Thailand:Züchte Rosen!

Thailand: Das Royal Project von Doi Inthanon ist zugleich eine Versuchsanstalt. Arbeiterinnen ziehen im Gewächshaus Fenchelsetzlinge.

Das Royal Project von Doi Inthanon ist zugleich eine Versuchsanstalt. Arbeiterinnen ziehen im Gewächshaus Fenchelsetzlinge.

(Foto: Jutta Pilgram)

Der verstorbene König Bhumibol ließ auf ehemaligen Opiumfeldern Kaffee, Erdbeeren und Brokkoli anbauen - und kämpfte so gegen Drogen. Die Thailänder profitieren noch heute davon.

Von Jutta Pilgram

Als Somboon Doipanasuk zwanzig Jahre alt war, gehörte das Opium zu seinem Leben. Tagsüber stand er auf dem Feld, ritzte mit einem krummen Messer die Schlafmohnkapseln an und schabte den herausquellenden Saft ab, sobald er getrocknet war. Abends lag er in seiner Hütte und rauchte das Opium in der Pfeife. "Alle taten das", sagt der Bauer aus Mae Klang Luang, einem Dorf im Norden Thailands. Das gab den Männern Kraft, machte die harte Arbeit auf dem Feld erträglicher.

Dann kam der König ins Dorf. Er brachte einen Arzt mit. Die Bewohner von Mae Klang Luang stellten sich in einer Reihe auf und ließen sich impfen. Doipanasuk zieht den Ärmel seines Adidas-T-Shirts hoch und zeigt die Narben auf seinem Oberarm. Zwei Mal ist er dem König begegnet und er hat miterlebt, wie sich das Dorf in den folgenden Jahren veränderte: "Der König zeigte uns erst, wie man Robusta-Kaffee pflanzt." Doch der gedieh im Hochland nicht, es war zu kalt. "Mit Arabica-Kaffee hat es dann funktioniert." Heute gibt es offiziell keine Mohnfelder mehr in Thailand.

Reines Heroin hat der 49-jährige Bauer nie gesehen. Und reich wurde keiner im Dorf vom Opium, aus dem man Heroin gewinnt. Das große Geschäft machten die Händler. Eine Familie konnte etwa fünf Kilogramm Opium in einer Saison ernten, das reichte gerade zum Leben. "Der Kaffeeanbau ist viel einfacher", sagt Doipanasuk, "da kommt man auf 500 Kilo."

Inzwischen erntet er abwechselnd Reis, Bohnen und Erdbeeren. Wie man das für thailändische Verhältnisse exotische Obst anbaut, hat er im "Doi Inthanon Royal Project" gelernt, einer Art Genossenschaft, die der verstorbene König Bhumibol 1979 gründete. Die Bauern der Umgebung können Mitglied werden, an Schulungen teilnehmen, landwirtschaftliche Geräte nutzen und ihre Produkte über die Läden der Stiftung verkaufen, nicht nur auf dem lokalen Markt.

Die "Royal Projects", von denen es im ganzen Land ungefähr 1000 gibt, waren das wichtigste Anliegen von König Bhumibol. Er wollte damit die Abholzung und den Opiumanbau stoppen und den Bauern neue Einnahmequellen verschaffen. Ende der Sechzigerjahre, als viele Dörfer nur beschwerlich zu erreichen waren, begann er, die nördlichen Provinzen des Landes zu bereisen. Dass der Monarch höchstpersönlich kam und keine Berührungsängste zeigte, hat ihm viel Bewunderung eingebracht. Sein Enthusiasmus ging so weit, dass er sogar im Garten seines Palastes in Bangkok eine Versuchsfarm anlegte und landwirtschaftliche Experimente anstellte.

Karotten, Brokkoli, Salat, Avocado, Pfirsiche, Aprikosen, Erdbeeren und Reis - auf den sattgrünen Feldern rund um Mae Klang Luang gedeiht fast alles. Während die Bäuerinnen noch immer mit geflochtenen Körben auf dem Rücken die Ernte einholen, wirkt die königliche landwirtschaftliche Station nur wenige Kilometer entfernt hochmodern. An den Hängen ziehen sich die Plastikplanen der nachts beleuchteten Pflanzungen bis zum Horizont, im Treibhaus türmen sich die Paletten mit Fenchel-Keimlingen. Die Station dient auch als Forschungszentrum, zum Beispiel für Hochlandfischerei. Und sie ist ein beliebtes Ausflugsziel für Einheimische.

Das Restaurant der Versuchsanstalt steht auf Stelzen, unter einem großen Bambusdach sitzen die Urlauber aus Bangkok oder Chiang Mai und schauen hinunter auf einen Bach, der sich zwischen Bananenbäumen und Rhododendronstauden schlängelt. Sie kommen hierher, um Orchideen, Dahlien, Lilien und Rosen in den Gewächshäusern zu besichtigen oder durch die Gärten zu flanieren. "Seit dem Tod des Königs ist das Interesse an den Royal Projects plötzlich riesig", sagt Chintana Suwawan, die naturkundliche Führungen anbietet, "an Feiertagen pilgern die Thailänder in Scharen hierher."

Das liegt sicher auch daran, dass sich die königliche Station mitten in einem Nationalpark befindet. Der Doi-Inthanon-Nationalpark ist benannt nach dem höchsten Berg Thailands, einem südlichen Ausläufer des Himalajas. Eine komfortable Straße führt fast bis zum Gipfel auf 2565 Meter Höhe, vorbei an mehreren gewaltigen Wasserfällen. Hier sinkt die Temperatur im Winter manchmal unter den Gefrierpunkt, und auch im Sommer, wenn es in Chiang Mai brütend heiß ist, weht ein frischer Wind. Gleichzeitig ist es genauso feucht wie in anderen Teilen des Landes. Deshalb hat sich hier, auf dem "Dach von Thailand", eine einzigartige Vegetation entwickelt: ein immergrüner Nebelwald mit Farn, Flechten und Epiphyten, die sich um knorrige Bäume schlingen.

Ein hölzerner Steg des Angka-Naturlehrpfads leitet die Wanderer durch den sumpfigen Dschungel. Efeu rankt sich an dicken Eichen empor, die Stämme sind mit Moos bewachsen, die Äste hängen zum Boden, schwer vom pelzigen Belag. Nur an wenigen Orten der Welt gibt es mehr unterschiedliche Moose. Auch Tiger, Affen, Hirsche und Ziegen leben in diesem Märchenwald. Für Vogelliebhaber ist er ein Garten Eden. "Man kann fast 400 verschiedene Vogelarten beobachten", sagt Chintana Suwawan. "Manche gibt es sonst nirgendwo, zum Beispiel den Graukehl-Laubsänger oder den Grünschwanz-Nektarvogel."

Etwa 200 Meter unterhalb des Gipfels ragen zwei bombastische Chedis in den Himmel. Sie wurden zu Ehren des Monarchenpaares errichtet, der Turm des Königs in Stahlgrau und Braun, der Turm der Königin in Rosa. So protzig die Architektur anmutet, so grandios ist die Lage: Nebelschwaden ziehen über die bewaldeten Hänge der umliegenden Berge, der Blick fällt durch mehrere Wolkenschichten ins Tal.

Unten im Dorf sitzt Somboon Doipanasuk an der Feuerstelle in seiner Hütte, zwei rußschwarze Kessel stehen in der Asche, ein Enkel schläft in der Ecke. Die Opiumsucht hat der Bauer aus eigener Kraft besiegt. "Ich war jung genug", sagt er, "andere schafften es nicht so leicht." Doch für sie war ebenfalls gesorgt, es gab Entzugsprogramme, von der Mutter des Königs initiiert. Auch der 48-jährige Josef Kitjumroonchai, der heute vor allem Kaffee anbaut, erzählt freundlich von seiner Zeit als Opiumbauer. Ihm sei es leicht gefallen, von der Droge zu lassen. Doch manche Bauern hätten den Schlafmohn einfach wieder angepflanzt, nachdem die Soldaten die Felder zerstört hatten. "Eine Zeitlang kauften die Polizisten das Opium", sagt er, "damals wussten wir nicht, ob sie es vernichteten oder weiterverkauften." Irgendwann seien die Mohnfelder aber ganz verschwunden - dem König sei Dank.

Ob tatsächlich alles so reibungslos verlief, wird man von den Bauern in Mae Klang Luang nie erfahren. Denn sie verehren den König wie einen Gott. Keiner der Dorfbewohner versäumt es, zu beteuern, wie traurig er über den Tod des geliebten Monarchen sei. Und keiner würde jemals kritisieren, dass die königlichen Projekte vielleicht nicht mehr zeitgemäß sind. Dass sie neue Umweltprobleme aufwerfen, dass die synthetische Droge Yaba das Opium längst abgelöst hat und sich mit großer Geschwindigkeit verbreitet.

Die Familie konnte sich ein neues Haus leisten, aber sie hängt auch am alten

Geht es den Bauern in Mae Klang Luang heute besser? "Ja", sagt Somboon Doipanasuk, "wir haben jetzt fließendes Wasser, Elektrizität, ein Handy." Und dann sagt er etwas, das wohl überall auf der Welt gilt: "Wir haben mehr Geld, aber wir haben auch mehr Ausgaben." Früher reichten der ganzen Familie 1000 Baht im Monat, ungefähr 25 Euro. Heute brauchen sie 1000 Baht am Tag. Weil er kein Bankkonto hat, muss er lange Strecken zurücklegen, um das Schulgeld für die behinderte Tochter persönlich zu übergeben oder um die Stromrechnung zu bezahlen.

Vor ein paar Jahren hat er ein neues Haus gebaut, mit Stelzen aus Beton. Doch das Haus steht leer, die Familie wohnt immer noch in der Bambushütte nebenan, wo das Licht durch die Ritzen fällt. Nur zum Fernsehschauen gehen sie hinüber ins neue Haus. Manchmal ist es auch schön, wenn alles beim Alten bleibt.

Anreise: München nach Bangkok hin und zurück zum Beispiel mit Thai Airways, ab 780 Euro, weiter nach Chiang Mai, 40 Euro, www.thaiairways.com. Von dort geht es mit Bus oder Mietwagen in 1,5 Stunden zum Nationalpark Doi Inthanon: www.thainationalparks.com/doi-inthanon-national-park Unterkunft: Hotel Anantara Chiang Mai, DZ ab 250 Euro. Übernachtung im Nationalpark siehe oben. Rundtouren: Mehrere Veranstalter bieten individuelle Touren ins Bergland an, etwa www.windowofthailand.com oder www.trikayatours.com

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