Performance:Virtuelle Mythologie

Evelyn Hribersek mit ihrem "O.R.pheus" Projekt, 2013

Zwischen Erkenntnis und Schock: Evelyn Hriberšek hier bei ihrer Installation "O.R.pheus".

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Evelyn Hriberšek baut für ihr Projekt "Eurydike" an einem Kunstraum, der den Besucher in eine retro-futuristische Welt zieht

Von Albert Heilmann

Acrylglas, Metall, Holzpalletten: Betritt man die alte Feuerwache im Kreativquartier, wird man von einer Baustelle empfangen. Das alles könnte einem normal scheinen. Dann aber sieht man diverse Reagenzgläser, zahlreiche Fleischerhaken und ein Katzenskelett. In der Mitte der Industriehalle steht zudem ein großer metallener Corpus; altmodische, runde Scheinwerfer sorgen für ein diffuses Licht. Schnell wird klar, dass es sich nicht um gewöhnliche Bauarbeiten handelt. Was hier entsteht, ist das neue Kunstprojekt von Evelyn Hriberšek.

"Eurydike" ist eine Symbiose aus Kunstinstallation, Musiktheater und irgendwie auch Gruselkabinett - interdisziplinär durch Virtual Reality miteinander verknüpft und zu einer ganz neuen Art von Gesamtkunstwerk geformt. Hier entsteht ein Kunstraum, den jeder Besucher 30 Minuten ganz für sich alleine haben wird. Vielleicht sollte man eher Spielraum dazu sagen, denn die Zeit wird vom Besucher selbst gestaltet. Die Umgebung soll lediglich die Impulse liefern: ob in Form von Musik, versteckten Apparaturen, verschiedenen Lichtkonzepten oder auch Einspielungen auf der VR-Brille. Das Kunstwerk setzt auf die Partizipation. "Selbsterfahrung steht im Vordergrund, um die Dinge mit anderen Augen zu sehen", erklärt Hriberšek. Zwischen Momenten der Einsamkeit, der Erleuchtung oder auch des Wahnsinns soll alles möglich sein können. Das Verrückte und Anregende zwischen surrealistischer Poesie und archaischem Horror soll im Kopf des Besuchers entstehen.

Es ist ein Projekt in der Tradition des Vorgängers "O.R.pheus" aus dem Jahre 2012. Schon damals kompilierte Hriberšek verschiedene Kunstformen mit Hilfe von Virtual-Reality-Vorläufern zu einer Installation. Damals noch im Tiefschutzbunker am Münchner Hauptbahnhof. Die Erfahrungen der Besucher waren dabei ganz unterschiedlich: "Manche waren wie neugierige Kinder, die alles durchsucht und ausprobiert haben. Andere wiederum setzten oder legten sich einfach nieder und saugten die Atmosphäre in sich auf. Und bei manchen ging es mental an die Substanz - es gab auch Leute, die abbrachen."

"Eurydike" ist nun gewissermaßen als alleinstehende Vorgeschichte zu sehen. Die Titelfigur - in der Mythologie die Ehefrau des Orpheus - führt in den Sagen um den Sänger und Dichter stets ein Schattendasein. Hriberšek will diese Rolle, die Frauen insbesondere in Stoffen der klassischen Heldenreisen zugeschrieben wird - nämlich der einer dem männlichen Heros untergeordneten Figur - thematisieren. Dabei geht es nicht um einen aggressiven Akt mit erhobenem Zeigefinger, sondern um eine Meinungsbildung, die subjektiv und subtil geschehen soll. Wohin es den Besucher dann auf seiner eigenen 30-minütigen Heldenreise führen wird, lässt sich kaum sagen.

Sicher ist, dass man sich irgendwo zwischen Elysium und Hades wiederfinden wird. Auf der Feuerwache in Neuhausen wird derzeit noch Tag und Nacht gewerkelt. Dabei lässt sich ein futuristischer Retrostil bereits erahnen: Was paradox klingt, erinnert an die Ästhetik aus Stanley Kubricks "2001: A Space Odyssey" oder auch "A Clockwork Orange". Eine völlig andere Welt soll hier für die nächsten Monate entstehen. Eine Welt, die Antike, Zukunft und das Leben vor unserer Zeit fusionieren will und so Anregungen für eine Antwort auf die Frage nach dem großen Ganzen, dem Transzendenten und dem Sinn liefern möchte.

Eurydike, Dienstag, 10. Oktober, bis Ende 2017 (geplant), Einlass halbstündig, Alte Feuerwache, Dachauer Straße 112 f, Karten nur personalisiert im Vorverkauf

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