Deutsch-türkische Kolumne "Die Isartürkin":Deutschtürkische Weihnachten mit dem Nikolausiosterhasi

Deutsch-türkische Kolumne "Die Isartürkin": Das weiß doch jeder! Der Osterhase und der Nikolaus sind schließlich ein und dieselbe Person.

Das weiß doch jeder! Der Osterhase und der Nikolaus sind schließlich ein und dieselbe Person.

(Foto: imago; Collage SZ)

Nikoläuse in Flip-Flops, Ostereier zwischen Orangenbäumen: Unsere Autorin türkifiziert gerne die christlichen Feste - und kann nicht verstehen, warum sich viele Menschen in Deutschland vor islamischen Feiertagen fürchten. Ihnen entgeht Einiges. Die 14. Folge der "Isartürkin".

Kolumne von Deniz Aykanat

Ostern in Marmaris wäre fast von unseren Schildkröten sabotiert worden. Meine Mutter hatte für den Katholizismus zwar nicht so wahnsinnig viel übrig, aber Schoko-Eier suchen geht immer. Nur gab es die in der Türkei natürlich nicht. Also machte sie diese in nervtötender Fieselarbeit selbst, schmolz Tafel um Tafel Schokolade, mischte sie mit türkischen Haselnüssen, goss sie in provisorisch aus Alufolie gebastelten Förmchen.

Eigentlich genau so wie der Einzelhandel in Deutschland, der ab Januar heimlich im Hinterhof beginnt, die übriggebliebenen Nikoläuse einzuschmelzen und in Osterhasenformen zu gießen. Das weiß doch jeder! Der Osterhase und der Nikolaus sind schließlich ein und dieselbe Person. Gerhard Polt hat das in seinem Sketch "Nikolausiosterhasi" wissenschaftlich nachgewiesen.

Nach tagelanger Schokoladengießerei versteckte meine Mutter schließlich ihre Kreationen, die eher an die seltsamen Objekte beim Bleigießen an Silvester erinnerten, für mich und meinen Bruder im Haus und draußen.

Während wir Kleinkinder orientierungslos zwischen Orangenbäumen nach Eiern suchten, kam uns eine Schildkrötenfamilie zuvor, die gerne in unserem schattigen Garten herumlungerte. Es war nicht nur ein Wettlauf gegen die gepanzerten Schoko-Diebe, sondern auch gegen die Zeit. Zu Ostern war es in Marmaris nämlich schon fast sommerlich warm. Bis wir die Eier fanden, waren sie oft bis zur Unkenntlichkeit zerlaufen - oder eine der Schildkröten hatte sich drauf gesetzt.

An Nikolaus vollzog sich ein ähnliches Schauspiel. Wir mussten nur nicht ganz so schnell sein. Es war kühl, die Nikoläuse standen in unseren vom Sommer liegen gebliebenen Flip-Flops vor der Haustür und die Schildkröten waren Gott oder Allah weiß wo. Und der Nikolaus ist ja zumindest eh schon Türke, wie praktisch. Somit auch der Osterhase ... weil ... Sie wissen schon Nikolausiosterhasi.

Unsere Nachbarn sahen dem Treiben im Frühling und Dezember immer fasziniert und neidisch zu. Manchmal durften unsere Kindergartenfreunde zu Besuch kommen und deutschtürkische Ostern oder Nikolaus miterleben.

Die Sorge vieler Türken: Ihre Mitmenschen könnten verhungern!

Meine Arbeitskollegen ahnten von all dem wohl nichts, als ich viele Jahre später einmal freiwillig den Spätdienst an Weihnachten übernahm. Und so schoben einige ihrem anfänglichen überschwänglichen Dank einen seltsamen Satz nach: "Ja, du feierst wahrscheinlich eh kein Weihnachten, da kannst du den Dienst gut machen."

Selbstverständlich feiere ich Weihnachten! Zwar nicht, weil Christus geboren wurde. Aber wegen vieler anderer enorm wichtiger Gründe: Lebkuchen, Sauerbraten, Geschenke, Familienkrach eins, Plätzchen, Familienkrach zwei, Geschenke, Lichterketten, Tannenbaum, Versöhnung eins, mehr Lebkuchen, Familienkrach drei und so weiter.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere dachte vor noch nicht allzu langer Zeit laut darüber nach, in Deutschland muslimische Feiertage einzuführen. Da war vielleicht was los. In den Kommentarspalten der Zeitungen, auf Facebook, Twitter und natürlich bei den üblichen Verdächtigen in CDU, CSU und der katholischen Kirche.

Vielleicht aber sträubt sich ein Großteil der deutschen Bevölkerung nur deshalb so gegen islamische Feiertage, weil viele Angst haben, dass die Dienstplanung dann noch chaotischer wird.

Während meiner Zeit als Studentin in Istanbul versorgte mich die Nachbarsfamilie zum Ramadan mit so vielen gefüllten Weinblättern, dass ich einen eigenen Laden damit hätte eröffnen können. Denen war es egal, ob ich privat die Geburt von Jesus feiere, das Ende der Fastenzeit herbeisehne oder in den Wald gehe und Bäume umarme. Was sie aber sehr wohl interessierte: Ich könnte bei all dem verhungern! Das ist die tatsächliche Sorge der meisten Türken: Ihre Mitmenschen und vor allem ihre Gäste könnten womöglich den Hungertod sterben! Das kann kein Gott oder Baum wollen!

Aus Atheisten-Sicht kann ich nur sagen: Ich nehme jeden Feiertag mit, egal von welcher Religion er kommt. Frei ist frei. Und all jene, die sich besonders vor offiziellen muslimischen Feiertagen in Deutschland fürchten, muss ich warnen: Ihnen entgehen kiloweise feinste Dolma und Baklava, mit denen Ihre Nachbarn Sie überschütten würden!

Kolumne "Die Isartürkin"

In der Beziehung zwischen Deutschen und Türken läuft etwas gewaltig schief. SZ-Redakteurin Deniz Aykanat, 34, trägt beide Seiten in sich. Meistens verstehen sie sich gut. Hier schreibt sie regelmäßig über ihr Leben zwischen Bayern und Bosporus. Alle Folgen der Kolumne finden Sie hier.

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