42 Kilometer durch die Stadt:Wer läuft denn da?

Beim München Marathon gehen gut 20 000 Menschen an den Start - mit ganz unterschiedlichen Zielen: Um eine Krankheit hinter sich zu lassen, um die Atmosphäre zu genießen oder um zu gewinnen

Von Thomas Jordan

Mehr als 21 000 Sportler haben sich für die Rennen beim München Marathon Sonntag angemeldet - vom Trachtenlauf am Samstag bis zur vollen 42-Kilometer-Distanz am Sonntag. Die SZ stellt fünf von ihnen vor:

42 Kilometer durch die Stadt: Andreas van Cuyck reist 700 Kilometer mit dem Auto an.

Andreas van Cuyck reist 700 Kilometer mit dem Auto an.

700 Kilometer zum Start

Sieben Stunden fährt Andreas van Cuyck mit seinem VW-Bus von seinem Heimatort Goch an der niederländischen Grenze, um am München Marathon teilzunehmen. Doch die knapp 700 Kilometer sind für den 36-Jährigen "gar kein Aufwand", ganz im Gegenteil. "Ab dem Punkt, an dem ich im Auto sitze, ist das Urlaub." Zum Marathon-Laufen kam der Gärtner und Landschaftsbauer durch eine persönliche Krise vor drei Jahren: Die Arbeit, der Stress, alles war zu viel. Als stellvertretender Leiter des Friedhofs habe er immer wieder erlebt, "dass auch junge Menschen sterben und nicht viel vom Leben hatten. Da war so ein Punkt bei mir, da habe ich gesagt, jetzt ist ein Cut." Er reduzierte sein Arbeitspensum und nimmt seitdem regelmäßig an Laufcups teil. München ist für ihn dieses Jahr eine Premiere. Im Vergleich zum letzten Marathon in seinem Nachbarort Kevelaer sei das "eine ganz andere Hausnummer". Im Januar war das, es gab "nullkommanull Zuschauer", und weil der Laufkurs begrenzt war, musste er dieselbe Strecke siebenmal laufen. Vom Münchner Event erwartet sich der 36-Jährige eine viel stärkere mentale Unterstützung für die Läufer durch das Publikum am Streckenrand. Ums Gewinnen geht es ihm nicht, er ist mit jeder Zeit unter drei Stunden 30 Minuten glücklich.

42 Kilometer durch die Stadt: Lauftrainerin Bianca Meyer will endlich gewinnen.

Lauftrainerin Bianca Meyer will endlich gewinnen.

Nicht schon wieder Zweite

Bianca Meyer will nicht nur dabei sein, sie will gewinnen. Zum achten Mal nimmt die Münchnerin teil, dreimal ist sie Zweite geworden. Dieses Jahr will es die 42-jährige Diplom-Kauffrau, die als professionelle Lauftrainerin arbeitet, noch einmal wissen. Für die Hobbysportler, die beim München Marathon mitmachen, hat sie mit ihrer Laufschule "Running Company" im Vorfeld Trainingseinheiten angeboten: Geübt wurden vor allem die richtige Selbsteinschätzung, aber auch Tempo und Technik: "Viele Läufer machen den Fehler, dass sie mit ihren Wünschen im Kopf starten." Und nicht mit einer realistischen Einschätzung ihrer Tagesform. Das gehe auch bis Kilometer 20 oder 25 gut, "aber dann kommt der totale Einbruch, weil die Energiereserven erschöpft sind". Trainieren müsse man Minimum drei- bis viermal pro Woche, gerne öfter. In den letzten zwei Wochen vor dem Lauf dagegen könne zu viel Training sogar schädlich sein, "weil der Körper dann zu sehr ermüdet ist". Schließlich dauert es eine Weile, bis sich der Organismus nach der Extrembelastung durch das lange Laufen regeneriert. Und was macht nun den Unterschied, um zu gewinnen? Die Quantität. Bianca Meyer selbst trainiert siebenmal pro Woche, im Trainingslager sogar zehnmal. Und vor wichtigen Läufen nimmt sie auch an Testwettkämpfen teil, um einschätzen zu können, wie fit sie schon ist.

42 Kilometer durch die Stadt: Ulrike Lechner wollte sich wieder gesund laufen.

Ulrike Lechner wollte sich wieder gesund laufen.

Laufen als Therapie

Im vergangenen Sommer ging es los bei Ulrike Lechner. Plötzlich traten bei der Übersetzerin aus Holzkirchen schwere Atemprobleme auf. Die Mitgliedschaft im Laufclub, die sie seit drei Jahren hatte, konnte sie von da an vergessen. Ihr Arzt verbot es ihr. Sie habe dann aber so lang gebettelt, bis sich der Mediziner auf einen Deal mit der 55-Jährigen eingelassen habe: "Ich laufe vier Monate ganz langsam, viel langsamer als alle anderen", schlug sie ihrem Arzt vor. Für einen Kilometer brauchte sie dann um die achteinhalb Minuten. "Unheimlich quälend" sei das gewesen, "langsam zu laufen, erfordert viel mehr Disziplin." Und doch reifte in ihr während dieser Zeit, in der sie oft alleine lief, eine Idee: Schnell konnte sie nicht mehr laufen, "na gut, dachte ich mir, dann laufe ich eben weit. Ich wollte mich herauslaufen aus der gesundheitlichen Krise". Seit März trainiert die 55-Jährige nun mit einem festen Plan für den München Marathon. Drei- bis viermal jede Woche. Die Vorbereitung habe ihr wieder mehr Selbstbewusstsein gegeben, sagt Lechner: "Man bekommt sehr schnell Rückmeldung vom eigenen Körper, dass man Fortschritte macht." Und allein schon darauf, dass sie das straffe Trainingsprogramm geschafft hat, empfindet Ulrike Lechner großen Stolz. Ihre Atemprobleme hat sie mittlerweile überwunden, läuft wieder beschwerdefrei. Ihr Ziel für den München Marathon: einfach irgendwie überstehen. "Damit ich mein Leben lang angeben kann, dass ich das geschafft habe", lacht die 55-Jährige.

42 Kilometer durch die Stadt: Lydia Schulz-Symon tritt gleich bei zwei Rennen an.

Lydia Schulz-Symon tritt gleich bei zwei Rennen an.

Aufwärmen im Dirndl

Am meisten freue sie sich auf das Weißwurstfrühstück danach, sagt Lydia Schulz-Symon lachend. Denn die 39-jährige gebürtige Kenianerin nimmt nicht nur am Marathon am Sonntag, sondern auch schon am "Trachtenlauf" einen Tag zuvor teil. 3,5 Kilometer gilt es dabei in traditioneller Kleidung zurückzulegen, im Anschluss gibt's für alle Teilnehmer eine bayerische Brotzeit. Sie hat sich extra ein zweites Dirndl gekauft, ihr altes sei zu lang gewesen, um damit zu laufen. Dirndl haben es der Krankenschwester aus Hannover angetan: "Das ist so weiblich, und damit kann ich mich auch besser mit Deutschland identifizieren." Die Idee zum Trachtenlauf kommt übrigens von ihrer Liebe zum Oktoberfest. Seit 2002 lebt die 39-Jährige in Deutschland, seit 2003 geht sie regelmäßig auf die Wiesn. "Ich fand die Stimmung immer wahnsinnig gut, und auf den Bänken zu tanzen ist so schön." Mit dem Lauftraining hat Schulz-Symon erst in Deutschland begonnen. "In Kenia war ich ziemlich unsportlich", sagt sie. Seit drei Jahren läuft sie nun die 42 Kilometer und ist mit ihrer Maxime "Für mich ist Marathon Entspannung" ziemlich erfolgreich: An zehn Marathonläufen habe sie in diesem Zeitraum schon teilgenommen. Dabei trainiere sie eher spontan, wenn sie Zeit und Lust habe, mindestens aber dreimal pro Woche. Für den München Marathon hat sie sich keine Zielzeit vorgenommen: Lieber unterhalte sie sich unterwegs ein bisschen, als ständig auf die Uhr zu schauen. Denn am wichtigsten sei es, fügt sie hinzu, "dass ich am Schluss noch ein bisschen tanzen kann."

42 Kilometer durch die Stadt: Karl Unterreiner ist mit 80 noch dabei. Fotos: Schunk, privat (5)

Karl Unterreiner ist mit 80 noch dabei. Fotos: Schunk, privat (5)

Mit 80 ins Ziel

Die Fitness, um mit 80 Jahren einen Halbmarathon zu laufen, hat sich Karl Unterreiner durch das lebenslange Tennisspielen aufgebaut. "Ich hab' mit 13 Jahren angefangen, und bis ich 75 war, habe ich kontinuierlich durchgespielt", sagt der promovierte Physiker aus Lübeck. Als es nach einer Sehnenzerrung im Schlagarm mit dem Tennisspielen nicht mehr ging, war das Marathonlaufen eine gute Alternative. "Ich denke, dass das ein Sport ist, der sich für ältere Leute anbietet." Schließlich braucht man wenig Hilfsmittel und kann sofort von überall loslaufen. Aber natürlich, man müsse schon auch "den inneren Schweinehund beißen", sagt Unterreiner. Am meisten freut er sich in München auf die Stimmung beim Lauf. Hier wohnen seine Söhne mit der Familie, einer davon läuft selbst beim Halbmarathon mit, "die anderen feuern mich an". Das Wichtigste, um auch im Alter noch Spaß am Laufen zu haben, sei für ihn, flexibel auf die jeweilige körperliche Tagesform einzugehen. Unterreiner hat deswegen für sein wöchentliches Training immer zwei verschiedene Routen parat: Eine große und eine kleine. "Je nachdem, wie ich mich gerade fühle, kann ich die kleine Runde beenden und habe dann von jedem Punkt nur zwei Kilometer nach Hause." Das ist auch sein Notfallplan für den Halbmarathon: "Wenn's nicht mehr geht, höre ich einfach auf."

Start und Stopp

Wenn die Straßen den Läufern gehören, haben Autofahrer und Radler das Nachsehen. Am Sonntag kommt es vom frühen Morgen an bis 17 Uhr zu Sperrungen auf der Strecke, die vom Olympiapark durch den Münchner Norden, Osten und die Innenstadt führt (Details zum Verlauf auf muenchenmarathon.de). Auch Bus- und Tram-Fahrgäste müssen mit erheblichen Behinderungen rechnen; 27 Linien sind von Unterbrechungen und Umleitungen betroffen (Infos unter www.mvg.de/marathon). Der Trachtenlauf findet bereits am Samstag um 10.30 Uhr statt, der Marathon startet am Sonntag um 10 Uhr im Olympiapark. Start für den Halbmarathon ist um 13.30 Uhr an der Denninger Straße. Zum ersten Mal gibt es einen zehn Kilometer langen Inklusionslauf vom Odeonsplatz zum Olympiastadion, an dem Sportler mit Behinderung teilnehmen können (Start 11.15 Uhr). MAH

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: