Familienpolitik:Die "Frau-bleibt-zu-Hause-Ehe", staatlich gefördert

Hausfrau in einer modernen Küche in den 50er Jahren

Es hat sich viel getan, etwa durch das Elterngeld. Doch noch immer verhalten sich Politik, Unternehmen und nicht zuletzt Männer demotivierend gegenüber Frauen, die arbeiten gehen wollen.

(Foto: SZ Photo)

Fast nirgendwo müssen arbeitende Mütter so hohe Steuern zahlen wie in Deutschland. Und dann demotivieren auch noch Unternehmen und Männer die Frauen.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Ein Zusammenhang wurde schon lange vermutet, jetzt ist er durch drastische Zahlen erhärtet: Während die deutschen Frauen in den vergangenen Jahrzehnten die Unis eroberten, fiel die Geburtenrate rasant. Ein Studium reduziert die Wahrscheinlichkeit von Nachwuchs um 25 Prozent, haben Forscher nun herausgefunden. Nicht etwa, weil die Akademikerinnen grundsätzlich keine Babys wollten. Sondern weil sie fürchten, dass sich Kinder schwer mit dem Beruf vereinbaren lassen, für den sie einige Mühen auf sich genommen haben.

Schon vor zehn Jahren beklagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass viele Akademiker (Frauen und Männer!) ohne Kinder bleiben: "Ein Zustand, den sich ein Land, das sich als hoch entwickelt bezeichnen will, nicht leisten kann." Merkel sagte das zum Start des Elterngeldes, das gerade Akademiker zu Nachwuchs ermuntern sollte. Seitdem hat sich für doppelarbeitende Eltern einiges verbessert, auch durch den Ausbau der Kindertagesstätten. Aber es reicht bei Weitem nicht.

Eltern dabei zu unterstützen, Beruf und Familie zu vereinbaren, hilft nicht nur ihnen, sondern auch der Gesellschaft insgesamt. Das Renten- und Gesundheitssystem einer alternden Bevölkerung ist geradezu verzweifelt auf Nachwuchs angewiesen. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die Geburtenrate von zwei auf eineinhalb Kinder pro Frau gefallen. Gleichzeitig stieg die Lebenserwartung erfreulicherweise von 65 auf 80 Jahre; 2050 werden es 86 sein. Unter diesen Bedingungen die Rente zu retten, ist eine so große Herausforderung, dass sich die meisten Parteien im Wahlkampf wegduckten. Klar ist: Es würde unbestreitbar sehr helfen, wenn mehr Männer und Frauen Kinder haben und einen Beruf, in dem sie reichlich Steuern und Sozialabgaben zahlen - also mehr als einen Nebenjob.

Wer ergründet, warum sich Frauen einseitig für Beruf oder Kinder entscheiden, kommt an den potenziellen Vätern nicht vorbei. Noch immer halten genug Männer ihre Karriere automatisch für wichtiger als die ihrer Partnerin. 90 Prozent aller Väter von Kindern unter sechs Jahren arbeiten Vollzeit, aber die meisten Mütter Teilzeit - mit der Gefahr, beruflich den Anschluss zu verlieren und zu wenig für die Rente einzuzahlen. Wer Studien addiert, wonach Kinderbetreuung und Haushalt großteils an Müttern hängen bleiben, selbst wenn sie Vollzeit in die Firma gehen, versteht das Kalkül vieler Frauen: Beruf oder Kinder.

Genauso demotivierend wie manche Männer verhalten sich manche Firmen. Sie verweigern Müttern eine Rückkehr in Vollzeit, die wegen der Kinder länger in Teilzeit waren. Sicher brauchen gerade kleinere Betriebe Unterstützung dabei, Flexibilität für ihre Beschäftigten zu ermöglichen. Aber zu viele bemühen sich gar nicht erst - und schrecken Frauen und Männer ab, sich Arbeit und Betreuung partnerschaftlich aufzuteilen. Die hochflexiblen Arbeitszeitmodelle einiger Unternehmen bleiben eine Ausnahme.

Zum Trio der Entmutiger gehört auch die Politik. Einerseits setzt sie neue Anreize wie das Elterngeld. Andererseits konserviert sie alte Fehlanreize wie das Ehegattensplitting, das die Frau-bleibt-zuHause-Ehe steuerlich fördert. Der deutsche Staat nimmt einer Mutter, die wieder arbeiten geht, so viel vom Lohn ab wie fast kein anderes Industrieland. Dein Job lohnt doch gar nicht, tönt da der traditionelle Mann. Beruf oder Kinder.

Man muss mehr Paare ermuntern, sich beides zuzutrauen: Beruf und Kinder

Eine neue Bundesregierung könnte aufräumen mit den Zuständen, die sich ein hoch entwickeltes Land laut Angela Merkel nicht leisten kann. Nur leider werden diese Impulse eher nicht von Angela Merkel kommen. Ihre Union schützt Besitzstände wie das Ehegattensplitting und bremst Ideen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sobald die Wirtschaft auch nur zuckt.

Mehr haben arbeitende Eltern zu erwarten, falls die SPD in einer neuen großen Koalition Ernst macht. Zwar traut auch sie sich nicht an Besitzstände heran. Zwei ihrer Ideen aber würden die Vereinbarkeit genauso stärken wie ein gleichberechtigtes Familienmodell. Wenn Mutter und Vater wegen der Kinder vorübergehend kürzer arbeiten, sollen sie 300 Euro im Monat erhalten. Und wer wegen der Kinder Teilzeit arbeitet, soll ein weitgehendes Recht erhalten, in Vollzeit zurückzukehren. Dies erspart Beschäftigten Dauer-Teilzeit, die ins Abseits führen kann.

Die SPD steht unter Erwartungsdruck. In der letzten Regierung lief sie bei der Union mit beiden Ideen auf. Diesmal sollte sie beides gleich im Koalitionsvertrag verankern. Es geht darum, mehr Paare zu ermuntern, sich beides zuzutrauen: Beruf und Kinder. Und es geht darum, jene Doppelarbeiter zu entlasten, die sich zwischen fordernden Jobs und fordernden Sprösslingen zuweilen zerrieben fühlen.

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