls nicht schnell gehen. In Brodswinden sollen im kommenden Jahr rund 500 000 Paar Schuhe produziert werden, in Atlanta dann weitere 500 000. Zum Vergleich: Insgesamt lässt Adidas weltweit 360 Millionen Paar Schuhe im Jahr herstellen. Adidas-Chef Kasper Rorsted betont immer wieder, wie wichtig das Konzept der Speedfactory sei. Es werde sich aber zunächst nichts grundsätzlich an den Produktionsbedingungen bei Adidas ändern. Immerhin: Die Fertigung ist in der Speedfactory vollständig digitalisiert - vom Design bis zur Programmierung der Maschinen - und weitgehend automatisiert. Man sei da Vorreiter, heißt es bei Adidas.

Manche in der Branchen sehen das Konzept dagegen nur als große PR-Aktion, als Augenwischerei. Denn alle Fabriken und auch das Know-how der Zulieferer sei derzeit in Asien. Eine Rückkehr der Produktion sei doch undenkbar, meint ein Konkurrent. Adidas sieht das anders. "Die Speedfactoy-Story ist viel mehr als nur ein Produkt", schwärmt Paul Gaudio, der weltweite Kreativ-Chef. Das Konzept sei eine neue Philosophie. "Speedfactories aufzubauen, ist keine reine Kostenentscheidung. Wir wollen einfach schneller werden als bisher", meint Adidas-Mann Hill. Bislang dauert alleine der Transport von Sportschuhen per Schiff aus Asien bis zu sechs Wochen. Von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt im Geschäft vergehen schon mal 18 Monate - zu lang, sagen sie bei Adidas.

"Die Erwartungshaltung der Kunden ist heute völlig anders, die Loyalität mit Marken verliert an Bedeutung", betont Hill. Und: "Amazon-Kunden sind gewohnt, das Produkt ihrer Wahl sofort zu bekommen. Wir müssen so nah am Kunden sein wie möglich." Individuell gefertigte Produkte, die auch noch qualitativ besser seien, sollen in den Speedfactories künftig in kurzer Zeit möglich sein, seien es Sneakers mit einem eigenen, personalisierten Design oder solche, die speziell auf die Physiognomie des Kunden angepasst sind. Ziel sei es dabei, dass auch solche Modelle irgendwann innerhalb von 24 Stunden beim Kunden sind.

21 verschiedene Größen, je ein rechter und ein linker - das macht 42 Versionen

Dabei ist die Produktion von Sportschuhe gar nicht so trivial. Bei Adidas gibt es beispielsweise von jedem Modell 21 verschiedene Größen, jeweils ein rechter und ein linker Schuh, also 42 Versionen. Dazu kommen viele verschiedene Farben. Die Materialien sind weich, also für Roboter schwer zu greifen. Oechsler, die Firma arbeitet seit zehn Jahren exklusiv mit Adidas zusammen, auch in Asien, hat Spezialmaschinen dafür entwickelt. Diese können am Bildschirm für andere Modelle umprogrammiert werden. Siemens, BASF, die High-techfirma Manz oder der Roboterbauer Kuka sind bei dem Projekt mit an Bord. Teilweise funktioniert die sogenannte additive Produktion wie der 3-D-Druck, Schicht für Schicht wird der Schuh hergestellt.

In Brodswinden wird derzeit ein hellgrauer Laufschuh mit weißer Boost-Sohle und bunten Leuchtstreifen an der Seite produziert. Das Modell trägt den Namen "Made for London". Entwickelt wurde er für die speziellen Bedürfnisse der Londoner, dort laufen beispielsweise sehr viele Menschen morgens oder abends durch die Straßen zur Arbeit und zurück, oft auf Asphalt, meist im Dunklen und bei Nieselregen. Dafür soll der neue Schuh besonders geeignet sein. Verkauft werden soll das Modell auch nur in London, über den Preis ist noch nichts bekannt, aber er könnte über 200 Euro liegen, und damit deutlich höher sein, als die eigentlichen Produktionskosten. Demnächst sollen weitere Spezialmodelle für Paris, Los Angeles, New York, Tokio und Shanghai folgen. Diese sechs Städte haben die Franken als besonders wichtige Zielmärkte ausgewählt.

Rund um die Fabrik in Brodswinden gibt es jedenfalls noch freie Felder, es kann bei Bedarf also noch angebaut werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: