Bürgerentscheid:Ist die Abschaltung des Kohlekraftwerks gut oder schlecht für das Klima?

Heizkraftwerk München Nord in Unterföhring, 2017

Das Heizkraftwerk Nord in Unterföhring mit seinem über 130 Meter hohen Kamin.

(Foto: Florian Peljak)
  • An diesem Sonntag können die Münchner in einem Bürgerentscheid darüber abstimmen, ob der Kohleblock im Heizkraftwerk Nord bereits im Jahr 2022 stillgelegt werden soll oder erst später.
  • Die Befürworter argumentieren, die Abschaltung wäre ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.
  • Die Gegner argumentieren, dass eine frühere Abschaltung hohe Kosten verursache und wegen des Emissionshandels fast keinen positiven Effekt für das Klima hätte.

Von Andreas Schubert

Die Münchner haben am Sonntag die Wahl: Beim Bürgerentscheid können sie dafür stimmen, den Kohleblock im Heizkraftwerk Nord bereits im Jahr 2022 stillzulegen, oder eben nicht. Zwar ist dann noch lange nicht gesagt, dass die Bundesnetzagentur der vorzeitigen Stilllegung zustimmen würde. Aber für die Initiatoren des Bürgerbegehrens "Raus aus der Steinkohle" wäre ein aus ihrer Sicht positives Votum ein wichtiges Signal für die Weltklimakonferenz, die vom 6. bis 17. November in Bonn stattfindet.

Beim Thema Kohle gibt es für die Gegner diesmal offensichtlich keine Parteigrenzen. Bekanntermaßen ist unter den rund 70 unterstützenden Organisationen sogar ein Teil der CSU - und zwar der Münchner Kreisverband Bogenhausen/Berg am Laim. Dessen Vorsitzender Robert Brannekämper, der auch im Landtag sitzt, kämpft schon seit Jahren für den Ausstieg aus der Steinkohle, Seite an Seite zum Beispiel mit der ÖDP oder den Freien Wählern. Es ist eine bürgerliche Allianz für den Klimaschutz, wie die Akteure erklären. Und Brannekämper sagt, es gehe in diesem Fall nicht um Parteipolitik, "sondern darum, Politik für die Bürger zu machen." Sein Kreisverband werde im Rathaus deshalb in Anlehnung an Asterix als das "gallische Dorf" bezeichnet.

Die Stadtwerke (SMW) werben derzeit mit Internetanzeigen gegen den Kohleausstieg 2022. SWM-Chef Florian Bieberbach spricht in einem Werbevideo davon, wer mit "Nein" stimme, stimme ebenso für einen Ausstieg aus der Steinkohle, aber nicht schon in fünf Jahren, sondern ab "Mitte bis Ende der Zwanzigerjahre". Bieberbach hält einen Ausstieg etwa 2027 bis 2029 für realistisch. Die SWM erklären in ihrer Werbung, das vorzeitige Abschalten könne die SWM bis zu 320 Millionen Euro kosten, dafür bekomme man 30 U-Bahnzüge. Bieberbach erklärt, es sei weitaus sinnvoller, den öffentlichen Nahverkehr weiter auszubauen. Zudem hätte ein Ausstieg europaweit gesehen wegen des Emissionshandels fast keinen positiven Effekt für das Klima.

Die Gegner sehen das bekanntlich anders. Für sie wäre das Aus des Kohleblocks der günstigste und effektivste Beitrag zum Klimaschutz, den München leisten könnte. Thomas Prudlo, Vorsitzender der Münchner ÖDP und Mitinitiator des Bürgerbegehrens, verweist zudem wiederholt auf die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen der Stadt, die in den vergangenen fünf Jahren zwar 160 Millionen Euro gekostet, aber nur zwei Prozent CO₂-Einsparung je Bürger gebracht hätten. Das Abschalten des Kohleblocks bringe bei gleichen Kosten eine Einsparung von 7,5 Prozent.

Die Argumente pro und contra Ausstieg sind längst ausgetauscht und sind im Internet nachzulesen. Die gegnerischen Seiten vertrauen darauf, dass die jeweils eigenen Standpunkte die überzeugenderen sind. Michael Piazolo, Landtagsabgeordneter der Freien Wähler und ebenfalls Ausstiegsbefürworter, kritisiert die Stadtwerke dafür, dass sie den Betrieb des Kohlekraftwerks über 2022 hinaus als alternativlos darstellen. Denn die Kohlegegner sind davon überzeugt, dass bei gutem Willen der SWM durchaus die Möglichkeit gegeben wäre, den Kohleverbrauch von derzeit 800 000 Tonnen jährlich zu reduzieren.

Jetzt geht es den Initiatoren darum, überhaupt das Zustimmungsquorum zu erreichen. Die Mehrheit bei Bürgerentscheiden muss in München mindestens zehn Prozent der Stimmberechtigten betragen. Der Zeitpunkt, dieses Quorum zu erreichen, sei am Ende der Ferien relativ ungünstig.

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