Natur:Erster Biber im Landkreis zum Abschuss freigegeben

Die Nager breiten sich nach den Bächen auch an den Seen aus. Manche machen sich an Dämmen, Klärgruben und Bootshäusern zu schaffen. Nun werden die Problem-Biber gejagt.

Von Armin Greune

Gegen Sonnenuntergang zieht er wieder seine Bahn durch den Ammersee, keine fünf Meter von der dicht bevölkerten Herrschinger Uferpromenade entfernt. Für die Stammgäste am Kiosk "Bayerische Brandung" ist der Biber schon ein vertrauter Anblick: Sie haben ihn auf den Namen "Justin" getauft. Ein paar hundert Meter weiter südlich lässt sich am Pfad zur Alten Mühle sein Werk betrachten: In einen gut 40 Zentimeter starken Weidenstamm haben sich die messerscharfen Zähne so tief vorgearbeitet, dass der Baum bald gefällt sein wird. Viele schlankere Bäumchen in der Umgebung hat der eifrige Nager bereits umgelegt.

Biberbeauftragter schlichtet zwischen Mensch und Biber

270 Pflanzen stehen auf dem Speiseplan der Biber. In Bayern hat sich deren Zahl in zehn Jahren auf 20000 verdoppelt, 2016 mussten 1416 erlegt werden.

(Foto: DPA)

"Justin" ist zwar wie alle Biber ein Einzelgänger, aber alles andere als ein Einzelfall im Fünfseenland. Vor gut einem Jahr wurde das Theaterpublikum in Utting abgelenkt, als bei einer Seebühnen-Aufführung von Nestroys "Kobold" ein Biber durchs Bühnenbild schwamm. Inzwischen hat die einst ausgerottete Art im Landkreis Starnberg alle verfügbaren Reviere erobert und der Nachwuchs muss in suboptimale Lebensräume abwandern: Deshalb sind die Tiere, die sich eigentlich nur an Fließgewässern ansiedeln, immer häufiger an den Ufern von Ammer-, Pilsen- und Starnberger See anzutreffen, sagt Luitpold Schneider, einer der sieben ehrenamtlichen Biberberater des Landkreises. Weil sich Konfliktfälle häuften, "sind wir am Überlegen, ob wir einzelne der nach wie vor streng geschützten Tiere fangen und töten müssen". Am Unterbrunner Weiher hat Biberberaterin Ursula Madeker schon der Beseitigung eines Bibers zugestimmt, der einen Damm untergräbt. Doch noch konnte der Übeltäter nicht gefasst werden.

Herrsching Biberspuren

Nur eine Riesen-Knabberstange: Mit der Fällung dieser ausgewachsenen Weide am Herrschinger Seeufer ist gerade ein Biber namens Justin befasst.

(Foto: Georgine Treybal)

Während Starnberg mit derzeit 35 Revieren relativ wenige, aber laut Madeker "oft relativ komplizierte Biber" in der Nähe von Straßen, Klärgruben oder Bootshäusern aufweist, ist die Lage im westlich angrenzenden Nachbarlandkreis seit Jahren viel kritischer. Auch heuer mussten dort bislang 17 Biber "entnommen" werden, sagt die Naturschutzteamleiterin des Landratsamts Landsberg, Claudia Lutz: "Vor allem gibt es Probleme mit Bauern, wenn landwirtschaftliche Flächen unter Wasser gesetzt werden." Aber auch dann, wenn Grab- oder Fällarbeiten der Biber Verkehrswege gefährdeten, müsse man sofort handeln. Und am Ammersee-Nordufer drohe die Überschwemmung seltener Orchideenwiesen: "Da wägen wir ab, ob diese Artenvielfalt oder der Tierschutz Vorrang hat", sagt Lutz. Oft hat das Wirken der Biber auch positive Folgen für die Umwelt: Sie renaturieren begradigte Flüsse und schaffen so neue Biotope, von denen Frösche oder Fischarten profitieren.

Am West- und Ostufer des Ammersees gab es bislang keinen Anlass, Biber zu töten. Allerdings werden am Fischbach im Herrschinger Moos dessen Dämme regelmäßig entfernt, um Streuwiesen zu erhalten, in denen auch die vom Aussterben bedrohte Bekassine brütet. Und vor Monaten hat Schneider im Gewerbegebiet nördlich von Herrsching einen verirrten Biber mit Besen und Falle eingefangen und anschließend wieder im Moos freigelassen. "Wo es geht, wird er geduldet", sagt auch Franziska Kalz, die Umweltreferentin im Herrschinger Rathaus, sie setzt lieber auf Prävention. An Seepromenade, Fischbach und im Umfeld der Realschule erhielten Baumstämme Drahthosen oder spezielle Anstriche, um nicht weiter angenagt zu werden. Einzelne markante Bäume mussten aber auch schon vorsorglich gefällt werden, da sie sonst zur Gefahr für Passanten würden. "Justin" ist auch für Schneider ein alter Bekannter: "Der ist tiefenentspannt und lässt sich fast gar nicht stören." Ein ähnlich nonchalanter Vertreter der ansonsten recht scheuen Nagetiere fand sich im vergangenen Frühjahr in einem der trüben Tümpel vor dem Starnberger Landratsamt ein, er verschwand aber bald wieder.

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