Jemen:Hafen der Hoffnung

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Von Donnerstag an sollte UN-Flugzeugen wieder die Landung in Jemens Hauptstadt erlaubt sein. Am Flughafen Sanaa blieb es jedoch relativ ruhig. (Foto: Mohammed Huwais/AFP)

Saudi-Arabien lockert die Blockade des Jemen, wo Millionen hungern - nach Druck aus den USA und nach einem neuen Waffengeschäft.

Von Moritz Baumstieger, München

Die ersten zwei Maschinen, die nach mehr als zweiwöchiger Blockade wieder auf dem Flughafen der jemenitischen Hauptstadt Sanaa landeten, brachten keine der ersehnten Hilfslieferungen. Sie transportierten Menschen: Das Rote Kreuz flog am Mittwochabend fünf Mitarbeiter aus, die in Sanaa festsaßen, seitdem die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition das Bürgerkriegsland von der Außenwelt abriegelte. Im zweiten Flugzeug saßen russische Diplomaten.

Dennoch dürfte die von der Militärkoalition am Mittwochabend verkündete Lockerung der Blockade ein wenig Hoffnung gebracht haben: Neben dem Flughafen von Sanaa wollte das Bündnis am Donnerstag auch den Seehafen von Hodeida wieder öffnen, der für die Versorgung der Einwohner des Bürgerkriegslandes mit Hilfsmitteln eine zentrale Rolle spielt. 80 Prozent der Importe wurden über den Hafen an der Westküste abgewickelt, bis Saudi-Arabien eine Totalblockade verfügte, nachdem die aufständischen Huthi-Rebellen am 6. November eine Rakete auf die saudi-arabische Hauptstadt Riad gefeuert hatten.

70 Prozent der Jemeniten können ohne Hilfe nicht überleben

Hilfe wird in Jemen dringend benötigt: Fast 20 der 27 Millionen Einwohner sind von Hunger betroffen, 70 Prozent der Bevölkerung könnten ohne Unterstützung nicht überleben. Weil Saudi-Arabien aber auch schon vor dem Abschuss der Rakete viele See- und Flughäfen blockierte, um Waffenlieferungen für die Rebellen seitens des Erzfeindes Iran zu verhindern, gelangen schon seit Monaten nicht ausreichend Hilfsmittel in das Land. Die Folge: Jeder zwölfte Jemenit zeigt schwere Folgen von Mangelernährung, die Zahl der Menschen, die an der eigentlich leicht zu behandelnden Krankheit Cholera erkrankt sind, beträgt nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes mittlerweile 940 000.

Wegen der jüngsten Blockade mussten die Vereinten Nationen nach eigenen Angaben 32 Flüge nach Sanaa stornieren, 310 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen saßen in Jemen fest. 220 ihrer Kollegen warteten im Ausland darauf, helfen zu können, kamen aber nicht ins Land.

Der Entscheidung Saudi-Arabiens ging ein stärker werdender internationaler Druck voraus. Kronprinz Mohammad bin Salman soll nach Angaben von Diplomaten von US-Außenminister Rex Tillerson zur Lockerung der Blockade gedrängt worden sein. Die katastrophale Lage in Jemen sehen viele Experten als direkte Folge einer Fehlkalkulation des Kronprinzen: In seiner Rolle als Verteidigungsminister entschied er 2015, in den damals seit einem Jahr im Nachbarland schwelenden Bürgerkrieg einzugreifen. Anstatt wie geplant einen schnellen Sieg zu erringen, verstrickte sich Saudi-Arabien in einen Krieg mit den Huthi-Rebellen, in dem Riad anscheinend nicht viel mehr einfällt als die nun etwas gemilderte Aushungerungstaktik.

In US-Medien wurde in den vergangenen Tagen auch die eigene Mitverantwortung für den Hunger in Jemen stark kritisiert - die US-Armee unterstützt die saudi-arabisch geführte Militärkoalition bei ihrer Blockade. Vielleicht wollte Tillerson nun in der Thanksgiving-Woche einfach nur ein humanitäres Zeichen setzen, vielleicht war das Einlenken Mohammad bin Salmans aber auch politisch nötig, um ein Geschäft nicht zu gefährden: Nur einen Tag nach der Ankündigung Riads, mehr Hilfe zuzulassen, wurde bekannt, dass Saudi-Arabien Präzisions-Lenkwaffen im Wert von sieben Milliarden Dollar in den USA erwerben darf. Möglicher Einsatzort: Jemen.

© SZ vom 24.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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