"Tatort" aus Münster:Ein "Tatort", der den Kriminalfilm zur Kunst erklärt

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Die Episode "Gott ist auch nur ein Mensch" spielt während der internationalen Skulptur-Tage in Münster. (Foto: dpa)

Der "Tatort" soll künftig weniger experimentieren. Für die Münsteraner Kommissare Thiel und Boerne gilt das aber offenbar noch nicht.

Von Katharina Riehl

Es entbehrt nicht einer gewissen programmplanerischen Komik, dass ausgerechnet jetzt ein Tatort gezeigt wird, in dem der Kriminalfilm zur Kunst erklärt wird - hatte die ARD doch gerade erst die Öffentlichkeit informiert, dass man den Kunstfaktor im Tatort zu reduzieren gedenkt. Ende Oktober ließen sich diverse mächtige Herren aus dem WDR mit der Botschaft zitieren, dass Experimente in der Reihe Tatort besser nur noch zweimal im Jahr stattfinden sollen - nicht dass, Gott bewahre, der Zuschauer am Ende etwa noch verwirrt ist. Und ausgerechnet jetzt packt in der Schlussszene eines Münsteraner Tatorts (bislang zuverlässig experimentfrei) der real existierende Konzeptkünstler Christian Jankowski die Ermittler Thiel und Boerne in einen Koffer. Da wird bei Twitter was los sein.

"Gott ist auch nur ein Mensch" heißt die Episode (Buch: Christoph Silber, Thorsten Wettke; Regie: Lars Jessen), sie spielt während der internationalen Skulptur-Tage in Münster. Noch vor der Eröffnung der Ausstellungen findet sich in einer vor dem Rathaus aufgestellten Clownsfigur eine mühevoll konservierte Leiche - einbalsamiert wurde ein ehemaliger Stadtrat, der sich an Minderjährigen vergangen haben soll. Wie immer in Münster wird die Ermittlung äußerst grobmaschig mit der Freizeitgestaltung der Hauptfiguren verwoben, Professor Boerne versucht sich als Meisterschüler eines ausstellenden Konzeptkünstlers (Aleksandar Jovanovic).

Thiel und Boerne, daran ändert auch ein Kunstkonzept nichts, haben in den vergangenen 15 Jahren jeden denkbaren Witz gemacht, doch dem Zuspruch der Zuschauer hat das seltsamerweise nicht geschadet, im Gegenteil. Die mehr oder weniger humoristischen Beiträge von Frank Thiel und Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne brechen experimentfrei und zuverlässig alle Quotenrekorde. Es ist deshalb sicher sehr im Sinne der ARD-Verantwortlichen, dass der Gag mit dem Koffer erst zu einem Zeitpunkt zu sehen ist, an dem niemand mehr umschalten kann.

Die Skulpturen-Episode ist trotzdem eine der besser zu ertragenden Folgen aus Münster, weil manche Gags vergleichsweise leise des Weges kommen. Witze, die dem Zuschauer nicht mit dem Hintern ins Gesicht springen - auch eine hohe Kunst.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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