Klimagipfel:Umweltverbände verlangen im Klimaschutz eine Führungsrolle von Macron und Merkel

Das Kraftwerk Niederaußem von der RWE Power Bergheim Niederaußem 19 09 2017 Foto xC xHardtx xFutur

Und ab damit in die Atmosphäre: das Braunkohlekraftwerk Niederaußem zwischen Köln und Aachen.

(Foto: Christoph Hardt/imago)

Höhere Ziele für Europa, eine Wende bei Landwirtschaft und Verkehr: Die Wunschliste ist lang beim Klimagipfel in Bonn. Nun beginnt seine heikle Phase.

Von Michael Bauchmüller

Zu Beginn der zweiten Woche der Klimakonferenz sind es Umweltschützer aus Deutschland und Frankreich, die mobilmachen. 18 große Umweltgruppen haben einen Brief an Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron geschrieben, er setzt auf die Achse Paris - Berlin. "Als wichtiger Treiber des europäischen Reformprozesses sollte das deutsch-französische Duo auch der Motor für ehrgeizige EU-Klimapolitik werden", verlangen sie. Höhere Ziele für Europa, einen Preisaufschlag auf das klimaschädliche Kohlendioxid, eine Wende bei Landwirtschaft und Verkehr - die Wunschliste an das Führungspersonal ist lang. Und genau darum geht es nun: um neue Allianzen für den Klimaschutz. "Errichten Sie eine starke und ambitionierte europäische Führung im Klimaschutz", appellieren die Umweltgruppen.

Denn in den Zelten und Konferenzräumen in Bonn beginnt nun eine heikle Phase. Die Konferenz muss zeigen, wie viel Elan noch übrig ist, zwei Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen und ein Jahr nach der Wahl Donald Trumps - und wie viel Einigkeit unter den restlichen Staaten. Und wie ein großes Schaufenster soll sie zeigen, wie die Welt sich längst bewegt.

Am Wochenende ist es Al Gore, einst Vize des Präsidenten Bill Clinton, der diese Einigkeit beschwört. Donald Trump habe zwar den Austritt aus dem Klimaabkommen von Paris angekündigt, aber: "Die Vereinigten Staaten sind noch immer Teil des Pariser Abkommens." Die Vereinigten Staaten, das soll beim Klimagipfel mehr sein als das Amerika Trumps. Der kalifornische Gouverneur Jerry Brown ist angereist, der einstige New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, außerdem eine Reihe demokratische Senatoren. Sie haben einen Report mitgebracht, der den Klimaschutz jenseits von Washington belegen soll: 20 amerikanische Bundesstaaten, 110 Städte, dazu 1400 Unternehmen stellen sich demnach trotz Trump hinter das Klimaabkommen. "Diese Gruppe repräsentiert eine größere Volkswirtschaft als jede andere Nation jenseits der USA und Chinas", sagt Bloomberg. Gemeinsam wolle sie dafür sorgen, dass die amerikanischen Versprechen trotz der Kehrtwende im Weißen Haus eingehalten würden. "Mit oder ohne Washington", sagt Bloomberg, der auch Sondergesandter der Vereinten Nationen ist.

Der Gastgeber aus Fidschi schwärmt von der "Kraft der Ideen"

Derlei Pläne werden in Bonn nicht irgendwo vorgestellt, sondern in der "Bonn-Zone". Die Zelte in den Rheinauen sind eine Art große Messe, ein Festival des Klimaschutzes jenseits trockener Verhandlungen. Letztere wiederum finden in der "Bula-Zone" statt, benannt nach dem fidschianischen Wort für "Willkommen". Schließlich ist Fidschi formal der Gastgeber der Konferenz, Deutschland stellt nur den Konferenzort und das nötige Equipment. "Dort wird verhandelt, in der Bonn-Zone wird gehandelt", sagt Frank Bainimarama, Ministerpräsident der Fidschi-Inseln und als solcher auch Präsident der Konferenz. "Hier steckt die Kraft der Ideen." Es ist, als fänden zwei Konferenzen zur gleichen Zeit statt - mit dem gleichen Ziel, aber jeweils anderen Ansätzen und Akteuren.

"Solche Allianzen werden immer wichtiger" sagt Jan Kowalzig, der für die Entwicklungsorganisation Oxfam den Gipfel begleitet. "Sei es zwischen Regierungen, Regionen oder Unternehmen." Schließlich werde Klimaschutz so konkret, auch greifbar.

So wie das Städte-Netzwerk C 40, ein Bündnis besonders klimafreundlicher Metropolen. Am Sonntag stellen 25 Bürgermeister einen ehrgeizigen Plan vor: Sie wollen ihre Städte bis 2050 klimaneutral machen - sowie afrikanischen Megacitys dabei helfen, dasselbe zu schaffen. Buenos Aires ist dabei, New York, Los Angeles, Mexiko-Stadt, Rio de Janeiro; auch London, Kopenhagen und Paris. Berlin, München oder Hamburg sucht man zumindest auf dieser Liste vergebens.

Zur Zukunft der deutschen Braunkohle verliert Merkel kein Wort

Aus Berlin kommt am Wochenende nur eine Videobotschaft der Kanzlerin, es steckt für jeden etwas darin: Einerseits sei die Welt von Klimaschutz noch weit entfernt, sagt Merkel. "Und deshalb geht es darum, dass natürlich jedes Land seinen Beitrag erbringt, und die Dringlichkeit - ich glaube, wir merken das alle an den Naturkatastrophen - ist groß." Andererseits dürfe man mit nationalem Ehrgeiz auch nicht die Arbeitsplätze vertreiben, etwa von "Stahlwerken, Aluminiumwerken, Kupferhütten". Zur Zukunft der deutschen Braunkohle verliert sie kein Wort; also zu jenem Thema, das derzeit auch die Jamaika-Sondierer aufreibt. Der deutsche Beitrag zum weltweiten Klimaschutz ist dieser Tage bescheiden; sieht man von dem Anschauungsmaterial ab, das die Sondierer über den Umbau großer Industriegesellschaften bieten.

Bislang bleiben die Ankündigungen aus der "Bonn-Zone" noch das greifbarste Ergebnis der Konferenz, die "Bula-Zone" muss diese Woche nachziehen. Die Verhandler tauchen dafür tief ein in das Paris-Abkommen. Sie müssen austüfteln, wie genau es von 2020 an den Kampf gegen die Erderwärmung aufnehmen soll. Dazu zählt etwa, dass die Anstrengungen aller Staaten nach den gleichen Maßstäben gemessen werden - aber auch ein regelmäßiger Kassensturz: Er muss sicherstellen, dass am Ende auch wirklich Klimaschutz dabei herauskommt, also die Summe der nationalen Klimaziele auch reicht. Wenn nicht, müssten die Staaten nachlegen. Nur die Regeln dafür fehlen noch.

"Die Staaten müssen in der Verantwortung bleiben"

Weil nach wie vor nicht alle Länder gleichermaßen begeistert vom Klimaschutz sind, droht hier die erste Verwässerung des Vertragswerks. Zeitdruck gibt es noch keinen: Das Regelwerk muss erst 2018 stehen. Gegner allzu entschiedenen Klimaschutzes, ob aus Saudi-Arabien, den USA oder Russland, dürften also versuchen, möglichst viele Entscheidungen hinauszuzögern; andere Staaten werden dagegenhalten. "Da darf man sich auch nicht von den Allianzen blenden lassen", sagt Oxfam-Mann Kowalzig. "Die Staaten müssen in der Verantwortung bleiben, und dafür braucht es auch das Kleingedruckte."

Ob sie sich in der Verantwortung sehen, das dürfen Merkel und Macron der versammelten Weltöffentlichkeit diese Woche selbst erklären; beide werden zum "High level"-Segment des Gipfels erwartet, zur Entscheidungsrunde. Nicht nur die Umweltgruppen werden sehr genau zuhören.

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