Bundeslandwirtschaftsminister:Wer ist Christian Schmidt?

Mit seiner Entscheidung pro Glyphosat gefährdet der CSU-Mann die Verhandlungen mit der SPD. Es ist nicht der erste Fehltritt des blassen Ministers.

Von Thomas Hummel

Eins muss man Christian Schmidt lassen: Als schon niemand mehr damit gerechnet hat, hinterlässt er als Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft doch noch Eindruck. Vielleicht geht sein Nachname nun ähnlich schnell in den Sprachgebrauch der Deutschen über wie der seines Politikkollegen Christian Lindner. Unter dem Verb "lindnern" weiß dieser Tage jeder, was gemeint ist: etwas in letzter Sekunde platzen lassen, ganz zum Schluss die Biege machen. Unter "jmd. schmidten" wäre demnach zu verstehen: einen möglichen Partner schon vor dem ersten Treffen brüskieren.

CSU-Mann Schmidt hat veranlasst, dass Deutschland im Streit um die weitere Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat auf EU-Ebene im letzten Moment mit "Ja" stimmt. Da Umweltministerin Barbara Hendricks von der SPD gegen die Verlängerung ihr Veto eingelegt hatte, hätte sich der deutsche Vertreter bei der Abstimmung enthalten müssen, so sieht es die Tradition vor. Ohne Deutschland aber wäre keine Mehrheit für Glyphosat zusammengekommen.

Schmidt spricht von einem Alleingang, er habe eine Entscheidung für sich getroffen und in seiner Ressortverantwortung. Die SPD ist sauer, spricht von Eklat und Skandal. Und dabei sollen die Sozialdemokraten jetzt mit den Unionsparteien über eine neue Regierung sprechen.

Inmitten der deutschen Regierungskrise bringt der Landwirtschaftsminister, der nur noch geschäftsführend im Amt ist, die potenziellen Partner gegeneinander auf. Warum? Und wer ist eigentlich Christian Schmidt?

Unauffälliger "Pflichtmensch"

Der 60-Jährige weilt zwar schon seit Februar 2014 auf der Regierungsbank, doch aufgefallen ist das wenigen. Schon seine Berufung war kurios und warf Fragen auf. Schmidt saß seit 1990 im Bundestag, doch bis dahin war er bekannt gewesen als Experte für Außen- und Sicherheitspolitik. Acht Jahre lang arbeitete er als Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, ihm wurde stets diplomatisches Geschick und erfolgreiche Suche nach Kompromissen nachgesagt. Er selbst beschreibt sich als "Pflichtmenschen".

Als die CSU im Zuge der Edathy-Affäre den Minister Hans-Peter Friedrich verlor, suchte die Partei offenbar keinen Experten für Landwirtschaft und Ernährung - sondern einen Franken. Am besten einen evangelischen Franken, um gleich zwei Minderheiten per Proporz zu berücksichtigen. Die Wahl fiel auf Christian Schmidt, inzwischen achtmaliger Gewinner des Direktmandats im Wahlkreis Fürth. Praktisch ohne fachliche Vorkenntnisse übernahm er das Ministerium.

Landwirtschaftsminister galten nie als Schwergewichte im Kabinett, doch unter Schmidt verblasste das Ressort fast bis zur Unsichtbarkeit. Einerseits vertrat er die Linie der meisten CSU-Vorgänger in diesem Amt: Er lehnte sich an die Agrarlobby und den mächtigen Bauernverband. Er galt nie als entschiedener Förderer von Natur- und Tierschutz, sondern verteidigte die konventionelle Landwirtschaft. Zur von den Grünen und Naturschutzverbänden geforderten Agrarwende sagte er: "Was soll das sein?"

Der Druck, die heimischen also bayerischen Bauern mit allen Mitteln zu schützen, ist nach der letzten Bundestagswahl wohl noch gestiegen - in der Union befürchten viele, dass sonst noch mehr unzufriedene Bauern im kommenden Jahr bei der Landtagswahl für die AfD stimmen. Dabei ist ein Erfolg im ländlichen Raum essenziell wichtig für die CSU.

"One apple a day keeps Putin away"

Schmidt hatte sich immer ins Zeug gelegt für seine Landwirte. Dabei deutete er mehrfach an, dass politischer Weitblick eher nicht zu seinen Stärken gehört. Als die Obstbauern während der Krim-Krise darunter litten, nicht mehr nach Russland exportieren zu dürfen, kalauerte er öffentlich: "One apple a day keeps Putin away." Als die ersten Terroranschläge von Paris nur wenige Tage her waren, ließ er sich von einem Reporter der Satire-Nachrichtensendung "heute-show" dazu hinreißen, auf der Grünen Woche ein Plakat hochzuhalten mit der Aufschrift: "Je suis Greußener Salami." Dazu sagte er: "Je suis auch Schwäbische Spätzle, Allgäuer Emmentaler." Mit dem Ausdruck "Je suis Charlie Hebdo" solidarisierten sich zu dieser Zeit Menschen in aller Welt mit den Opfern in Paris.

Die nächsten Schlagzeilen lieferte Schmidt mit einem "Grünbuch", in dem er unter anderem dazu aufrief, an Schulen den Kindern und Jugendlichen wieder mehr Schweinefleisch zu geben. Zudem beschwerte er sich über eine Irreführung der Verbraucher durch Begriffe wie "vegane Currywurst" und "vegetarisches Schnitzel". Vermutlich wollte er der Fleischindustrie etwas Gutes tun, weil deren Produkte gerade an Schulen immer weniger Absatz finden.

Nun also offenbar der Alleingang beim Glyphosat. "Mit der Zustimmung habe ich wichtige Verbesserungen zum Schutze der Pflanzen- und Tierwelt durchgesetzt", sagt er. Dies sei mehr "als von allen beteiligten Ressorts jemals verlangt worden ist". Ohne die Zustimmung Deutschlands wäre Glyphosat nach seiner Darstellung von der EU-Kommission ohne diese Verbesserungen zugelassen worden. Dem widerspricht seine Ministerkollegin Hendricks. Leif Miller, Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbundes, schimpft: "Dieser Kniefall vor der Agrar-Lobby ist skandalös."

Als Christian Schmidt kürzlich von der Wochenzeitung Die Zeit gefragt wurde, ob er in einer Regierung gerne als Landwirtschaftsminister weitermachen würde, sagte er: "Ja."

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