Konzert:Laptop und Hammerklavier

Kit Armstrong

Kit Armstrong gilt als einer der vielseitigsten Musiker der sogenannten Klassik-Szene.

(Foto: Neda Navaee)

Kit Armstrong, vielfältig als Musiker und Mathematiker begabt, überzeugt mit der Akademie für Alte Musik Berlin in München auch am Hammerklavier und stellt sein Hammerklavierkonzert vor.

Von Michael Stallknecht

Laptop und Lederhose, lautete einst der Schlachtruf eines bayerischen Ministerpräsidenten zur Versöhnung des Alten mit dem Neuen. Laptop und Hammerklavier, heißt die Variante davon, die Kit Armstrong beim Konzert in München bot. Zum Beginn seines Auftritts mit der Akademie für Alte Musik Berlin im Prinzregententheater packte er den Laptop auf den Nachbau eines Hammerflügels aus dem Jahr 1805, um darauf mit gelegentlichem flinkem Tastendruck die Noten umzublättern. Es entspricht nicht nur dem unorthodoxen Ruf des amerikanischen Jungpianisten, sondern auch seiner Doppelbegabung, die sich auf den mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich ebenso erstreckt wie auf den musikalischen. Als echtes Wunderkind hat Armstrong nicht nur mit fünf Jahren mit dem Klavierspiel begonnen, sondern danach auch als damals jüngster kalifornischer Student diverse Naturwissenschaften studiert. Inzwischen hat er nicht nur das Mathematikstudium in Paris abgeschlossen, sondern auch das Musikstudium in London.

Da erstaunt es fast nicht mehr, dass der heute 25-Jährige sich nun auch noch dem Spiel auf historischen Tasteninstrumenten widmet, das viele Pianisten mit klassisch-romantischem Schwerpunkt lieber ihren dementsprechend spezialisierten Kollegen überlassen. Wie ein echter Profi der historisch informierten Aufführungspraxis reiht er sich dabei in München zunächst einmal ein unter die Mitglieder der Akademie für Alte Musik Berlin und spielt mit beim Basso Continuo in der Es-Dur-Symphonie KV 16, die Wolfgang Amadeus Mozart, das Wunderkind aller Wunderkinder, mit neun Jahren schrieb; später wirkt Armstrong dann auch bei Johann Christian Bachs g-Moll-Symphonie Op. 6, 6 ebenso mit wie bei dessen Sinfonia zu der Oper "Alessandro nell'Indie".

Der zarte Ton des Hammerklaviers mischt sich im großen Prinzregententheater fast unhörbar in den Gesamtklang, auch wenn Armstrong in den langsamen Sätzen schön über den Bass improvisiert. Dafür nimmt sich die sowieso ungemein differenziert spielende Akademie unter Leitung des Konzertmeisters Bernhard Forck entsprechend zurück, wenn Armstrong als Solist in Mozarts "Jenamy"-Konzert KV 271 zu hören ist.

Tatsächlich beweist Armstrong hier, dass er auch das Spiel auf dem historischen Instrument nicht nur als hübsche Nebensache betreibt, sondern den richtigen Anschlag dafür entwickelt hat. Er artikuliert äußerst klar und phrasiert lebendig. In schnelleren Passagen setzt er dafür markante, deutlich gliedernde Akzente, langsamere Linien singt er gleichsam mit ebenso pointiertem wie wunderbar biegsamem Ton aus. Doch es scheint vor allem der ständige Gegensatz zwischen beiden zu sein, der Armstrong reizt, und den er maximal auskostet.

Schon im Kopfsatz dehnt er die übliche Tempospanne, spielt mit ungewöhnlich viel Rubato, wie man es oft fälschlicherweise erst der Romantik zuordnet. Doch Armstrong verwendet das Rubato nicht nur geschmackvoll, er entdeckt damit auch Mozarts eigenes romantisches Moment. Im langsamen Mittelsatz treibt er die Chromatik in eine expressive, intensiv der Harmonik abgelauschte Spannung. Die Akademie für Alte Musik reagiert sofort darauf, bietet einen schwereren, dunkleren Streicherklang.

Als ein Vagieren zwischen den Epochen könnte man denn nun auch das Konzert für Hammerklavier und Streicher beschreiben, das Kit Armstrong selbst vor zwei Jahren komponiert hat und nun erstmals in München vorstellt. Passend zum Klang der Instrumente greift er darin nicht nur barocke Figurationen, sondern auch das Formmodell der Partita auf. Und darüberhinaus passend zu seiner mathematischen Begabung unterzieht er dabei die Themen allerlei komplexen Formspielen.

Doch scheint er dabei deutlich zu viel in das gerade mal einsätzige Stück gepackt zu haben, das auch stilistisch zwischen allen möglichen Stilen hängen bleibt. Echte Avantgarde würde man es nicht wirklich nennen wollen. Aber allein indem Armstrong eine Eigenkomposition in den Abend einbringt, sprengt er die strikte Trennung des Musikbetriebs zwischen Alter und Neuer Musik wohltuend auf, schafft seine ganz eigene Überblendung zwischen der Epoche des Hammerklaviers und der Epoche des Laptops. In München stößt der Pianist und Komponist jedenfalls auf große Begeisterung beim Publikum, für die er sich am Ende mit der Zugabe eines Rondos von Carl Philipp Emanuel Bach bedankt. Dabei holt er alles heraus, was an Brüchen, an formalem Witz in dem kleinen Stück steckt. Humor hat er also auch, der Hochbegabte.

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