CSU:Seehofer hat seine Nachfolge verbockt

Exploratory talks about forming a new coalition government in Berlin

CSU-Chef Seehofer auf dem Weg zu den Sondierungsgesprächen in Berlin.

(Foto: REUTERS)

In der CSU tobt ein Machtkampf - und selten war die absolute Mehrheit für die Partei so weit weg wie derzeit. Für das Team Seehofer gibt es jetzt zwei Möglichkeiten.

Kommentar von Roman Deininger

Die CSU ist in einer Krise, und alle beteuern, es dürfe jetzt nicht um Personen gehen. Aber natürlich muss es um Personen gehen. Personen bestimmen, welche Partei die CSU sein will.

Die CSU ist eine bayerische Dynastie, ihr Erbe ist die Macht. Sie vertraut sich stets dem Anführer an, dem sie die Sicherung dieser Macht zutraut. Die einen in der CSU glauben, Finanzminister Markus Söder könnte die Partei retten. Die anderen glauben, er würde sie zerstören. Man kann die Hoffnung der einen erklären und die Furcht der anderen verstehen.

Parteichef Horst Seehofer hat die gütliche Regelung seiner Nachfolge nicht verpasst; er hat sie verbockt. Mit einem grotesken Mix aus Patronage und Demontage hat er dafür gesorgt, dass kein ihm genehmer Kandidat stark genug ist, es mit dem einzigen Kandidaten aufzunehmen, der ihm nicht genehm ist: dem Polarisierer Söder. Seehofer dachte, die drängendste Personalfrage nach der Bundestagswahl würde sein, in welches Ministerium er seinen Joker Karl-Theodor zu Guttenberg steckt. Nun ist sein Blatt so schwach, dass er den Joker nicht spielen kann.

Selten war die absolute Mehrheit so weit weg wie derzeit

Es tobt der Machtkampf in der CSU, und dennoch ist im Grunde noch nicht viel passiert. All die jüngsten Zündeleien haben nur die bekannten Kräfteverhältnisse sichtbar gemacht. Hier die Seehofer-Getreuen, dort der Söder-Fanklub, noch nicht groß genug für einen Putsch. Die Forderung der Jungen Union nach einem Neuanfang - das ist nun der erste unerwartete Tiefschlag für Seehofer. Dass er ihn nicht verhindern konnte, deutet an, dass den großen Strategen das strategische Geschick verlassen haben könnte.

Seehofer hat sich Personaldebatten bis zum Ende der Jamaika-Sondierungen verbeten: Er hat dem Feuer das Brennen untersagt. Natürlich hat er trotzdem recht, wenn er sich über Söders Heckenschützen beklagt. Aber er wird ja zurückschießen, für den 19. November hat er das Ende der Friedenspflicht avisiert. Kaum vorstellbar, wie dabei irgendwer unbeschädigt bleiben sollte. Dann werden auch die Parteigranden Stoiber und Waigel mit weisem Rat aus den Waldhütten kommen müssen, in denen sie sich gerade noch verstecken. Getrennte Waldhütten, klar.

Zwei Möglichkeiten gibt es für das Team Seehofer: die Teilung der Macht mit Söder hinter den Kulissen oder die Entscheidung auf offenem Feld, beim Parteitag Mitte Dezember. Zu letzterer Variante scheint Seehofer zu tendieren, selbst wenn das bedeuten würde, dass die CSU gespalten in den schicksalhaften Landtagswahlkampf 2018 geht. Andererseits: Wer sie sein will, das darf eine Partei auch ruhig mal im Kampf entscheiden.

Auf jeden Fall ist die CSU noch eine echte Volkspartei, unter ihrem Dach hat die Flüchtlingshelferin genau wie der Grenzzaunfreund Platz. Doch spätestens seit der Bundestagswahl wackelt das Dach. Der Grenzzaunfreund mag seine CSU in Söder erkennen - die Flüchtlingshelferin tut sich da schwerer. Die Partei weiß deshalb noch nicht recht, wem sie trauen soll: Söder, der mit scharfen Tönen die AfD kleinzuhalten versucht? Oder einer gemäßigten Stimme aus dem Seehofer-Eck, etwa dem Europapolitiker Manfred Weber?

Die Erfahrung zeigt indes: Die CSU honoriert Stärke. Manchmal verwechselt sie Stärke auch mit Härte. Und Söder ist derzeit zweifellos der härteste und der stärkste der CSU-Aspiranten. Er verkörpert wie kein anderer den provozierenden Stolz dieser Partei, der bei den Gästen, die neben ihm in der Talkshow sitzen, Zornespusteln sprießen lässt. Die CSU würde mit Söder wohl Stimmen auf der rechten Flanke gewinnen und Stimmen in der Mitte verlieren. Am Ende würde ein Saldo stehen, und es mag sein, dass es positiv ausfiele. Als Spitzenkandidat wäre Söder aber auch ein Geschenk für die Opposition: Söder verhindern; weiterführende Programmideen überflüssig.

Söder ist ein Mann, dessen Karriere durchaus die Frage aufwirft, was die Würde des Amtes mit ihm machen würde - und er mit der Würde des Amtes. Andererseits: Dass das "blonde Fallbeil" Stoiber mal als Landesvater durchgehen würde, hat einst auch die menschliche Fantasie gesprengt. Seehofer will die Vorstellungskraft der Bayern lieber nicht prüfen. Die Frage ist nur, welche Formation gegen Söder eine Chance hat. Dass Seehofer selbst über 2018 hinaus Teil davon sein wird, ist unwahrscheinlich. Webers Aussichten in einer Kampfkandidatur als Parteichef gelten als gering. Seehofers beste Hoffnung dürfte Innenminister Joachim Herrmann sein. Der könnte mit Glück die Franken-Stimmen spalten und Söder so schlagen.

Wer auch immer die CSU in die Landtagswahl führt: Die absolute Mehrheit, der Fetisch der Partei, war selten so weit weg wie in diesem Moment. Und der Job des CSU-Chefs noch nie so unerfreulich.

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