Justiz in den USA:Warum sich Kim Kardashian für eine Verurteilte starkmacht

Cyntonia Brown

Cyntoia Brown erschoss als Teenager ihren Peiniger. Sie hat noch 38 Jahre Haft vor sich.

(Foto: YouTube/PBS)
  • In den USA wurde eine Frau zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt, die einen Freier in Notwehr getötet haben will.
  • Cyntoia Brown ist 29 und muss noch 38 Jahre im Gefängnis bleiben.
  • Prominente wie Kim Kardashian fordern nun, den Fall neu aufzurollen.

Von Sacha Batthyany, Washington

Cyntoia Brown, 29, verbrachte fast ihr halbes Leben im Frauengefängnis in Nashville, Tennessee. Sie war noch ein junger Teenager, 16, als sie im Jahr 2004 einen Mann erschoss. Ihre Tat hat sie nie bestritten. "Ich habe ihn getötet", sagte sie vor Gericht. Sie sei zur Prostitution gezwungen worden und habe aus Notwehr gehandelt. Brown hat noch 38 Jahre hinter Gittern vor sich und wird das Gefängnis, sollte sich an ihrer Strafe nichts ändern, als alte Frau verlassen.

Doch Cyntoia Brown hat prominente und mächtige Fürsprecherinnen, die sich für sie einsetzen und fordern, ihren Fall neu aufzurollen. Zwischen freizügigen Bildern in Glitzerkostümen und dem Aufruf, ihr neues Parfüm zu kaufen, schrieb etwa Kim Kardashian an ihre 57 Millionen Twitter-Follower, sie habe gerade ihre Anwälte angerufen, "um zu sehen, was sich da machen lässt". Das System sei gescheitert, schrieb die Königin der Selbstvermarktung und Frau des Rappers Kanye West: "Es bricht mir das Herz zu sehen, dass ein junges Mädchen zur Prostitution gezwungen wird und dann, als sie die Courage findet, um sich zu wehren, lebenslang ins Gefängnis muss."

Kardashian wird von der Sängerin Rihanna unterstützt, die von einem "Justizskandal" spricht und nun Browns Freilassung fordert. Der Hashtag #FreeCyntoiaBrown macht in den sozialen Medien bereits die Runde. Für Rihanna ist Brown, die im Gefängnis den Collegeabschluss nachholte, das eigentliche Opfer. "Etwas läuft gewaltig falsch, wenn das System Vergewaltiger begünstigt und das Leben eines Opfers einfach so wegwirft." Den zuständigen Richtern, die die Strafe damals verhängten, rief sie zu: "Ich hoffe bei Gott, dass ihr keine Kinder habt. Denn das könnte eure Tochter sein, die hier dafür bestraft wird, schon ihr ganzes Leben bestraft worden zu sein."

Ihr Leben war geprägt von Missbrauch und Gewalt

Cyntoia Browns Leben verlief tatsächlich so ganz anders als das ihrer prominenten Fürsprecherinnen: Es begann unter schwierigen Umständen und wurde im Laufe der Zeit zur Hölle. Brown stammt aus einer Familie, in der sexueller und physischer Missbrauch gegenüber Frauen zum Alltag gehörte, sagte Regisseur Daniel Birdman, der 2011 über Cyntoia Browns Fall einen Dokumentarfilm drehte und viel Zeit mit ihr verbrachte. Die Mutter war alkoholsüchtig, der Vater ein Schläger, "Cyntoia hatte nie eine Chance", so Birdman. Sie trage ein frühes Trauma in sich, sei zwar intelligent, doch in vielem noch wie ein Kind.

Früh sei sie von zu Hause ausgezogen und habe einen jungen Mann kennengelernt, der sie in die Drogenabhängigkeit trieb und zur "Sex-Sklavin" machte. Sie lebten in einem Motel, "Schläge, Würgen und Vergewaltigungen gehörten zum Alltag", sagt Brown in seinem Film. Eines Tages sei sie wieder losgeschickt worden, um Geld zu verdienen, und geriet an einen Freier namens Johnny Allen, der sie in sein Haus "voller Waffen" schleppte und ihr drohte - und den sie dann "aus Notwehr" mit einer Pistole aus ihrer Handtasche erschoss.

Obwohl Cyntoia Brown zum Zeitpunkt der Tat gerade mal 16 Jahre alt war und zum Sex mit ihren Freiern gezwungen wurde, verurteilte sie das Gericht zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes. Statt von Notwehr war im Urteil nebst Mord auch von Raub die Rede, Brown habe Geld und Waffen des Todesopfers gestohlen.

Der Film von Daniel Birdman "Me - Facing Life - Cyntoia's Story" sorgte für viel Aufsehen und hatte sogar eine Gesetzesänderung zur Folge. Heute können nur Erwachsene ab einem Alter von mindestens 18 Jahren wegen Prostitution verurteilt werden. Auf das Urteil gegen Cyntoia Brown hat dies laut Experten aber keine Auswirkungen.

Kardashian und Rihanna sehen das anders. "Cyntoia wird lebenslänglich verurteilt, weil sie sich gegen Vergewaltigung, Drogen und Menschenhandel wehrte", schrieb Kardashian, die eine Petition zur Begnadigung Browns unterstützt, die bereits von 100 000 Menschen unterschrieben wurde. "Der öffentliche Druck könnte dazu führen, dass man den Fall neu begutachtet", hieß es nun in der Zeitung USA Today. Kardashian habe mit Selfies Millionen verdient und wurde zum Superstar. Sie habe die Macht, mithilfe ihres Telefons und der sozialen Medien auch "das Leben anderer zu verändern".

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