"Tatort" aus Hamburg:Wutbürger auf Nervengift

Tatort: Böser Boden

Kommissarin Julia Grosz (Franziska Weisz) inmitten des aufgebrachten Umweltaktivisten-Mobs

(Foto: dpa)

In "Böser Boden", dem neuen Hamburger "Tatort", marodieren zombiehafte Ökoaktivisten in der niedersächsischen Pampa. Klingt krude? Ist es auch.

Von Luise Checchin

Die Erkenntnis:

Dieser Tatort ist ein Anti-Landlust-Krimi. Es gibt verseuchte Seen, vergiftete Vögel und durchgedrehte Bauern. Alle Großstädter, die auf dem Weg zur Arbeit in der überfüllten U-Bahn von einem idyllischen Leben in der Natur träumen, können sich mit diesem Tatort von ihren Eskapismusfantasien befreien. Ganz nebenbei befreit "Böser Boden" leider auch all diejenigen, die von einem richtig guten Tatort träumen.

Darum geht es:

Irgendwo auf dem platten niedersächsischen Land wird der Iraner Arash Naderi ermordet aufgefunden. Der junge Mann, der erst vor ein paar Monaten nach Deutschland gekommen war, arbeitete als Fahrer für die Firma Norfrac. Umweltschützer aus der Umgebung bekämpfen das Erdgasunternehmen seit Langem, weil sie fürchten, dass es ihre Region vergiftet. Musste Naderi sterben, um ein Exempel gegen die vermeintliche Umweltverschmutzung zu statuieren? Oder hat der Mord rassistische Hintergründe? Die Kommissare Thorsten Falke und Julia Grosz verzweifeln während der Ermittlungen nicht nur an der radikalisierten Landbevölkerung, sondern auch an der regionalen Küche und - im Fall von Kommissar Falke - der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Bezeichnender Dialog:

Als sich herausstellt, dass der ermordete Naderi von der Vergiftung der Umwelt durch Norfrac wusste, die Dorfbewohner aber nicht informiert hatte, rottet sich ein Mob zusammen, der die Familie des Getöteten bedroht. Der zu Hilfe gerufene Kommissar Falke legt sich mit Jan Kielsperg an, dem Rädelsführer der Umweltschützer.

Kielsperg: Beweise sind aufgetaucht. Wir wurden belogen! Wir wurden vergiftet!

Falke: Sie können Ihre Öko-Nazi-Diktatur auf Ihrem Hof ausüben, aber nicht hier. Haben Sie mich verstanden? Und jetzt beruhigen Sie die Leute, sofort!

Kielsperg: Es ist Zeit, sich zu wehren! Wir kommen, Falke. Und wir sind viele.

Falke (zum Mob gewendet): Hören Sie zu: Die Behörden werden der Sache auf den Grund gehen, okay? (Der Mob grölt verächtlich)

Kielsperg: Warum fahren Sie nicht schon mal vor und machen es sich bei Ihren Freunden von Norfrac gemütlich? Wir kommen nach! (Der Mob grölt begeistert)

Falke (fuchtelt mahnend mit Zeigefinger herum): Ich warne Sie!

Kielsperg (fuchtelt mahnend mit Zeigefinger herum): Und wir sind viele!

Flop:

Wer hofft, dass die floskelhaften Dialoge das Schlimmste an diesem Tatort sind ("Ich warne Sie" - "Und wir sind viele": Wer bitte redet so?), wird enttäuscht. "Böser Boden" ist eine wirklich krude Mischung aus Öko-Thriller und Zombie-Film. Das Gift, das die Firma Norfrac in den Boden sickern ließ, hat die Landbevölkerung krank gemacht. Die eigentlich zu Recht aufgebrachten Ökoaktivisten mutieren so zu blassen, gemeingefährlichen Kreaturen. Deutsches Wutbürgertum wird hier sozusagen chemisch verstärkt. Als Satire könnte das vergnüglich sein, aber "Böser Boden" nimmt sich in seiner merkwürdigen Vermengung aus Realismus und Grusel durchaus ernst. Leider zündet nichts davon, es bleibt völlig unklar, was dieser Film möchte. Das Thema Umweltverschmutzung gerät seltsam in den Hintergrund, denn mit den zombieartigen Bauerntölpeln, die hier aufgebracht durch die niedersächsische Pampa stolpern, kann man sich beim besten Willen nicht identifizieren. Und das Gruseligste an "Böser Boden" ist wohl der Einfall, den Konflikt zwischen Kommissar Falke und seinem Sohn vor der Kulisse eines AnnenMayKantereit-Konzerts zu inszenieren.

Die Pointe:

Gerade haben die Kommissare Falke und Grosz den Umweltskandal um die Firma Norfrac aufgedeckt, da beginnt auch schon die große Vertuschung. Der Experte des niedersächsischen Landesamts für Bergbau, der den Kommissaren bei der Aufklärung des Falls geholfen hat, wird von seinem Arbeitgeber genötigt, die Messergebnisse zu widerrufen. Ein ganzes Dorf ist also vergiftet worden und die Behörden schützen das Unternehmen, das dafür verantwortlich ist? Die böse Lobby! Der böse Staat! In seinen letzten fünf Minuten will dieser Tatort offenbar doch noch ein bisschen kritisch daherkommen, überzieht es damit aber so vollkommen, dass er ins Verschwörungstheoretische abdriftet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: