"Bruder - Schwarze Macht" bei ZDF Neo:"Als Türke bist du immer der Nigger, verstehst du?"

Bruder – Schwarze Macht

An die Kette: Polizistin Sibel (Sibel Kekilli) möchte ihren Bruder Melih (Yasin Boynuince) vor den Islamisten retten.

(Foto: Gordon Timpen/ZDF)

Man möchte sich eigentlich freuen über diese Serie, die ohne großes religiöses Wortgeklingel von der Radikalisierung eines jungen Muslims erzählt. Würde sie nicht so pädagogisch daherkommen.

Von Ronen Steinke

Der Junge ist wütend, er fühlt sich gedemütigt. "Als Türke bist du immer der Nigger, verstehst du?", beklagt sich der 18-jährige Melih bei einem Freund, nachdem er an einer Hamburger Diskotür abgewiesen wurde. "Dabei war der Türsteher selbst ein Kanake. Genau da liegt das Problem, verstehst du? Selbsthass. Kein Stolz."

Man möchte sich eigentlich freuen über diese Miniserie. Denn hier wird der Weg eines Jugendlichen in die islamistische Szene ohne großes religiöses Wortgeklingel erzählt, ohne Koransuren, Muezzinruf, Gehirnwäsche, kurz: ohne exotische Entrückung. Melih (Yasin Boynuince) flieht in eine Subkultur, die sein Ausgegrenztsein umdeutet in ein Auserwähltsein. Der Vierteiler Bruder - Schwarze Macht erzählt, wie attraktiv das auf einen naiven Kleinkriminellen wirken kann. Von wegen Parallelgesellschaft: Seine Eltern sind bürgerlich. Seine Schwester (Sibel Kekilli) ist sogar Polizistin. Um Religiosität im eigentlichen Sinne geht es in der Serie (Buch: Ipek Zübert, Andreas Dirr, Raid Sabbah; Regie: Randa Chahoud) auch kaum. Eher um den Wunsch dazuzugehören, und um den angestauten Frust nach Jahren der Zurückweisung. Ob das genügt, damit ein Mensch sich in die Luft sprengt, ist am Ende die Frage.

Die Serie erinnert an die Comics von Verfassungschutzämtern wie "Andis Freund Murat hat Stress"

Aber wie pädagogisch das alles daherkommt. "Ich habe getan, was ich tun musste! Ich bin Polizistin!" Das ruft Sibel Kekilli als Musterbeamtin, frei von Ecken und Kanten, die ihren Bruder aus den Fängen der neuen falschen Freunde zurückholen will. So sind die Dialoge, so sind die Figuren, und wenn der Plot alle paar Minuten auf etwas Dramatisches zusteuert, dann zeigt die Regie dies an, indem Musik eingespielt wird und die Personen ihre Sätze rufen statt aufsagen. Es geht immer schnell mit den Emotionen. Es geht auch schnell wieder vorbei. Man kommt keinem der Charaktere nahe. Überraschende Züge hat niemand, am allerwenigsten Kekillis Figur. Einsamer Lichtblick: Bjarne Mädel, norddeutsch-brummelig mit Wampe, als ihr Ehemann. Wer sich hingegen fragt, ob vielleicht Kekillis wächsernes Spiel in der US-Serie Game of Thrones nur ein Durchhänger einer eigentlich charismatischen Schauspielerin war, wird hier weitere vier mal 45 Minuten lang enttäuscht.

Hin und wieder produzieren Verfassungsschutzämter Comics oder Videos, die "in erzählerischer Form" sensibilisieren sollen für Phänomene des politischen Extremismus. Zum Beispiel gibt es in Nordrhein-Westfalen die Comic-Reihe "Andi". Der vor Linksextremismus warnende Band heißt: "Voll die Randale". Der den Islamismus erklärende Band heißt: "Andis Freund Murat hat Stress." Hier würde die Serie gut reinpassen.

Bruder - Schwarze Macht, ZDF Neo, sonntags, 21.45 Uhr.

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