Krieg im Gaza-Streifen:Israel lehnt Waffenstillstand ab

Israels Regierung bleibt trotz internationaler Rufe nach einem Ruhen der Waffen hart - und setzt die Luftangriffe am fünften Tag in Folge fort. Die Welt sieht machtlos zu.

Israel lehnt einen befristeten Waffenstillstand ab. "Der vom französischen Außenminister Bernard Kouchner gemachte Vorschlag eines einseitigen befristeten Waffenstillstands wird nicht als nützlich betrachtet, weil klar ist, dass die Hamas den Raketenbeschuss auf Israel nicht einstellen wird", sagte ein hochrangiger staatlicher Vertreter heute.

Krieg im Gaza-Streifen: Die Luftangriffe im Gaza-Streifen gehen weiter. Dieser Palästinenser steht vor dem Chaos durch zerstörte Tunnel nahe der ägyptischen Grenze.

Die Luftangriffe im Gaza-Streifen gehen weiter. Dieser Palästinenser steht vor dem Chaos durch zerstörte Tunnel nahe der ägyptischen Grenze.

(Foto: Foto: Reuters)

Kouchner hatte am Dienstag eine 48-stündige Feuerpause vorgeschlagen, auch die Europäische Union rief zu einer sofortigen Waffenruhe und zu humanitärer Hilfe auf.

Das Sicherheitskabinett berate über internationale Vorschläge, die zu einer dauerhaften Waffenruhe im Konflikt mit der Hamas führen sollten, sagte unterdessen Außenamtssprecher Jigal Palmor.

Es gebe "verschiedene Vorschläge", die aus unterschiedlichen Ländern eingegangen seien und "Gespräche" mit dem Ziel einer "dauerhaften Waffenruhe unter bestimmten Bedingungen". Sie müssten zu einem "vollständigen" Ende der palästinensischen Raketenangriffe auf Israel führen.

Die israelische Luftwaffen hat am Mittwoch und damit dem fünften Tag in Folge Ziele im Gazastreifen angegriffen. Wie die israelische Zeitung Haaretz in ihrer Onlineausgabe unter Berufung auf Armeeangaben berichtete, waren Regierungsgebäude in Gaza am frühen Morgen Ziel der Attacken. Außerdem seien Schmugglertunnel an der Grenze zu Ägypten bombardiert worden.

Seit Beginn der Offensive am Samstag sind nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza 380 Palästinenser getötet und etwa 1800 verletzt worden.

Nach palästinensischen Angaben wurde in Dschabalia nördlich von Gaza ein Palästinenser bei einem Luftangriff getötet, zwei weitere seien verletzt worden. Wie die palästinensische Nachrichtenagentur Ramattan berichtete, handelte es sich um Mitarbeiter des Rettungsdienstes. Eine israelische Rakete sei neben ihrem Krankenwagen eingeschlagen, hieß es.

Das israelische Sicherheitskabinett wollte ursprünglich heute über den französischen Vorschlag zu einer 48-stündigen Waffenruhe sprechen. Der amtierende Ministerpräsident Ehud Olmert hatte den Vorschlag allerdings bereits abgelehnt.

Im Umkreis von 40 Kilometern um den Gaza-Streifen sollten am Mittwoch wegen der ständigen Raketenangriffe militanter Palästinenser die israelischen Schulen und Kindergärten geschlossen bleiben.

Die Tageszeitung Haaretz hatte zuvor berichtet, Israels Minister seien in dieser Frage zerstritten. So habe sich Ministerpräsident Ehud Olmert für eine rasche Bodenoffensive ausgesprochen, während Verteidigungsminister Ehud Barak eine zweitägige Feuerpause befürwortet habe.

EU-Außenminister fordern einen sofortigen Waffenstillstand

Die EU-Außenminister hatten Israel und die Hamas nach einer Sondersitzung in Paris am Dienstagabend zu einem sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand aufgefordert. "Es gibt keine militärische Lösung im israelisch-palästinensischen Konflikt", hieß es in einer Erklärung.

Die EU-Minister fordern die Öffnung der Grenzübergänge zum Gaza-Streifen - lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über die Ergebnisse des EU-Sondergipfels am Dienstagaband in Paris.

Israel lehnt Waffenstillstand ab

Israel müsse alle Grenzübergänge zum Gaza-Streifen dauerhaft öffnen, forderten die EU-Außenminister. In das Autonomiegebiet müssten Lebensmittel, medizinische Hilfe und Treibstoff geliefert und Verletzte müssten in Sicherheit gebracht werden, hieß es in der Erklärung weiter. Aus Delegationskreisen verlautete, die regierende Hamas solle sofort und bedingungslos die Raketenangriffe auf Israel einstellen. An Israel erging demnach außerdem die Aufforderung, die Militäreinsätze sofort zu beenden.

Außerdem forderten die Außenminister eine Intensivierung des vor gut einem Jahr in Annapolis in den USA neu angestoßenen israelisch-palästinensischen Friedensprozesses.

Nahost-Quartett steht geschlossen für Frieden

Ähnliche Forderungen erhob zuvor bereits das aus UN, EU, USA und Russland bestehende Nahost-Quartett. Die Europäische Union sei entschlossen, den Friedensprozess gemeinsam mit den weiteren Mitgliedern des Quartetts und den Staaten im Nahen Osten wiederzubeleben, erklärten die Außenminister in Paris.

Deutschland wurde bei dem Treffen vom Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Gloser vertreten, da Minister Frank-Walter Steinmeier verhindert war, wie das Auswärtige Amt zuvor in Berlin mitgeteilt hatte.

Gloser äußerte sich nach dem Treffen zufrieden mit den Beschlüssen. Die Ergebnisse seien ein wichtiges Signal europäischer Geschlossenheit, zitierte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes den Staatsminister. "Ich hoffe, dass es nun gelingt, die Waffen endgültig zum Schweigen zu bringen und die humanitäre Hilfe sicherzustellen", sagte Gloser weiter.

US-Präsident George W. Bush sprach am Dienstag mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und mit Ministerpräsident Salam Fajjad über eine Waffenruhe im Gaza-Streifen. Bush und Abbas seien sich im dem Telefonat einig gewesen, dass ein Waffenstillstand in jedem Fall von der im Gaza-Streifen regierenden Hamas eingehalten werden müsse, sagte Bushs Sprecher Gordon Johndroe.

"Wir wollen etwas Dauerhaftes und etwas, das von der Hamas respektiert wird, das ist am wichtigsten", sagte Johndroe im texanischen Crawford, wo Bush den Jahreswechsel verbringt. Ziel sei ein Ende der Gewalt auf lange Sicht.

500 Palästinenser fliehen nach Ägypten

Bei den jüngsten israelischen Angriffen im Gazastreifen sind nach Angaben aus Sicherheitskreisen Teile des ägyptischen Grenzzauns zerstört worden, was rund rund 500 Palästinenser zur Flucht ins Nachbarland nutzten. Ein Polizeisprecher sagte in der Nacht zum Mittwoch, 125 von ihnen seien bereits festgenommen und zurück in den Gazastreifen geschickt worden. Einige Palästinenser wurden nach Angaben von Augenzeugen von ägyptischen Familien vor der Polizei versteckt.

Die Bombardierung, die wohl vornehmlich den Schmugglertunneln zwischen dem Gazastreifen und der ägyptischen Sinai-Halbinsel galt, hatte am Dienstagabend bis zu 20 Kilometer von der Grenze entfernt die Erde erzittern lassen.

Um die Grenze trotz der Zerstörungen geschlossen zu halten, wurden laut Augenzeugen rund 1000 ägyptische Polizisten der Zentralen Sicherheitsbehörde dorthin geschickt. Präsident Husni Mubarak hatte am Dienstag bekräftigt, der Grenzübergang Rafah sei trotz der massiven israelischen Angriffe nur für Hilfsgüter und Verletzte geöffnet.

Ein Sprecher des Roten Halbmondes sagte am Mittwochmorgen, seit Beginn der Luftangriffe am vergangenen Samstag seien 56 verletzte Palästinenser nach Ägypten gebracht worden. Mehrere arabische Staaten schickten via Rafah mit Lastwagen Hilfsgüter in den Gazastreifen. Libyen und Saudi-Arabien schickten Flugzeuge als "fliegende Ambulanzen".

Demonstrationen in Washington und im Iran

"Das US-Außenministerium teilte weiter mit, Chefdiplomatin Condoleezza Rice werde weiter eng mit den Kollegen im Nahost-Quartett und anderen politischen Führern zusammenarbeiten, um eine diplomatische Lösung des Konflikts herbeizuführen.

Vor dem US-Außenministerium in Washington demonstrierten am Dienstagabend unterdessen Tausende Menschen für ein Ende der israelischen Luftangriffe.

Im Iran drangen einige Demonstranten auf das Gelände der britischen Botschaft ein. Nach Berichten der staatlichen Nachrichtenagentur Irna wollten die Protestierenden vor allem ihren Unmut über die britische Unterstützung für Israel zum Ausdruck bringen.

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