Erneuerbare Energien:Beben in Puchheim

Eine neue Bürgerinitiative bringt das Geothermie-Projekt ins Wanken. Anwohner fürchten, dass ihre Häuser durch den Betrieb beschädigt werden und fordern von der Stadt Garantien

Von Peter Bierl, Puchheim

Gegen das Geothermie-Projekt in Puchheim regt sich Widerstand. Mehr als 100 Bürger wollten am Dienstag vom Stadtrat wissen, wer Entschädigungen bezahlt, sollten ihre Häuser durch Bohrungen oder den Betrieb beschädigt werden. Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) versprach eine Informationsveranstaltung vor Beginn der Bohrungen.

Bereits auf der Bürgerversammlung vor einem Jahr gab es besorgte Fragen nach Risiken der Geothermie. Die Erdbeben in Poing haben nun viele aufgeschreckt. Schon in der aktuellen Viertelstunde des Stadtrats vor vier Wochen wollten Bürger wissen, wer für Schäden haftet. Inzwischen hat sich eine "Unabhängige Bürgergruppe - Beobachter des Geothermie-Projektes in Puchheim" formiert. Sie hat eine Diskussionsgruppe in den sozialen Medien eingerichtet und Flyer verteilt.

Sprecher der Initiative verwiesen darauf, dass das Erdbeben in Poing mit einer Stärke von 2,3 sich ein Jahr nach Aufnahme des Betriebes ereignete. Es sei das erste Beben in Bayern seit Beginn der Aufzeichnungen anno 1390 gewesen, sagte Dirk Reimann. Er sprach von drei Mikrobeben, deren Epizentrum nahe der Stelle gelegen hätte, an der das Wasser wieder in den Boden gepresst wird. In Poing habe das zu Schäden an Gebäuden geführt. Verschärfend komme in Puchheim hinzu, dass in dem ehemaligen Moorgebiet das Grundwasser so hoch steht, dass viele Häuser in wasserdichten Wannen stünden, sagte Klaus Ebrecht. Diese können sowohl durch Risse als auch Hebungen oder Senkungen des Bodens beschädigt werden, so dass Wasser in die Häuser eindringt.

Der Bürgermeister antwortete, dass die Bayernwerk Natur GmbH, der Betreiber in Poing, "keine direkten Schäden im Zusammenhang mit den Beben" erkennen könne. Ein Gutachten habe ergeben, dass der Betrieb "weitestgehend risikofrei" sei. Allerdings räumte Seidl ein, dass ein Zusammenhang in dem Papier auch nicht ausgeschlossen werde. "Es gibt unterschiedliche Einschätzungen, ich kann es nicht beantworten", räumte er ein. Fest stehe jedenfalls, dass eine Entschädigungspflicht nur bestehe, wenn ein Gutachten einen Zusammenhang nachweist.

Diese Antwort reicht den Bürgern, die sowohl aus dem Süden Puchheims wie auch dem Altdorf gekommen waren, nicht. "Wenn etwas passiert, haben wir alle nicht so viel Geld wie die Betreiber, um einen langen Prozess mit Gutachtern zu führen", sagte Ebrecht. Ein anderer Bürger, der aus dem Ruhrgebiet stammt, erklärte, dass die Beweispflicht bei den Geschädigten liege und solche Verfahren nach dem Bergrecht geführt werden. "Das wurde im Interesse der Bergwerksgesellschaften gemacht, am Ende kriegen Sie wenig", warnte er seine Nachbarn. "Wir haben ein blödes Gefühl, denn am Ende wären wir die Gelackmeierten", sagte Ebrecht. Er forderte den Bürgermeister auf, den Sachverhalt aufzuklären. Schließlich handele es sich bei der Geothermie nicht um "Öko-Charity", sondern ein gewinnorientiertes Unternehmen.

Verlief die Diskussion bis dahin sachlich, so kam es zum Eklat, als der Bürgermeister verlangte, die Bürger sollten "Vernunft in die Debatte" bringen. Dafür kassierte Seidl Pfiffe und Buhrufe, während Ebrecht mehr Respekt verlangte. "Sie sprechen mit ihrem Arbeitgeber." Anschließend verließen die meisten Zuhörer den Saal und diskutierten draußen weiter.

Das Millionenprojekt Geothermie dümpelt in Puchheim seit 2005 vor sich hin. Die Kommune sicherte sich einen Claim für Bohrung und Förderung von heißem Wasser aus der Tiefe, fand aber keine privaten Investoren, weil denen die Rendite zu gering erschien. Nun will die Stadt zusammen mit der Geysir Europe GmbH aus Grünwald eine Kommanditgesellschaft gründen. Diese soll die Anlage errichten und die Energie verkaufen. Mehrheitskommanditistin dieser Geopex Gmbh & Co. KG wäre Geysir Europe, die bereits Projekte in Taufkirchen, Starnberg, Neuried und im Allgäu sowie in Italien betreibt.

Die geologischen Untersuchungen wurden in Puchheim von der Exorka GmbH vorgenommen, einer hundertprozentigen Tochter der Geysir Europe. Demnach liegen zwei Bohrpunkte auf einem Feld am Laurenzer Weg nahe Puchheim-Ort. Dort soll 80 Grad heißes Wasser in einer Tiefe von 2300 Metern zu finden sein.

Im Sommer 2016 hatte Seidl die Bohrungen für das Frühjahr 2017 angekündigt. Auf der Sitzung am Dienstag sagte der Bürgermeister, es stünde noch kein Termine fest. Das Projekt verzögere sich wieder, erklärte der Bürgermeister der SZ, weil Form und Umfang der Beteiligung der Kommune von Juristen geprüft, eine Wirtschaftlichkeitsrechnung aufgestellt und ein Konzept für die Anlage und den Betrieb erarbeitet werden müssen. Liegt alles vor, muss nach dem Bergrecht das bayerische Wirtschaftsministerium das Geothermie-Projekt erst noch genehmigen.

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