Religion:Der muslimische Feiertag ist ein halbrichtiger Vorschlag zur falschen Zeit

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Muslime beim Gebet. (Foto: Getty Images)

Die Idee von Innenminister Thomas de Maizière ist bemerkenswert - aber bundesweit wäre so etwas gar nicht vorstellbar.

Kommentar von Matthias Drobinski

Sollte es in Deutschland einen muslimischen Feiertag geben? Noch-Innenminister Thomas de Maizière hat da einen halbrichtigen Vorschlag zur falschen Zeit gemacht. Halb richtig ist er deshalb, weil ein solcher Feiertag nur dort sinnvoll wäre, wo es genügend Muslime gibt, die mit einem solchen Tag etwas anfangen können. Ein staatlich geschütztes Opferfest wäre im katholischen Passau so sinnbefreit wie im säkularen Rostock. Als bundesweiter Feiertag wäre es gar nicht vorstellbar, als landesweiter kaum.

Bedenkenswert ist die Idee trotzdem. Die deutsche Feiertagslandschaft ist ja ziemlich bunt: Am 31. Oktober feiern diesmal alle Deutschen den Reformationstag, weil 500-Jahr-Jubiläum ist; ansonsten bringt Martin Luther nur dem halben Land einen freien Tag. Mariä Himmelfahrt ist in den 1700 überwiegend katholischen bayerischen Gemeinden ein Feiertag; der Norddeutsche staunt, wenn er am 15. August nach München kommt. Das Friedensfest schließlich haben die Augsburger exklusiv. Der Kanon der gesetzlich geschützten Feiertage ist auch wandelbar: Die CSU, deren Vertreter jetzt auf die Christlichkeit dieses Kanons pochen, waren 1995 mit dabei, als der Buß- und Bettag zur Finanzierung der Pflegeversicherung gestrichen wurde. Der Friede mit den Arbeitgebern zählte mehr als das christliche Erbe.

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Besonders in den eigenen Reihen stößt der Vorschlag des Bundesinnenministers auf Ablehnung. Auch die katholische Kirche hält nicht viel von der Idee.

Feiertage - nicht mehr Ausdruck allgemeiner religiöser Praxis

Vor allem aber hat sich das Wesen der Feiertage und ihres staatlichen Schutzes verändert. Nur noch eine Minderheit in Bayern glaubt, dass Maria leiblich in den Himmel aufgefahren ist. Die meisten Christen schwänzen den Pfingstmontagsgottesdienst, selbst Weihnachten ist zum Familienfest mit kurzem religiösem Akzent geworden. Die Feiertage sind längst nicht mehr Ausdruck allgemeiner religiöser Praxis.

Trotzdem schützen Bund und Länder sie zu Recht: Sie schützen die Möglichkeit, in die Kirche zu gehen, als Teil der Freiheit, die eigene Religion auszuüben. Sie schützen den traditionellen, kulturellen und religiösen Raum, ohne sich den Inhalt zu eigen zu machen - so, wie der Staat am 3. Oktober nicht Patriotismus verlangt und am 1. Mai nicht Gewerkschaftsnähe. Zu Recht schützt der Staat auch die kollektive Auszeit des Feiertags als Zeit der "seelischen Erhebung", ohne zu kontrollieren, wer da wirklich die Seele erhebt.

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Suleman Malik steht regelmäßig auf dem Marktplatz, um seine Religion zu erklären und sich von Terror und Gewalt zu distanzieren. Das sei seine Pflicht, findet der 31-Jährige. Doch bei "Sie sind das Volk" fragt er sich, was die Bundesregierung für ihn und gegen den Hass auf Muslime tut.

Von Antonie Rietzschel, Erfurt

Das alles böte Raum für einen muslimischen Feiertag - in einer Stadt oder Region zunächst, oder, wie schon in Hamburg Praxis, als Recht des einzelnen Gläubigen, an diesem Tag Urlaub nehmen zu dürfen. In Hamburg geht dies seit fünf Jahren ohne Probleme. Die Regelung gibt es aber, weil es dort einen Staatsvertrag mit den muslimischen Gemeinschaften gibt. Und deshalb kommt de Maizières Vorschlag zur falschen Zeit: Ausgerechnet der größte muslimische Verband, die türkische Ditib, scheidet als Vertragspartner aus, solange er Gehilfe der erdoğanschen Religionspolitik ist. Ein muslimischer Feiertag aber müsste Teil eines verlässlichen Staats-Religionen-Verhältnisses sein. Er kann so wenig eine optimistische Vorleistung des Staates sein wie eine Gnadengabe von oben herab.

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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