Verkehr:S-Bahn München - zuverlässig am Kunden vorbei

Kaputte Weiche an der S-Bahn Stammstrecke zwischen Hackerbrücke und Donnersbergerbrücke, näher an der Hackerbrücke.

Eine Weiche ist kaputt - und schon geht im gesamten Großraum München nichts.

(Foto: Florian Peljak)

Am Dienstag war wieder einmal zu sehen, woran es beim Nahverkehr in München hakt: Die Infrastruktur ist zu schlecht und vor allem zu knapp bemessen für einen stetig wachsenden Großraum.

Kommentar von Kassian Stroh

Man stelle sich einmal vor: Eine Supermarktkette fragt die Zufriedenheit ihrer Kunden ab. Und am Ende verkündet sie stolz, dass selbige sich über die sauberen Böden in den Filialen freuen. Dass sie sich auch darüber beschweren, dass ständig Brot und alle Milchprodukte ausverkauft sind und überhaupt alles viel zu teuer ist, das ignoriert sie eher, um ihre "sehr eindrucksvolle Bilanz" nicht zu trüben.

Klingt eigenartig, aber so in etwa liest sich die neueste Auswertung des Kundenbarometers des MVV. Das sieht in vielen Bereichen zwar besser aus als früher, bei "Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit" aber weiter mies. Dabei ist das doch der erste und wichtigste Anspruch des Fahrgasts, dass er einigermaßen pünktlich und zuverlässig ans Ziel gebracht wird.

Dass die Befragungsergebnisse am Dienstag publik wurden, just während die S-Bahn-Stammstrecke durch die Innenstadt weitgehend lahm lag, die Hauptschlagader des Nahverkehrs im Großraum, das war ein Zufall, gewiss. Aber was für ein blöder. Man möchte ja nicht wissen, was für Noten der MVV bekommen hätte, wären seine Kunden am Dienstag befragt worden.

Nun können die Verkehrsunternehmen nichts dafür, wenn eine Weiche bricht. Sie können nichts dafür, wenn Betrunkene über die Gleise stolpern, weshalb der Verkehr sofort ruhen muss - so wie es nicht nur während der Wiesn ständig passiert. Wofür die Verkehrsunternehmen und ihre Ober-Chefs, die Politiker in Kommunen, Freistaat und Bund, aber schon etwas können, ist dies: Sie haben die Infrastruktur des Nahverkehrs zu lange vernachlässigt; sie ist zu schlecht und vor allem zu knapp bemessen für einen stetig wachsenden Großraum. So kollabiert nicht nur das gesamte S-Bahn-System eines 2,8-Millionen-Einwohner-Raums sofort, wenn eine Weiche kaputtgeht. Sondern eine entsprechende Störungsmeldung am frühen Morgen führt dazu, dass schon weit draußen in der Peripherie die Autobahnen und Landstraßen verstopfen, weil alle schnell doch das Auto nehmen.

Nicht die Störung ist das Problem, ihre Folgen sind es. Da hat der MVV schon recht, wenn er feststellt: Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zu verbessern, geht nur über den Ausbau der Infrastruktur. Und das ist mehr als eine zweite S-Bahn-Röhre unter der Stadt.

Hat man alles schon mal gehört, dieses Klagelied, tausend Mal gesungen beim Warten am Bahnsteig oder beim erzwungenen Smalltalk in der überfüllten U-Bahn? Das zeigt das Problem. Dass sich bei der zentralen Frage zu wenig tut, kann nicht genug angeprangert werden.

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