RAF: Becker und der Verfassungsschutz:Kölner Geheimnisse

Die frühere RAF-Terroristin Verena Becker hat dem Verfassungsschutz erst nach 1980 Informationen geliefert, sagt die Kölner Behörde - und damit Jahre nach dem Buback-Mord.

Hans Leyendecker

Das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat in einem auch der Bundesregierung vorliegenden Bericht ausgeschlossen, dass es zwischen dem Frühjahr 1972 und dem Frühjahr 1980 irgendeine Form der Zusammenarbeit mit der ehemaligen RAF-Terroristin Verena Becker gegeben hat.

Bereits vor Monaten hatte das Amt der Karlsruher Bundesanwaltschaft einen entsprechenden Vermerk geschickt. Die Karlsruher ermitteln gegen Becker und den früheren RAF-Terroristen Stefan Wisniewski wegen Verdachts der Beteiligung an der Ermordung des früheren Generalbundesanwalts Siegfried Buback und zwei seiner Begleiter im April 1977.

Ein erstes Ermittlungsverfahren gegen Becker im Buback-Komplex war am 31. März 1980 eingestellt worden. Auch das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz hatte, wie Insider der Behörde erklären, damals keinerlei Zugang zu Becker. Die ehemalige Terroristin war bis Mitte der siebziger Jahre Mitglied der in Berlin operierenden "Bewegung 2. Juni".

Die Frage, ob Becker vor dem Attentat auf Buback Kontakte zu Verfassungsschützern hatte, war durch die Auswertung eines alten Aktenvermerks der Stasi aufgekommen. Im Februar 1978 hatte ein Major der Stasi notiert, "zuverlässigen Informationen" zufolge sei Becker seit 1972 "unter Kontrolle" westdeutscher "Abwehrorgane" gewesen.

Das hätte bedeutet, eine Quelle eines westdeutschen Nachrichtendienstes hätte womöglich im Umfeld des Buback-Mordes mitgewirkt. Die nach einhelliger Expertenmeinung missverständliche und falsche Notiz des Majors steht auch im Widerspruch zu dem übrigen Teil der mehrere hundert Seiten starken Becker-Akte, die von der Stasi Anfang der siebziger Jahre angelegt worden war.

Politischen Zündstoff liefert die Frage, ob das Bundesinnenministerium die in diesen Tagen von der Bundesanwaltschaft angeforderten Akten des BfV zum Fall Buback herausgeben wird oder nicht. Dazu gehört eine 227 Seiten dicke Materialsammlung der für das Führen von Quellen zuständigen Abteilung des BfV mit Aussagen von Becker aus dem Jahr 1982. Den Beschaffern war es damals gelungen, die in Köln einsitzende Ex-Terroristin zu überreden, mit der Behörde zusammenzuarbeiten.

Becker soll über die Strukturen der RAF, über die Zusammenarbeit der Bande mit arabischen Terroristen und über Hintergründe des Buback-Attentats gesprochen haben. Dass Becker über ihre RAF-Zeit und über ihre Zeit bei der "Bewegung 2. Juni" ausgepackt hatte, war viele Jahre Staatsgeheimnis. Der Bericht landete im Tresor.

Eine andere Abteilung fertigte dann einen 82 Seiten umfassenden Auswertungsbericht. In diesem ebenfalls als geheim eingestuften Bericht ist nur von einer Quelle die Rede, die Angaben gemacht habe. Üblicherweise erfahren die Auswerter von den Kollegen nicht den Namen der Quelle.

Die Kölner Geheimnisse waren der neuen Generation in der Karlsruher Bundesanwaltschaft unbekannt, die 2007 ein Verfahren gegen Wisniewski wegen Verdachts der Tatbeteiligung am Buback-Mord einleitete. Zur Überraschung der Strafverfolger erklärte das BfV, ihm lägen Informationen zum Buback-Mord vor.

Einer alten, unbestätigten, "Einzelinformation" zufolge könnte Wisniewski einer der Tatbeteiligten gewesen sein. Die Karlsruher hakten nach und erfuhren erst dann von der Materialsammlung und dem alten Auswertungsvermerk. Die Bundesanwälte Walter Hemberger und Thomas Beck durften die Geheimpapiere lesen, aber nicht mitnehmen.

Die Lektüre ergab, dass angeblich die Terroristen Christian Klar, Günter Sonnenberg und Wisniewski das Attentat ausgeführt haben. Aus beiden Berichten ging nicht hervor, ob die Quelle Becker das wusste oder nur davon gehört hatte.

Im Januar 2008 erklärte das Bundesinnenministerium, die Akten würden gesperrt, um Nachteile für das Wohl von Bund und Ländern abzuwehren. Es ging Berlin auch um das Prinzip, Zusagen an Quellen müssten eingehalten werden. Becker war zugesichert worden, dass ihre Aussage geheim bleibe und nicht in Prozessen verwendet werden dürfe.

Kurz darauf aber wurde auch gegen Becker ein Verfahren in Fall Buback eingeleitet. Die Ex-Terroristin sitzt seit kurzem in Untersuchungshaft, weil sie zum Kommando Buback gehört haben soll, und plötzlich sind die alten Akten wieder wichtig. Sie könnten be-, aber auch entlastend sein.

Die Ermittler haben vor ein paar Monaten zwei Kölner Nachrichtendienstler vernommen, die einst mit der Vernehmung der Aussteigerin zu tun hatten. Auch dabei konnte nicht geklärt werden, ob Becker damals etwas wusste oder ob sie nur etwas gehört hatte.

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