Graswangtal:Im Tal der Träume

Graswangtal: Der Eingang zum Graswangtal.

Der Eingang zum Graswangtal.

(Foto: Sebastian Beck)
  • Das Haus der Bayerischen Geschichte hat die Landschaft des Graswangtals als Schauplatz für die nächste Landesausstellung auserkoren.
  • Zwischen dem Kloster Ettal und Linderhof will man dem Mythos Bayern nachspüren und alte Klischees durchleuchten.
  • Die Ansprüche sind noch höher als sonst, denn 2018 ist ein Jubiläumsjahr: Unter anderem werden 100 Jahre Freistaat Bayern und 200 Jahre Verfassung gefeiert.

Von Hans Kratzer

Gerade an ruhigen Novembertagen drängt sich im Linderhofer Schlosspark ein abgenütztes, aber immer noch schönes Sprachbild auf. Es ist eine tosende Stille, die das im Graswangtal gelegene Schloss umhüllt. Auf die weitflächigen Wälder und Wiesen hat sich der erste Schnee gelegt, aber in das spätherbstliche Rauschen der Natur mischen sich diesmal noch heftigere Lautmalereien.

Aus der Anhöhe hinter dem Schloss ragen mächtige Kräne empor, in deren Nähe Handwerker unentwegt hämmern und sägen und rund um das partiell baufällige Schloss einen seltenen Einklang von Bergstille und Großbaustelle erzeugen.

Die Touristenströme, die auch das abgelegene Schloss Linderhof nicht verschonen, versiegen um diese Jahreszeit. An diesem Tag strandet am Parkplatz vor dem Schloss noch ein letzter Bus mit chinesischen Gästen, die nach ihrer Europa-Rallye abgekämpft wirken und gar nicht ahnen, welches Gedränge ihnen hier im Sommer blühen würde. Jetzt können sie, kaum eingedenk ihres Privilegs, den Park ungestört und fast alleine durchmessen.

Diese Bewegungsfreiheit träfe den Geschmack des Erbauers von Schloss Linderhof hundertprozentig. König Ludwig II. hatte diese einsame Gebirgslandschaft nahe dem Kloster Ettal bewusst gewählt, um sich dort die "Königliche Villa Linderhof" errichten zu lassen. Kein repräsentatives Bauwerk sollte es sein, sondern ein privates Refugium. Linderhof ist der einzige Schlossbau, dessen Vollendung Ludwig II. erlebt hat.

Im November spürt der Besucher ganz besonders, dass es an Verrücktheit grenzt, in dieser Abgeschiedenheit ein Schloss hinzustellen. Wenn sich allerdings der Nachmittag neigt, dann offenbart sich die geniale Wahl dieses Ortes. Während drüben in Ettal oder im übrigen Graswangtal im November gegen 14 Uhr die Sonne hinter den Bergen verschwindet, bleibt sie hier hängen und taucht die malerische Architektur in ein fast mythisches Licht.

Die Ansprüche sind noch höher als sonst

Die Begriffe Mythos und Bayern werden gerne in einem Atemzug genannt. Vielleicht liegt es daran, dass sich all das Rätselhafte und Unergründliche dieser Region wenigstens als Mythos erklären lässt. Zudem kann man auf diese Weise letztgültige Wahrheiten formulieren - sei es zur Frage der Vereinbarkeit der Wolpertinger mit der Evolutionstheorie oder eben zum Verhältnis von bajuwarischen Befindlichkeiten und eben jener Landschaft, aus der sie hervorquellen.

Das Haus der Bayerischen Geschichte, das mit großem Eifer nach Antworten auf diese Fragen sucht, hat richtigerweise die Landschaft des Graswangtals zwischen dem Kloster Ettal und Linderhof als Schauplatz für die nächste Landesausstellung auserkoren. Die Ansprüche sind diesmal noch höher als sonst. 2018 ist ein besonderes Jahr: Unter anderem werden 100 Jahre Freistaat Bayern und 200 Jahre Verfassung gefeiert. Grund genug also, um dem Mythos Bayern in dieser Urlandschaft nachzuspüren und alte Klischees zu durchleuchten, wie sie gerade im Werdenfelser Land zwischen Garmisch-Partenkirchen, Ettal und Oberammergau üppig gedeihen.

Seit jeher gesellt sich zum Gebirgswald die Vorstellung von Freiheit und Widerstand. Man denke nur an die Wildschützen und deren Auflehnung gegen staatliche Jagdverbote. Widerborstig gebärdete sich auch der Bauernbund, der um 1900 eine politische Großmacht bildete und in Oberbayern auf die Initiative der Waldbauern zurückging. Freiheit, Auflehnung, Revolution - das sind Leitmotive, die den Freistaat 2018 stark beschäftigen werden - nach gegenwärtiger Lage wohl nicht nur in historischer Hinsicht. Auch die Querelen in der aktuellen Landespolitik könnten jederzeit ausweglos in den Wald führen.

Wie der Wald den Freistaat geprägt hat

Überhaupt ist die Vorstellung, dass die bayerische Landschaft früher voller Wald und Wildromantik gewesen sei, grundfalsch. Dass heute ein Drittel der Fläche des Freistaates aus Wald besteht, ist ein gewaltiger Fortschritt nach einer langen Ära der Baumknappheit. Im 17. und 18. Jahrhundert war der Wald wegen extremer Holznutzung weitgehend verschwunden. Die Landesausstellung hat schon deshalb ihren Sinn, um die gängigen Vorstellungen vom Waldland Bayern über den Haufen zu werfen.

Wie das Haus der Bayerischen Geschichte herausgefunden hat, wurde 1690 beispielsweise aus Holznot das Aufstellen von Maibäumen verboten, und 1732 durften keine Sonnwendfeuer mehr entfacht werden. In Freising erhielt im Jahre 1775 nur derjenige das Bürgerrecht, der vorher zwei Bäume gepflanzt hatte. Erst danach begann das Zeitalter des Waldschutzes und der Aufforstung, wesentlich vorangetrieben von der 1752 gegründeten Bayerischen Staatsforstverwaltung.

Schloss Linderhof bei Nacht

Schloss Linderhof bei Nacht.

(Foto: Sebastian Beck)

Andererseits wird die Schau im Kloster Ettal auch zeigen, wie der Wald das Bayernbild ganz wesentlich geprägt hat, vor allem der Gebirgswald rund um Ettal und der ihn durchstreifende Ludwig II., dem deshalb ebenfalls eine zentrale Rolle in der Ausstellung zufällt. Der Mythos dieser Gegend wurde von den Königsträumen ebenso genährt wie vom Wald und vom Gebirge. Das ist für die 1500 Quadratmeter große Ausstellung in den Räumen des Klosters Ettal nicht die schlechteste Melange.

Technisch aufwendige Panoramen und Inszenierungen werden die Ausstellungsbesucher nicht nur über Berge, durch Wälder und an Flüssen entlang führen, sondern auch die letztlich nicht mehr realisierten Bauträume des Königs virtuelle Wirklichkeit werden lassen. So hatte Ludwig II. 1869, am Anfang der Linderhofer Entwicklung, noch den Bau eines byzantinischen Palastes erwogen. Außerdem plante er in Linderhof den Bau eines Theaters und eines chinesischen Sommerpalastes.

Wie das alles ausgehen hätte, wird in einem großen Pavillon präsentiert werden, dessen Umrisse im Ettaler Klostergarten bereits zu erahnen sind. "Hier werden die Besucher mit dem König träumen und sich in die Welt seiner gebauten und ungebauten Projekte hineinversetzen können", kündigte Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, bei der Präsentation am Donnerstag an.

Warum ist der Mythos Bayern im Voralpenland entstanden?

Pater Johannes, der Cellerar des Klosters, bekräftigte, wie stolz das Kloster sei, die Landesaustellung im Jubiläumsjahr 2018 ausrichten zu dürfen. Dieser Stolz kommt in den umfangreichen Umbaumaßnahmen zum Ausdruck, die gerade im Gange sind und das Kloster, was schon erkennbar ist, baulich enorm aufwerten werden.

Die Landesausstellung wird die Frage, warum der Mythos Bayern im Alpenvorland entstanden ist und hier seinen Schauplatz hat, vielschichtig beantworten. Dass Maler und Künstler ihn verfestigten, dass Bierbrauer mit ihm warben und der Tourismus ihn in die Welt hinaus trug, ist unstrittig. Und doch werden Rätsel übrig bleiben.

Der im Starnberger See entdeckte Einbaum, der in der Rosner-Aula des Klosters präsentiert wurde, gehört in diese Kategorie. Vor 3000 Jahren wurde dieses 13,5 Meter lange Boot gebaut, ein technisches Meisterwerk, das von der Konstruktion her bis in unsere Zeit herein unerreicht blieb. Es ist ebenso einzigartig wie die herrlich kehlige Werdenfelser Mundart, die der Garmischer Landrat Anton Speer bei der Veranstaltung pflegte, und die an Rom erinnernde Großarchitektur des im 14. Jahrhundert errichteten Klosters Ettal.

Bayerische Landesausstellung "Wald, Gebirg und Königstraum - Mythos Bayern", Kloster Ettal, 3. Mai bis 4. November 2018.

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