Vorschlag-Hammer:Musikalisches Gedächtnis

Am Sonntag wird im Kulturzentrum der Israelitischen Kulturgemeinde vom Philharmonischen Streichquartett Musik gespielt, die im Konzentrationslager Theresienstadt entstanden ist

Kolumne von Egbert Tholl

Vor ein paar Tagen hat mich das "Spielart"-Festival ins Stadtmuseum gelockt. Dort wiederum entführte mich ein stark erkenntnisphilosophisch aufgemotzter Vortrag, der einem über Kopfhörer eingeflüstert wurde, in die Abteilung, in der die Geschichte der "Hauptstadt der Bewegung" aufbereitet wird, also Beginn der NSDAP, Scheitern des Hitlerputsches, Machtübernahme der Nazis, Krieg, Zerstörung. Egal wie das wirkte, was man ins Ohr geflüsterte bekam: Wieder einmal mit dieser Geschichte Münchens konfrontiert worden zu sein, macht fassungslos.

Danach stand ich vor dem Stadtmuseum, es war längst Nacht geworden, die Stadt war leer, das Wetter schlecht. Ich ging hinüber zum Kulturzentrum der Israelitischen Kulturgemeinde, schaute auf die Speisekarte des Restaurants und empfand diese als einen kleinen Trost. Die Nazis haben Millionen Menschen ermordet und die jüdische Kultur in Mitteleuropa fast vollständig vernichtet, aber hier kann man gefilte Fisch essen. Gut, ein seltsamer Trost, zumal ein geschmacklich nicht unbedenklicher. Und viel froher sollte man doch sein über die Synagoge, das Museum oder eben das Kulturzentrum selbst.

Dort spielt an diesem Sonntag um 19 Uhr das Philharmonische Streichquartett, das, wie der Name sagt, aus Musikern der Münchner Philharmoniker besteht, Musik, die im Konzentrationslager Theresienstadt entstanden ist. Theresienstadt war der zynische Versuch der Nazis, der Weltöffentlichkeit (und dem Roten Kreuz) vorzugaukeln, man interniere die jüdische Bevölkerung in einer Art Vorzeige-Ghetto, wo man Musik machte und Theater spielte. Das stimmte sogar, doch währenddessen lief die industrielle Menschenvernichtung, der auch die meisten Bewohner Theresienstadts zum Opfer fielen. Theresienstadt war Transit in den Tod, und die Lebensbedingungen dort waren grauenhaft. Gleichwohl entstand dort viel Musik, fast ausschließlich von Komponisten, die später ermordet wurden. Großartige Stücke sind darunter, etwa von Viktor Ullmann oder Pavel Haas, die nun zu hören sein werden, moderiert von Manuel von der Nahmer, Cellist des Ensembles. Eintritt frei.

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