Kolumne:Männer aktuell, diesmal: Herr Dr.

Kolumne: Ein Mann ein Weg: Es gilt den Kopf zu ordnen.

Ein Mann ein Weg: Es gilt den Kopf zu ordnen.

(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Den Psychotherapeuten seines Vertrauens zu finden, ist nicht so einfach. Die schlimmste Situation: Wenn sich der Mann, der einem empfohlen wurde, schon beim ersten Vorstellungsbesuch sehr redselig, aber wenig einfühlsam zeigt.

Von Johanna Adorján

Flur. Mehrere Türen gehen ab. Eine öffnet sich, ein Mann, der so adrett und glatt aussieht wie eine Mensch-ärgere-dich-nicht-Figur mit Brille, erscheint im Türrahmen. "Sie wollen zu mir, nehme ich an."

Die Frau, die auf einem Stuhl im Flur Platz genommen hatte, erhebt sich: "Wenn Sie Herr Dr." - sie nennt seinen Namen - "sind?"

Er: "Wer wäre ich wohl sonst. Gibt ja keine andere Möglichkeit bei einer Praxis mit nur einer weiblichen Kollegin, oder?"

Sie: "Okay, aber es gehen ja sehr viele Türen ab. Ich weiß ja nicht, ob da nicht noch jemand ..."

Er: "Haben Sie Ihre Karte für mich?"

Sie: "Ja, sofort, Sekunde ..."

Er: "Ach je, die Versicherung. Die hab ich gern. Das war ironisch, das Gegenteil trifft zu. Na toll, da kommt wieder jede Menge Papierkram auf mich zu. Ich nehme an, Sie haben Ihre Krankenkasse nicht gefragt, ob die auch eine Therapie bei einem psychologischen Psychotherapeuten übernehmen?"

Sie: "Oh je, nein, da habe ich mich bisher nicht erkundigt. Aber ist denn die erste Stunde nicht ohnehin umsonst?"

Er: "Ha! Köstlich. Arbeiten Sie denn so? Natürlich nicht. Das ist ja eine Idee. Die erste Stunde umsonst ..."

Sie: "Das war nur eine Frage. Ich hatte gehört, das sei so."

Er: "Vielleicht bei anderen. Mag sein. Aber nein. Sehr schade, dass Sie Ihre Versicherung nicht gefragt haben, wie die das handhaben. Es ist ja so ..."

Er setzt zu einem Vortrag darüber an, dass Leute, die Psychologie studieren und solche, die Medizin studieren, anschließend erst zu einem gemeinsamen Studiengang ... blabla ... Die Frau, die das alles weiß und an dieser Stelle zu ausgiebigem Schweigen verdammt ist, sieht sich unterdessen im Raum um. Abgewetzter Dielenboden, durchgesessenes Sofa, sogar die große Topfpflanze sieht suizidal aus.

Er: "Darf ich fragen, wie Sie an meine Nummer gekommen sind?"

Sie: "Ihre Nummer habe ich aus dem Internet, Ihren Namen hatte mir eine Bekannte mal genannt, ist aber Jahre her."

Er: "Und wer war das?"

Sie: "Das möchte ich nicht sagen. Patientengeheimnis."

Er: "Das gibt es nur auf meiner Seite."

Sie: "Dann nehme ich mir privat die Freiheit zu schweigen."

Er: "Bitte. Ich habe nur gefragt. Sie werden verstehen, dass es für mich von Interesse ist, wer mich weiterempfiehlt."

Sie: "Wissen Sie was, es ist vielleicht ein bisschen komisch, aber ich weiß jetzt schon ganz sicher, dass ich nicht zu Ihnen in Therapie gehen möchte."

Er: "Und warum das?"

Sie: "Weil Sie nicht jemand sind, dem ich mein Herz ausschütten möchte. Und das wäre mir aber ganz wichtig, dass das so jemand wäre."

Er: "In der Tat. Das ist entscheidend in der Therapie. Aber Sie verstehen, dass ich Sie nach Ihrer Versicherung gefragt habe, um Sie zu schützen?"

Sie: "Es geht nicht um den Inhalt, es ist eher die Form."

Er: "Gut. Wenn das so ist ..." Er kommt mit ausgestreckter Hand auf sie zu. "Dann wünsche ich Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute."

Wie er es sagt, klingt es wie eine Drohung.

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