Türkei:Gold und Filz

Erdoğans AKP trat einst an mit dem Versprechen sauberer Politik. Doch längst umwehen sie Vorwürfe von Korruption und Vetternwirtschaft. Nun will der Präsident den für ihn heiklen New Yorker Prozess um türkische Deals mit Iran desavouieren, und nimmt dafür Schaden für das ganze Land in Kauf.

Von Luisa Seeling

Anhänger nennen die "Adalet ve Kalkınma Partisi", die türkische Gerechtigkeits- und Fortschrittspartei, nicht AKP, sondern AK Parti - "weiße" oder "reine" Partei. Ein kleiner, aber feiner Unterschied, der an die Anfangsjahre der konservativ-islamischen Partei erinnert: Sauberer sollte es zugehen, transparenter, die Regierenden sollten verpflichtet werden, ihr Vermögen offenzulegen. Mit diesem Anspruch wollte sich die AKP von ihren Vorgängern abheben, als sie 2002 erstmals an die Regierung kam.

Heute, 15 Jahre später, ist von diesem Anspruch nicht viel übrig. Der Vorwurf der Vetternwirtschaft umweht die AKP schon lange: Politiker und Unternehmer bilden einträgliche Allianzen; Firmen, die in ihrer Mediensparte regierungsfreundliche Sender und Zeitungen betreiben, werden bei staatlichen Bauaufträgen bevorzugt. Seit Jahren gibt es Korruptionsvorwürfe gegen höchste AKP-Kreise, auch gegen den türkischen Präsidenten und seine Familie. Bisher aber ist jeder Versuch, etwas Licht ins Dunkel zu bringen, gescheitert - weil die Regierung massiven Druck ausübte oder Ermittler gleich aus dem Amt entfernen ließ.

Das Verfahren um den iranisch-türkischen Goldhändler Reza Zarrab, das diese Woche begann und in dem es um Sanktionsbruch und Geldwäsche geht, findet aber auf amerikanischem Boden statt. Zuständig ist eine Justiz, die, anders als derzeit die türkische, ein echtes Aufklärungsinteresse hat und sich von Ankara nicht einschüchtern lässt. Der Prozess ist eine seltene Gelegenheit, hinter den Vorhang zu blicken und eine Vorstellung zu erhalten von dem Filz, der in anderthalb Jahrzehnten AKP-Regierung entstanden ist.

Spätestens seit 2013, seit Istanbuler Staatsanwälte dem Gold-für-Öl-Geschäft auf die Spur kamen, sind Erdoğan und sein Umfeld Getriebene, die alles dafür tun würden, die Wahrheit unter Verschluss zu halten. Sie haben die Ermittlungen im Fall Zarrab zur Verschwörung der Gülen-Bewegung erklärt, weil die Ermittlungen damals von Gülen-nahen Staatsanwälten ausgingen. Gut möglich, dass es wirklich so war - dass Machtkämpfe im konservativen Lager der Grund dafür waren, dass AKP-Minister ins Visier der Staatsanwaltschaft gerieten. Aber selbst wenn - was ändert das?

Der eigentliche Skandal besteht darin, dass die Regierung lieber Schaden für das Land in Kauf nimmt, als Aufklärung zu erlauben. Seit Wochen läuft in der Türkei eine antiamerikanische Kampagne, die darauf abzielt, das Verschwörungs-Narrativ aufrechtzuerhalten. Dabei ist die Türkei außenpolitisch ohnehin schon isoliert. Sie hat sich mit wichtigen westlichen Verbündeten überworfen, vor allem das Verhältnis zu den USA ist so schlecht wie nie. Die Lira befindet sich auf Talfahrt, weil nun Strafen gegen türkische Banken im Raum stehen, sollte sich herausstellen, dass diese am Bruch internationaler Sanktionen beteiligt waren. All das destabilisiert ein ohnehin verunsichertes Land.

Gut möglich, dass Erdoğans Macht den Skandal auch diesmal wieder unter Kontrolle bringen wird. Mag sein, dass es der Regierung gelingt, Teilen der Bevölkerung weiszumachen, es gehe hier nicht um Korruption, sondern um eine gülenistisch-amerikanische Verschwörung gegen die Türkei.

Ob aber diese Strategie aufgeht, wird sich spätestens in zwei Jahren zeigen, 2019, wenn erstmals mit dem neu eingeführten Präsidialsystem gewählt wird. Eines zeigt sich aber jetzt schon: Erdoğan muss immer mehr um sich schlagen, um die Vorwürfe abzuwehren. Das kommt das Land teuer zu stehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: