Asyl- und Arbeitsrecht:Handwerksbetriebe würden gerne Flüchtlinge einstellen - dürfen aber nicht

Lernwerkstatt für Flüchtlinge in der Bayernkaserne

Flüchlinge arbeiten in der Lernwerkstatt in der Bayernkaserne unter professioneller Anleitung an einem Werkstück.

(Foto: dpa)

Wenn Bürokratie zum Nichtstun zwingt: Die Behörden lassen nicht zu, dass Münchner Handwerksbetriebe Flüchtlinge aus Nigeria und Afghanistan einstellen.

Von Inga Rahmsdorf

Maurermeister Wolfgang Mudrich sucht dringend Mitarbeiter für seinen Baubetrieb. Ein Mann aus Nigeria stellte sich bei ihm vor, er konnte gut anpacken. Mudrich wollte ihn einstellen, doch die Ausländerbehörde erlaubte es nicht. "Es ist uns gelungen, einen ganzen Ordner mit Anträgen zu füllen, aber arbeiten durfte er trotzdem nicht", sagt der Maurermeister. "Jetzt lungert er in der Unterkunft herum und wir brauchen dringend Mitarbeiter."

Der Nigerianer ist dem Landkreis Rosenheim zugewiesen. Würde er in München wohnen, hätte er möglicherweise arbeiten dürfen. Wäre er ein Syrer, wären seine Chancen auf eine Arbeitserlaubnis auch besser gewesen. Das Beispiel zeigt: Die Regelungen sind für Asylbewerber wie Unternehmer gleichermaßen verwirrend, die ungleiche Behandlung ist kaum nachzuvollziehen. Die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern fordert daher dringend mehr Planungs- und Rechtssicherheit.

Nigeria gilt als Herkunftsland, aus dem Flüchtlinge keine gute Bleibeperspektive haben. Das bedeutet, dass Flüchtlingen aus Nigeria während ihres Asylverfahrens an vielen Integrationsmaßnahmen nicht teilnehmen und häufig auch nicht arbeiten dürfen - letzteres liegt im Ermessen der Ausländerbehörde. Problematisch dabei ist, dass damit auch diejenigen, die Schutz erhalten, zuvor möglicherweise monate- oder jahrelang zum Nichtstun verurteilt sind. Und schwierig ist auch, dass die Regelungen in München anders gehandhabt werden als in Rosenheim, der Syrer bessere Chancen hat als der Nigerianer, dass Unternehmer zunehmend verunsichert sind, einen Flüchtling einzustellen. Dabei werden in vielen Branchen händeringend Mitarbeiter gesucht.

Die Agentur für Arbeit in München löst Ende des Jahres ihre Abteilung auf, die sich speziell um die Vermittlung von Asylsuchenden kümmert: das Zentrum Flüchtlinge. Das liegt nicht nur daran, dass immer weniger Asylsuchende in Deutschland um Schutz bitten. Nach Oberbayern kommen auch fast nur noch Flüchtlinge, denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) keine gute Bleibeperspektive einräumt. Im Zentrum Flüchtlinge werden derzeit noch 680 Menschen betreut, vor einem Jahr waren es noch 4110. Die Agentur ist nur für diejenigen zuständig, bei denen das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Haben sie ein Aufenthaltsrecht, kümmert sich das Jobcenter um sie. Natürlich würden sie auch im kommenden Jahr noch Flüchtlinge vermitteln, sagt Anne Beck, Sprecherin der Agentur. Eine eigene Abteilung dafür lohne sich aber nicht mehr. Die zwei größten Nationalitätengruppen in Münchner Unterkünften sind Afghanen und Nigerianer. Doch die dürften sie mit den Fördermaßnahmen nicht mehr betreuen, so Beck.

Dabei sind die Chancen, als Afghane ein Aufenthaltsrecht zu erhalten, gar nicht so gering. Sie liegen zwischen 40 und 50 Prozent. Doch damit gehören sie laut Bamf nicht zur Kategorie mit guter Bleibeperspektive. Die erteilt das Bundesamtes nur den Ländern, aus denen mehr als 50 Prozent der Asylsuchenden Schutz erhalten. Das sind derzeit fünf: Eritrea, Irak, Iran, Somalia und Syrien. In den Münchner Außenstellen des Bundesamts werden aber offenbar keine Asylverfahren mehr von Menschen dieser fünf Nationalitäten behandelt. Der Grund dafür? Konkret zu der Liste der Länder könne er sich nicht äußern, sagt ein Sprecher des Bundesamtes. Um die Dienststellen gleichmäßig auszulasten, könnten sich auch die Zuständigkeiten ändern. Ziel sei es, schnell und sorgfältig über Asylverfahren zu entscheiden.

"Für die Firmen und uns ist es leichter, Flüchtlinge aus Ländern mit hoher Bleibeperspektive zu integrieren", sagt Anette Farrenkopf, Chefin des Münchner Jobcenters. Denn die erhalten von Anfang an bessere Möglichkeiten, um sich zu integrieren. Wenn nur noch Geflüchtete kommen, die keine oder eine geringe Bleibeperspektive haben, werde eine große Chance für den Wirtschaftsstandort München vertan, sagt auch Hubert Schöffmann, bildungspolitischer Sprecher der Industrie und Handelskammer (IHK). "Das ist eine äußerst fragwürdige Entwicklung, die wir nicht nachvollziehen können."

In den oberbayerischen Unternehmen der IHK haben in diesem Jahr 1200 Flüchtlinge eine Lehre begonnen, 600 davon allein in München. Und entgegen manch einer Schwarzmalerei sei die Abbrecherquote bei Flüchtlingen nicht besonders hoch. Im Gegenteil: in den Betrieben der Industrie- und Handelskammer würden insgesamt 20 Prozent der Azubis ihre Lehre abbrechen, unter den Flüchtlingen seien es nur 18 Prozent.

Eigentlich darf jeder Asylbewerber drei Monate nach seiner Ankunft arbeiten - wenn er nicht aus einem Herkunftsland kommt, das als sicher eingestuft wird; solange er keine Ablehnung erhalten hat; wenn kein Deutscher oder EU-Bürger den Job will; wenn die zuständige Ausländerbehörde ihm die Genehmigung erteilt. In München erteile die Behörde in der Regel auch eine Arbeitserlaubnis, sagt Rebecca Kilian-Mason, Geschäftsführerin des Münchner Flüchtlingsrats. Doch in vielen Landkreisen Bayerns dürfen diejenigen, die nicht aus Eritrea, Iran, Irak, Somalia oder Syrien kommen, während des Asylverfahrens nicht arbeiten. Die Entscheidung richtet sich dann nicht nach dem individuellen Einzelfall, sondern nach der pauschalen Einordnung in gute oder nicht gute Bleibeperspektive. "Wir haben festgestellt, dass Arbeitgeber zunehmend abgeschreckt werden, einen Geflüchteten einzustellen, so Kilian-Mason.

Keine Frage, es sei komplizierter als einen deutschen Mitarbeiter zu beschäftigen. Doch sie appelliert an die Wirtschaft, sich davon nicht entmutigen zu lassen. Wenn ein Flüchtling anerkannt ist, darf er genauso arbeiten wie ein Deutscher. "Und wenn sein Aufenthalt noch unsicher ist, gibt es trotzdem Möglichkeiten, ihn einzustellen", sagt Rebecca Kilian-Mason. Betriebe sollten sich am besten beraten lassen.

"Die Wirtschaft in München und Oberbayern ist sehr aufnahmefähig, und sie ist auch angewiesen auf die Menschen", sagt IHK-Sprecher Hubert Schöffmann. Zudem gebe es gerade in der Stadt München eine sehr gute Struktur für die Integration der Flüchtlinge. Schöffmann fordert daher im Sinne der Unternehmen mehr Unterstützung von der Politik und weniger Bürokratie.

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