Der neue Turner-Preisträger Mark Leckey:"Ich hasse es"

Schluss mit Schock: Dass er den begehrten Turner-Kunst-Preis erhielt, findet Mark Leckey nur gerecht. Die Zeit von Skandal-Künstlern wie Damien Hirst sei passé.

Alexander Menden

Einen Augenblick lang sah es so aus, als werde der Gewinner des Turner-Preises 2008 überhaupt keine Rede halten. Als der zur Verleihung in der Londoner Tate Britain herangezogene Nick Cave seinen Namen rief, erhob sich Mark Leckey kurz mit ungelenker Jubelgeste von seinem Stuhl, um sich dann gleich wieder hinzusetzen. Doch da das selbst bei dieser für ihre knappen Dankesreden bekannten Veranstaltung nicht ganz reichte, ging er doch noch nach vorn - nicht ohne auf dem Weg die leer ausgegangene Kollegin Runa Islam zu umarmen - und sagte: "I'm chuffed to bits", was mit "Ich freu' mich kaputt" recht adäquat übersetzt ist. Es sei "großartig, etwas zu schaffen, das eine Wirkung auf die britische Kultur" habe.

Der neue Turner-Preisträger Mark Leckey: Ein echter Leckey: Der Videokünstler liebt Comics und zeigt das auch.

Ein echter Leckey: Der Videokünstler liebt Comics und zeigt das auch.

(Foto: Foto: afp)

Sehr überraschend kam es nicht, dass Leckey die mit 25000 Pfund dotierte, bedeutendste britische Auszeichnung für zeitgenössische Kunst erhielt. Bei der diesjährigen Turner-Schau repräsentieren die Stücke des 44-jährigen am umfassendsten jene Meta- und Expertenkunst, aus der sich das Feld der Nominierten zusammensetzte. Leckey, Professor an der Frankfurter Städelschule, erhebt die Sekundärbeschäftigung mit dem Werk anderer am radikalsten zur Primärkunst: Sein dominierender Beitrag war ein abgefilmter Vortrag über das Verhältnis von Material und Dargestelltem in der Kunst. Eine interessante Vorlesung, deren Adelung zum Kunstwerk jedoch auch viel Unverständnis hervorrief.

Über die britischen Medien wusste der Mann aus Birkenhead nach der Preisverleihung wenig Gutes zu sagen. Er "hasse das Verhältnis, das die Presse in Großbritannien zur Kunst" habe: "Ich hasse es, dass immer nur Damien Hirst und Tracey Emin und Banksy vorkommen. Die Presse kommt zum Turner-Preis und erwartet, geschockt zu werden. Aber die Welt, in der ich lebe, ist nicht so." Insofern begrüße er das Ende eines Kunst-Booms, in dessen Verlauf "eine Menge schlechter Künstler eine Menge Geld gemacht" hätten. Sollte sich mit seinem Sieg ein Trend abzeichnen, bricht nach der Zeit der "shock artists" jetzt eine Epoche ziemlich dröger Akademiekunst an.

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