Smartphones:So retten sie den digitalen Familienfrieden

Strikte Regeln für sich selbst aufstellen, Kinder länger daddeln lassen oder eine Handygarage aufbauen: Experten geben Tipps für den Familienalltag mit Smartphone.

Von SZ Familie

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"Das lockert den Unterricht auf"

Semin Muminovic

Quelle: Sima Deghani

Semin Muminovic, 14, geht in die 10. Klasse Realschule.

Mein Handy: Samsung S 5

Ich nutze es: Den ganzen Tag. Früher habe ich darauf gespielt, aber mittlerweile langweilt mich das. Im Bus gucke ich da­rauf Serien und abends im Bett manchmal einen Film. Meistens schreibe ich währenddessen Nachrichten.

Handy und Schule: An meiner Schule herrscht Handyverbot. Aber manche netten Lehrer lassen uns zwischendurch etwas recherchieren, das lockert den Unterricht auf. Die strengen Lehrer nehmen das Handy sofort weg, wenn es im Rucksack piept.

Das hilft, um Handystreit in Familien zu vermeiden: Ich versuche, keinen Ärger an der Schule zu bekommen und keinen Mist zu bauen. Sonst kriege ich Handy­verbot, und dann streiten meine Mutter und ich.

Beste Handyregel: Meine Eltern haben keinen Zugriff auf mein Handy. Wenn sie es brauchen, fragen sie immer vorher.

Das Beste am Handy: Ich bin damit erreichbar und habe immer etwas, um mich zu beschäftigen.

Das Schlechteste am Handy: Dass der Akku leer geht. Und eigentlich nervt es mich, dass ich immer erreichbar bin.

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"Eine vertane Chance"

Kristin Heitmann

Quelle: Sima Deghani

Kristin Heitmann, 46, ist Lehrerin, Mutter von vier Kindern (7, 10, 20 und 21 Jahre) und entwickelt Kinder-Apps.

Mein Handy: iPhone 6 Plus

Ich nutze es: Zum Telefonieren, um Informationen zu suchen, Fotos zu machen, als Navigationsgerät, als Fernseher-Ersatz und Notizblock, als Kalender und jeden Morgen als Wecker.

Mehr als 24 Stunden ohne Handy war ich zuletzt: Im Urlaub. Zwölf Stunden schaffe ich aber ohne Pro­bleme am Wochenende.

Handy und Schule: Eine vertane Chance! Unsere Kinder laufen mit Hochleistungsrechnern in der Hosentasche in die Schulen und müssen sie ausschalten. Warum nutzt die Schule nicht die Geräte, die eh in Schülerhand sind, zum Recherchieren, zum Vergleichen von Quellen oder um Filme von wissenschaftlichen Versuchen anzuschauen?

Das hilft, um Handystreit zu vermeiden: 1. Als Eltern vorangehen, Vorbild sein. 2. Wissen, was die Kinder grundsätzlich machen. 3. Fragen, was die Kinder gerade machen, bevor man "Ausmachen!" schreit.

Was mein Handy auch noch können sollte: Wissen, wo ich meinen Autoschlüssel hingelegt habe.

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"Es kann so viel"

Marlene Mortler

Quelle: Laurence Chaperon

Marlene Mortler, 62, ist Politikerin und Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Sie hat drei erwachsene Kind­er

Mein Handy: Ich habe zwei, ein Diensthandy und ein privates.

Ich nutze es: Ziemlich oft, gerade unterwegs, abends im Hotelzimmer oder in langen Sitzungen.

Mehr als 24 Stunden ohne Handy war ich zuletzt: Nach dem Tod meines Mannes. Da wollte ich einfach nicht erreichbar sein.

Handy und Schule: Die gezielte Nutzung digitaler Medien im Unterricht, zum Beispiel von Schultablets, ist eine tolle Sache. Private Handys haben aber aus meiner Sicht nichts im Unterricht zu suchen.

Beste Handyregel: Kein Handy beim Essen!

Das Beste am Handy: Es kann so viel ... vor allem erleichtert es die Kommunikation mit anderen. So kann ich zum Beispiel schnell meine Familie erreichen, selbst wenn ich zu Bundestagssitzungen in Berlin bin.

Das Schlechteste am Handy: Der Suchtfaktor. Auch wenn es sehr nützlich ist, muss man diszipliniert damit umgehen.

Was mein Handy auch noch können sollte: Mit wenig Strom auskommen. Leider ist mein Handy immer viel zu schnell leer.

Lieblings-App: Die Wettervorhersage oder Instagram.

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"Nicht im Schlafzimmer"

Gregory Grund

Quelle: privat

Gregory Grund, 36, Medienpädagoge und Mitglied bei "Digitale Helden"

Mein Handy: iPhone 6s

Ich nutze es: Den ganzen Tag, aber nicht im Schlafzimmer.

Zuletzt mehr als 24 Stunden ohne Handy: Wahrscheinlich 1999, bevor ich mir mein erstes Handy gekauft habe.

Handy und Schule: Als didaktisches Werkzeug sehr gern, als Aufmerksamkeitskonkurrent nicht.

Das hilft, um Handystreit in Familienzu vermeiden: Empathie und klare Absprachen, zum Beispiel mit einem gemein­samen Mediennutzungsvertrag. Die Besitzverhältnisse sind eine wichtige Stellschraube. Gehört ein Handy dem Kind, hat es natürlich auch Ansprüche. Wird das Handy von den Eltern nur verliehen, können sie auch mehr fordern.

Beste Handyregel: Die Handygarage, also ein handyfreies Schlafzimmer.

Das Beste am Handy: Die wachsenden Möglichkeiten für Recherche, Dokumentation, zum Austausch und zur Unterhaltung.

Das Schlechteste am Handy: Eine kindgerechte Nutzung ist schwierig zu realisieren.

Lieblings-App: Der App Store natürlich.

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"Ich habe für mich strikte Regeln"

Susanne Mierau

Quelle: privat

Susanne Mierau, 37, bloggt auf Geborgen Wachsen. Sie ist Mutter dreier Kinder.

Mein Handy: iPhone 7 Plus

Ich nutze es: Vorwiegend beruflich und um Fotos und Videos zu machen. Zum Austausch nutze ich es nur mit meinem Mann und ein paar ausgewählten Freunden.

Ich habe für mich strikte Regeln: Anrufe nehme ich nur entgegen, wenn ich sie auch erwarte, Social-Media-Apps wie Twitter sind nur auf dem Laptop. Nachrichten schaue ich oft erst am Abend an.

Mehr als 24 Stunden ohne Handy war ich zuletzt: Vor zwei Jahren. Ich hatte auf einer Reise für einen Vortrag mein Stromkabel vergessen.

Handy und Schule: Handy, Tablet und Laptop können den Schulalltag bereichern: Eigene Videos machen, Bilder bearbeiten, das können sehr sinnvolle Inhalte sein. Ich würde mir wünschen, dass die kreativen Möglichkeiten mehr Beachtung finden.

Beste Handyregel: Handy weg, wenn das Miteinander im Vordergrund steht, beispielsweise beim Bringen und Abholen in Schule/Kita, beim gemeinsamen Essen, beim Vorlesen. Wenn ich mit meinem Kind ein Bilderbuch anschaue, würde ich nie aufstehen, um auf mein Handy zu schauen.

Das Schlechteste am Handy: Die Verlockung, es zum Abschalten zu nutzen - und dann doch nicht abschalten zu können.

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"Das Thema nicht gleich negativ belegen"

Heiko Bielinski

Quelle: Manuel Konstrzynski

Heiko Bielinski, 42, bloggt unter www.bielinski.de über den digitalen Alltag in seiner Familie und ist Vater von zwei Kindern.

Mein Handy: iPhone 5s

Ich nutze es: Ständig und überall.

Handy und Schule: Ich erweitere um "digitale Medien". Es gibt tolle digitale Bildungskonzepte, die den Stoff aufbereiten und unterstützen. Man könnte auch schon Grundschülern vermitteln, wie wichtig Datensparsamkeit ist und wie man sich in sozialen Netzwerken verantwortungsvoll verhält. Damit wären sie fit für das, was auf sie zukommt.

Das hilft, um Handystreit in Familien zu vermeiden: Wie bei jedem Familienthema: Reden. Zuerst mit meiner Frau, dann mit den Kindern. Ich versuche, das digitale Thema nicht gleich negativ zu belegen, sondern quatsche mit ihnen über die Sachen, die sie gern spielen, schaue zu, erkläre und spiele oft auch mit.

Beste Handyregel: Flexibel. Im Moment sind strikte Medienzeiten für die Kinder in unserem Alltag unpraktisch. Wenn mein Sohn bei "Pflanzen gegen Zombies" gerade kurz davor ist, den Endgegner zu besiegen, und um Punkt 18.00 Uhr Schluss sein soll, dann ist das extrem frustrierend. Es kann sein, dass meine Kinder eine Woche lang jeden Tag was auf dem Handy spielen und dafür in der nächsten Woche nur draußen sind. Im vollgepackten Alltag macht ein kurzes Spiel auch Spaß und baut Stress ab.

Das Schlechteste am Handy: Ich höre zum Einschlafen gern Podcasts auf dem Smartphone. Meine Frau nicht. Deshalb höre ich immer mit Ohrhörern und schlafe dabei ein. Mitten in der Nacht wache ich dann manchmal auf, weil sich das Kabel um meinen Körper gewickelt hat. Das Smart­phone darf nun nicht mehr mit ins Bett, bis es dafür eine vernünftige technische Lösung gibt.

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"Definieren, wann das Handy genutzt wird"

Christian Montag

Quelle: Lena Böhm

Christian Montag, 40, Molekularpsychologe, erforscht den Einfluss von Smartphones auf die Gesellschaft. Er ist Vater einer vor kurzem geborenen Tochter

Mein Handy: iPhone 6

Ich nutze es: vor allem, um E-Mails zu lesen.

Mehr als 24 Stunden ihne Handy war ich zuletzt: Im Urlaub auf Zypern.

Handy und Schule: Das Handy hat im Schulunterricht nichts verloren.

Das hilft, um Handystreit in Familien zu vermeiden: Man sollte gemeinsam definieren, wann das Gerät genutzt werden darf.

Beste Handyregel: Wer abends in der Kneipe als Erster das Smartphone zückt, zahlt die nächste Runde Getränke.

Das Beste am Handy: Die Navigation, Skype, E-Mail und der Browser.

Das Schlechteste am Handy: Die ständigen Unterbrechungen durch Kurznach- richten.

Was mein Handy auch noch können sollte: Mehr in den Hintergrund rücken.

Lieblings-App: Google Maps

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"Eltern müssen Vorbilder sein"

Arne Ulbricht

Quelle: DANIEL SCHMITT; Daniel Schmitt/Spitzlicht

Arne Ulbricht, 45, ist Lehrer, Vater von zwei Kindern und Autor mehrerer Bücher. In "Schule ohne Lehrer?" kritisiert er den digitalisierten Unterricht

Mein Handy: "Nokia uralt" mit Tasten und ohne Internet.

Ich nutze es: Im Schnitt täglich für eine SMS und ein kurzes Gespräch.

Handy und Schule: An der Schule haben Handys nichts verloren! Wenn Kinder immer erreichbar sind, sind sie auch immer ablenkbar und, noch schlimmer, verletzbar. In der Schule sollten sie weder hässliche Fotos von der im Unterricht schlafenden Lisa via Whatsapp verbreiten noch ihre Noten mit "Clash of Clans"-Spielen ruinieren.

Das hilft, um Handystreit in Familien zu vermeiden: Allein das Wort "Handystreit" zeigt das ganze Elend. Wenn Eltern vorleben, dass man nichts verpasst, wenn man sieben Stunden nicht über ein Display wischt, und dass man auch nicht jedes Zootier fotografieren und anschließend posten muss, gibt es keinen Streit. Denn dann ist es den Kindern auch nicht so wichtig.

Das Beste am Handy: Unterwegs ist der Wecker praktisch. Und als der ICE neulich drei Stunden Verspätung hatte, war ich dankbar, bei meinem Termin anrufen zu können.

Das Schlechteste am Handy: Alle sind heutzutage im Stress! Warum? Weil sie in einer Tour mit ihrem Lieblingsspielzeug beschäftigt sind.

Was mein Handy auch noch können sollte: Ich würde es gern unterwegs in einen frischen Kaffee oder abends in ein Glas Rioja verwandeln können.

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"Schweigen ist Gold"

Till Reckert

Quelle: privat

Till Reckert, 50, beschäftigt sich als Kinderarzt mit dem Thema Smartphone. Er hat zwei erwachsene Kinder.

Mein Handy: Ein verkratztes schwarzes iPhone 5 32 GB ohne Hülle.

Ich nutze es: Im Dienst und privat, zum Telefonieren, für dringende E-Mails, kurze Internetrecherchen, das pädiatrische Intranet "Pädinform", als Flug- und Bahnticket, CD-Regal, Fotoapparat, Videokamera, Diktiergerät, Terminbuch, Uhr, Taschenrechner, Kompass, Adressbuch, Fahrplan, Dezibelmessgerät, Wettervorhersage und Landkarte.

Nicht drauf: alles von Mark Zuckerberg, Spiele.

Mehr als 24 Stunden ohne Handy war ich zuletzt: Für meine Patienten bin ich tatsächlich immer erreichbar, das wird zum Glück auch nicht missbraucht. Ich bemerke es gelegentlich einen halben Tag nicht, wenn ich das Handy wo liegen lasse. Gefühlt schaue ich zehn- bis 20-mal am Tag auf die Handyuhr und entriegle es halb so oft. Aber typischerweise unterschätzt man das ja.

Handy und Schule: Schlecht, lenkt ab.

Beste Handyregel: Nicht am Esstisch, nicht im Bett. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Das Beste am Handy: Es enthält fast alles.

Das Schlechteste am Handy: Es enthält fast alles.

Was mein Handy auch noch können sollte: Sich solar aufladen im Campingurlaub.

Lieblings-App: Shazam

© Süddeutsche Zeitung Familie/bavo
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