Apassionata in München:Ein Palast für Pferdefans

APASSIONATA - EQUILA - MUNICH

Im Showpalast illuminieren LED-Projektoren die 4200 Quadratmeter große Bühne.

(Foto: Morris Mac Matzen/Apassionata)

In wenigen Tagen eröffnet Apassionata mit der Reitshow "Equlia" den neuen Standort in Fröttmaning. Der Streit um die Namensrechte schwelt aber weiter.

Von Jessica Schober

Sam frisst Sand. Und das ist ein Problem. Für Sam und für den Stallmeister. "Es gibt eben Pferde mit bestimmten Eigentümlichkeiten", sagt Rainer Petersen über den Appetit des holländischen Shire Horse. Er verlegte Gummiplatten im Paddock, damit der Kaltbluthengst keinen Sand mehr fressen kann. Doch dann lief Sam bei einer Probe plötzlich ungleichmäßig und Luigi musste für ihn einspringen, sein Pferdekollege, ebenfalls ein Riesengaul. Und der steht jetzt auf Gummiplatten herum, obwohl er doch gar nicht am Sand nascht. Das ist der Pferdefuß am Job eines Stallmeisters. Eines von vielen kniffligen Problemen, die im Apassionata-Showpalast so kurz vor der Premiere gelöst werden wollen.

München hat jetzt so etwas wie Hamburg mit seinem "König der Löwen". Nur halt mit Pferden. Eine Show, die mit Lichteffekten, Akrobatik und rosafarbenen Plüschponys im Souvenirladen Herzen wie Hufe höher schlagen lassen will.

Restkarten ab 80 Euro

Am 5. November feiert "Equila" (von lateinisch equus für Pferd) Premiere auf der 4200 Quadratmeter großen Bühne. Für die letzten der insgesamt 13 Vorabpremieren gibt es aktuell noch Restkarten ab circa 80 Euro, der eigentliche Spielbetrieb startet mit der offiziellen Premiere am 5. November. "Es wäre schön, wenn Frauen ihren Männern die Karten zu Weihnachten schenken und sich hier einen romantischen Abend machen würden", hofft Pressesprecherin Jana Hünermann. Denkbar ist wohl eher, dass die Gatten an der U-Bahnhaltestelle Fröttmaning vorher nach rechts oder links abbiegen: Der Ponyhof im XXL-Format liegt genau zwischen Fußballstadion und Baumarkt.

74 Tiere sind auf dem Gelände in Stallmeister Petersens Obhut. Edle Rassen wie Friesen, Lusitanos, Andalusier, Menorquiner, die riesigen Shire Horses, aber auch Shetland Ponys und drei Eselrassen. Aus den Pferdeboxen hört man Schnauben, Wiehern, Hufescharren. Siux, Diamente und Glorioso sind nur einige der Rösser, die in das Spektakel eingebunden sind, das künftig stets mittwochs bis sonntags in Fröttmaning aufgeführt wird - vor bis zu 1790 Besuchern. Das zumindest wünschen sich die Veranstalter. Bisher gab es die Apassionata-Shows nur als Tourneeprogramm. Doch in Zeiten, in denen "Bibi und Tina" und "Ostwind" Kinoerfolge feiern, hoffen die Betreiber auf ausreichend Pferdenärrinnen aus ganz Deutschland, um auch die erste Show in einem festen Haus regelmäßig zu füllen.

Dass die Wahl des Standorts auf München fiel, obwohl Apassionata auch mit anderen Städten in Verhandlungen war, dürfte wohl daran gelegen haben, dass die Tournee hier stets erfolgreich in der Olympiahalle gastierte. Die Auftritte dort werden nun wohl wegfallen, dafür können Pferdeliebhaber bald sechs Mal pro Woche Flanken beben und Mähnen wehen sehen.

Kein Heu für Luigi

"Viel Heu!" steht an diesem Morgen an Luigis Box geschrieben, und man möchte am liebsten noch ein weiteres Ausrufezeichen hinzufügen angesichts der schieren Größe des Tieres. Mit einem Stockmaß von 1,88 Meter zwingt der Hengst jeden Betrachter zur Nackenstarre. Die Größe eines Pferdes wird am Widerrist gemessen, jenem Knubbel zwischen Pferdehals und Rücken, der am weitesten aufragt, wenn das Tier grast. Und an dieser Stelle sind 1,88 Meter dann doch recht überwältigend.

Die holländischen Shire Horses sind die größte Pferderasse der Welt. Luigis Riesenhufe haben, und das ist keine Übertreibung, den gleichen Durchmesser wie der Kopf des Stallmeisters. Täglich werden sie mit Öl eingepinselt, damit sie geschmeidig bleiben und glänzen. "Mähnen, Schweife, Hufe müssen tipptopp in Schuss sein. Geflochtene Mähnen geben später ein schönes Volumen", sagt Stallmeister Petersen mit selbst eher schütterem Haupthaar.

Egal, wie sehr Luigi mit seinen Locken oder Körpermaßen imponiert, die meisten "Ohh"-Rufe bei den Zuschauern kassieren später, wie sollte es auch anders sein, die Shetlandponys mit ihrem Stockmaß von 88 Zentimetern. Die kriegen jetzt auch als erstes Futter. Stallmädchen verteilen Müslimischung, aufgeregt schnappt Rappe Bernhard nach dem erstbesten Jackenbund, den er zwischen die samtigen Lippen bekommt. Es ist Mittagszeit. Nur für Luigi nicht, "kein Lunch" steht an seiner Box, dafür bekommt er morgens und abends drei Kilo "Energy".

55 Millionen Euro kostet das Ganze

Der Showpalast für die Pferde steht bereit, doch außenrum ist das Gelände noch eine große Baustelle. Ein haushoher Schutthaufen ist vom U-Bahn-Ausgang sichtbar, ein Baustellenzaun umgibt das Areal. "Das soll alles noch ein bisschen hübscher werden bis zur Premiere", sagt Geschäftsführer Nikolaus Job. Insgesamt 55 Millionen Euro werde der gesamte Themenpark am Ende gekostet haben, weitere zwölf Millionen gingen für die technische Ausstattung und rund sechs Millionen Euro für die Produktionskosten drauf.

Nachdem Job und sein Kollege Jürgen Schröder, der zuletzt "König der Löwen" zum Erfolg gemacht hatte, im Januar die Geschäftsführung übernommen hatten, warfen sie als erstes die geplante Show "über den Haufen", wie Job sagt. Ein neues Team, eine neue Geschichte musste her, alles in kürzester Zeit. Unterdessen schwelt ein juristischer Streit um die Namensrechte weiter. Der ursprüngliche Apassionata-Gründer will den jetzigen Showveranstaltern, der Apassionata World GmbH, die zum Großteil einem chinesischen Investor gehört, die Nutzung des Namens untersagen. Diese aber berufen sich auf den geltenden Lizenzvertrag. Deshalb rechne er auch nicht damit, sagt Job, das Unternehmen noch umbenennen zu müssen.

20 Praktikumsanfragen von jungen Münchner Pferdefans

Der Apassionata-Themenpark soll im Mai 2018 fertiggebaut sein, spätestens aber zu Beginn der bayerischen Sommerferien. Dann sollen auf dem Gelände unter anderem eine Kinder-Uni, ein 360-Grad-Kino und ein Wassertretbecken mit dem sprechenden Namen "Pferdeschwemme" zu finden sein. Für sieben Jahren hat Apassionata einen Pachtvertrag unterschrieben, mit Option auf fünf weitere Jahre. 120 Menschen arbeiten hier. Langfristig, "bis zur Rente", hofft ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, der das Areal bewacht.

Stallmeister Petersen bekam unterdessen schon 20 Praktikumsanfragen von jungen Münchner Pferdefans. Mit glühenden Augen hebt gerade eine Praktikantin am ersten Arbeitstag Pferdeäpfel auf eine Schaufel und schiebt Schubkarren umher. Alle drei Tage werden 40 bis 50 Kubikmeter Mist abtransportiert. Das ist mehr als ein Frachtcontainer Dung pro Woche. Zum Praktikum gehören Misten, Füttern, Heu einstreuen und Böden vorbereiten. Die Pferde selbst reiten oder auch nur putzen zu dürfen - davon können die Mädchen lange träumen. Die Pferde sind sozusagen Leiharbeiter und gehören den sieben Equipenchefs, die auch die Reiter anstellen. "Hauptsache, ich bin in der Nähe der Pferde", sagt die Praktikantin schüchtern.

Die deutsche Equipenchefin Petra Geschonneck ist als Dressurreiterin 14 Jahre lang mit Apassionata auf Tournee gewesen - jetzt freut sie sich mit ihren acht Friesen und zwei Barockpintos auf den "Fünf-Sterne-Luxuspalast". Sie ist begeistert vom "staubfreien sensorgesteuerten Ebbe-und-Flut-Boden", einem Hallenboden, der unterirdisch bewässert wird. Dort wird nun geprobt. Bis kommenden Sonntag müssen schließlich alle Details sitzen.

Auch die Szene, in der Arkadash, das Pferd des Helden Phero, auf einem projizierten Floß übers Wasser gleiten soll. Neulich stand Arkadash bei einer Vorpremiere nämlich nicht genau auf der markierten Stelle, sein Huf hing in der Luft über der projizierten Wasseroberfläche. Stallmeister Petersen zuckt mit den Schultern, man könne eben nicht alles planen: "Das Pferd ist ja schließlich kein Hund."

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