RAF:Wenn eine Terroristin um Verzeihung bittet

RAF: Im Oktober 1977 haben RAF-Terroristen Hanns Martin Schleyer ermordet. Silke Maier-Witt, die indirekt daran beteiligt war, hat nun Schleyers jüngsten Sohn Jörg um Verzeihung gebeten.

Im Oktober 1977 haben RAF-Terroristen Hanns Martin Schleyer ermordet. Silke Maier-Witt, die indirekt daran beteiligt war, hat nun Schleyers jüngsten Sohn Jörg um Verzeihung gebeten.

(Foto: AFP)
  • Die frühere RAF-Terroristin Silke Maier-Witt hat den jüngsten Sohn des ermordeten Hanns Martin Schleyer getroffen und um Verzeihung gebeten.
  • Sie hat ihm verraten, welche drei Personen bei der Ermordung seines Vaters anwesend waren. Auch nach 40 Jahren ist das Verbrechen noch immer nicht aufgeklärt.
  • Dass ehemalige RAF-Terroristen noch immer über die begangenen Morde schweigen, verhindert die Aufarbeitung dieses Kapitels deutscher Geschichte.

Von Lilith Volkert

Ein wichtiges Kapitel deutscher Geschichte lässt sich nicht schließen. Schuld daran ist die Rote Armee Fraktion (RAF) und ihre Helfer, die sich nach wie vor weigern über die Hintergründe ihrer Verbrechen zu reden. Vor allem in den 1970er Jahren hat die RAF zahlreiche Morde begangen, die bis heute nicht vollständig aufgearbeitet werden können, weder von den Angehörigen der Opfer noch von der Gesellschaft. Der Spiegel hat die linksextremen Terroristen einmal die "Untoten der Bonner Republik" genannt.

"Der Mythos der Terroristen lebt von diesem Schweigen, lebt von den immer wiederkehrenden, unbeantworteten Fragen" sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Oktober, am 40. Jahrestag der Ermordung von Hanns Martin Schleyer durch die RAF. Und er forderte ehemalige Terroristen auf, ihr Schweigen zu brechen.

Nun hat sich die ehemalige RAF-Anhängerin Silke Maier-Witt mit Jörg Schleyer getroffen. Der jüngste Sohn des ermordeten Arbeitgeberpräsidenten hat sie im mazedonischen Skopje besucht, wo sie seit mehreren Jahren lebt. Gleich zur Begrüßung soll sich Maier-Witt entschuldigt haben. "Es klingt so platt. Aber ich möchte erst einmal um Verzeihung bitten," zitiert die Bild-Zeitung die 67-Jährige. "Es hilft nicht viel, aber ich denke, dass ich immer ausgewichen bin, mich dem zu stellen."

Schleyer hofft, dass weitere Täter jetzt ihr Wissen offenbaren

Schleyer sucht seit vier Jahrzehnten Antworten auf die Fragen, was sein Vater in der sechswöchigen Gefangenschaft erlebte und wer ihn umgebracht hat. Dieser war 1977 entführt worden, um führende RAF-Mitglieder aus der Haft freizupressen. Die Bundesregierung ging darauf nicht ein, Schleyer wurde am 18. Oktober 1977 durch drei Schüsse in den Kopf getötet.

Über die Tat gibt es nur Berichte aus zweiter Hand. Maier-Witt war indirekt daran beteiligt. Sie hatte die Strecke, die die Entführer später fuhren, ausgespäht und Schleyers Ermordung anschließend der Deutschen Presseagentur in Paris mitgeteilt. In dem mehr als siebenstündigen Gespräch in Skopje soll Maier-Witt auch verraten haben, welche drei Personen bei Schleyer waren, als die tödlichen Schüsse abgegeben wurden. Maier-Witts Bereitschaft, Auskunft über die Hintergründe der Tat zu geben, habe "glaubhaft" gewirkt, sagte Jörg Schleyer. "Jetzt hoffe ich, dass ihrem Beispiel weitere Täter folgen und ihr Wissen offenbaren."

RAF-Experten bezweifeln, dass Maier-Witt die Frage nach dem Todesschützen klären kann. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar nennt das Treffen von Ex-Terroristin und Sohn des Opfers "trotzdem bedeutsam". Es sei wichtig, die genauen Sachverhalte zu konstruieren, soweit dies möglich ist. Silke Maier-Witt hat sich vergleichsweise früh von der RAF distanziert. 1980 tauchte sie in der DDR unter, ließ sich zur Krankenschwester ausbilden und arbeitete mit der Staatssicherheit zusammen. 1990 wurde sie enttarnt und zu zehn Jahren Haft verurteilt, fünf davon saß sie ab. Schon vor Jahren hat sie ihre früheren Kampfgenossen aufgefordert ihr Schweigen zu brechen. Jetzt hat sie sich zu einer Geste der Versöhnung durchgerungen.

Die Familie Schleyer hofft nun auf die Freigabe noch immer geschlossener Akten zum Fall. Jörg Schleyer hat Bundespräsident Steinmeier darum gebeten. "Bei der Entscheidung über mindestens acht Gnadengesuche von RAF-Mördern in den vergangenen Jahren muss das Präsidialamt Einsicht in Aktenauszüge der Bundesanwaltschaft, des Verfassungsschutzes und des BND zu den Morden bekommen haben", sagte Schleyer der Bild. "Genau dieses Wissen darf den Hinterbliebenen der Opfer nach 40 Jahren nicht weiter verwehrt werden."

Die Entschuldigung von Silke Maier-Witt habe er angenommen, sagte Schleyer in der ARD. Vergessen und vergeben sei die Tat aber nicht.

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