Premier League:Klopps Trauzeuge traut sich was

Lesezeit: 3 min

Der Trauzeuge traut sich was: Nach einem Siegtor würde er jubeln, sagt David Wagner (r.) vor dem Spiel gegen Jürgen Klopp (l.). (Foto: Dave Howarth/dpa)
  • Kritik an der Spielausrichtung und an der Autorität: Jürgen Klopp wird beim FC Liverpool zurzeit den hohen Ansprüchen nicht gerecht.
  • Sein Personal bietet Anlass zur Sorge.
  • Ausgerechnet jetzt kommt David Wagner mit Huddersfield zum Trainer-Duell.
  • Zu den Ergebnissen und dem Spielplan der Premier League geht es hier.

Von Sven Haist, Liverpool

Vor Heimspielen zieht sich der FC Liverpool ins Hope Street Hotel zurück. Mit schweren Holztüren und Tastfeldern statt Lichtschaltern ist die Unterkunft trendig, aber unpraktisch. Es könnte also keinen passenderen Ort geben, um das Team zu beherbergen. Die Reds sind ja auch ziemlich cool. Nur zurzeit halt mäßig erfolgreich.

Seit Oktober 2015 ist Jürgen Klopp, 50, nun Trainer in Liverpool. Doch die Sehnsucht der Fans hat er seitdem nicht befriedigt. Sie warten voller Ungeduld auf die erste Meisterschaft seit 27 Jahren. Zwar erreichte Klopp in seiner ersten Saison die Endspiele im Ligapokal und in der Europa League. Doch in der Premier League hatte Liverpool am Ende der vergangenen Saison 17 Punkte Rückstand auf den Meister. Und gerade liegen die Reds als Neunter nach neun Spielen wieder zwölf Punkte hinter der Tabellenspitze.

Wagner kommt Trainer-Duell

In dieser Schieflage erhält Klopp am Samstag an der Anfield Road Besuch von seinem Trauzeugen David Wagner, der den Aufsteiger Huddersfield Town anleitet. Das Treffen der beiden Freunde ist das erste Duell deutscher Fußballtrainer in Englands Eliteliga. Auf einen Gefallen kann Klopp jedoch nicht hoffen. Wagner kündigte an: "Wenn wir das Siegtor schießen, werde ich auf jeden Fall jubeln."

Klopp beim FC Liverpool
:Der Spielerumarmer wird zum Zyniker

Jürgen Klopp hadert und wirkt ratlos. Nun geht der Trainer beim FC Liverpool sogar seine eigenen Spieler an - was hat ihn so verändert?

Von Julian Budjan

Klopp hat sich in zwei Jahren am River Mersey sein persönliches Traumreich geschaffen. Zur Abmachung mit den Klubbossen gehört jedoch, dass der Verein davon genauso profitiert. Liverpool möchte wieder außerhalb der Stadtgrenzen für seine Erfolge geachtet werden. Zur Beruhigung hat Klopp innerhalb seiner ersten vier Jahre einen Titel versprochen. Die Hälfte der Zeit ist nun ergebnislos verstrichen. Und das personelle Aufgebot gibt Anlass zur Sorge: Der Kader enthält zwar viele dynamische, technisch versierte Mittelfeldspieler, die sich kraftvoll in Zweikämpfe stürzen. Und für die nächste Saison hat Liverpool mit Naby Keita aus Leipzig bereits einen weiteren Prototyp dieser Kategorie verpflichtet. Dazu gönnt sich Klopp mehrere Angriffsflitzer, deren Antrittstempo die Gegner beeindruckt. Einer der besten, Sadio Mané, ist zurzeit verletzt.

Verteidiger lassen sich im Kader allerdings erst auf den zweiten Blick finden. Bei der Suche nach Verstärkungen fürs Defensivzentrum ist Klopp nicht fündig geworden. Aktuell vertraut er dem Trio Joel Matip, Dejan Lovren und Ragnar Klavan. Doch nach dem 1:4 bei Tottenham Hotspur brüskierte Klopp die eigene Abwehr. "Den ersten Treffer hätte ich besser verteidigt, wenn ich in meinen Turnschuhen auf dem Platz gestanden wäre", sagte er.

Die Abwehrschwäche lenkt die Aufmerksamkeit auf Liverpools Organigramm. Im Vergleich zu anderen englischen Spitzenklubs verfügen die Reds über einen Sportdirektor. Der wenig bekannte Michael Edwards, 37, besitzt jedoch kaum Renommee. Bei Borussia Dortmund war es einst auch Michael Zorc mit seiner Seriosität und Marktkenntnis, der die Kontrastpunkte zum expressiven Verhalten Klopps setzte und den Erfolg mitverantwortete. Trainer Klopp und Sportdirektor Zorc gewannen zwei Meistertitel mit dem BVB. In Liverpool gelingt diese harmonische Zusammenarbeit bislang noch nicht so recht.

Nun könnte taktische Finesse den missglückten Transfersommer und den Mangel an Fachkräften in der Abwehr kaschieren. Bloß enthält Klopps fußballerische Ideologie keinen funktionierenden Plan B. Wenn Liverpools Spieler den Ball einmal in der eigenen Hälfte hin und her passen, stöhnen die Zuschauer im Stadion sofort auf, aus Sorge vor einem Ballverlust. Die Formation, aus der die Reds agieren, bleibt stets dieselbe: vier Verteidiger, drei Mittelfeldspieler, drei Angreifer. Eine Balance besteht in dieser Saison nur zwischen berauschenden Siegen und berauschenden Niederlagen.

"Ich bevorzuge einfach Heavy Metal"

Die Spielweise verbraucht schon zu einem frühen Zeitpunkt der Saison viel Energie. Sobald sich die Akteure eine Erholungsphase gönnen, lässt Klopp am Seitenrand seine rechte Hand in der Luft kreisen wie einen Propeller. "Ich bevorzuge einfach Heavy Metal", sagte er im Interview mit dem Sender Sky UK, "ich liebe es, wenn ich nach dem Spiel lese, dass wir mehr gelaufen sind als der Gegner. Ich will nicht mit 80 Prozent gewinnen."

Neben der Kritik an der sportlichen Ausrichtung muss Klopp vermehrt Angriffe auf seine Autorität abwehren. Den anfänglichen Personenkult nutzte der englische Boulevard, um ihn auf Wolke sieben zu heben, weit über die anderen Trainer in der Premier League. Für diesen Hype konnte Klopp nichts, dagegen gewehrt hat er sich aber ebenso wenig. Das hat Neid in der Branche entfacht, der sich nun offenbart. Vor knapp zwei Wochen kokettierte Klopp auf der Pressekonferenz mit seinem Image: "Ich bin also ein charismatischer, witziger Loser?", fragte er.

Es hätte eigentlich jemand entgegnen müssen, dass das natürlich Quatsch sei. Doch niemand sagte etwas.

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Premier League
:Null zu null verloren

Schon wieder kein Sieg in einem wichtigen Spiel: Trainer Klopp klagt nach dem 0:0 gegen Manchester United über die destruktive Taktik des Gegners. Dabei liegt Liverpools Problem woanders.

Von Sven Haist

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: