Olympia:Die IOC-Entscheidung ist eine Brücke für Putin

Olympia: Russland entgeht einem Komplett-Ausschluss von den Olympischen Winterspielen 2018.

Russland entgeht einem Komplett-Ausschluss von den Olympischen Winterspielen 2018.

(Foto: AFP)

Trotz des Doping-Skandals dürfen russische Athleten bei Olympia starten. Das zeigt, wie wenig dem IOC an der Integrität des Sports liegt.

Kommentar von Thomas Kistner

Russische Sportler gehen bei den Winterspielen in Pyeongchang an den Start, damit ist das Internationale Olympische Komitee einverstanden. Aber die Athleten werden auf ihre Landesflagge und auf ihre Hymne verzichten müssen. Russland wird nicht ganz verbannt - aber doch mehr als nur ein kleines bisschen bestraft. Das IOC bleibt damit hinter dem Komplettausschluss zurück, den die globale Anti-Doping-Bewegung gefordert hatte - und sendet mit seinem Entgegenkommen eine im Subtext bizarre Botschaft: Doping ist nur dann der schlimmste Sündenfall und wird mit bis zu lebenslanger Sperre geahndet, wenn es einzelne Athleten tun. Weniger schlimm ist der Betrug, wenn ihn ein ganzer Staat mit geheimdienstlicher Akribie organisiert.

Das war der Fall bei den Winterspielen 2014 in Sotschi. Damals hieß Russland die Welt willkommen und versprach unvergleichliche Spiele. Unvergleichlich waren dann die Rahmenbedingungen: die größte Doping-Verschwörung seit Ende des Kalten Krieges.

Datenbanken und Dokumente, Mails und Zeugenaussagen, die von unabhängigen Ermittlern im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada ausgewertet wurden, zeichnen ein unfassbares Bild. Tausende Athleten wurden gedopt, die Fahnder selbst mischten die Cocktails - sie wussten ja am besten, was nicht gefunden werden kann. Forensik-Experten ersannen eine Prozedur, mit der sich verplombte Urinflaschen öffnen und wieder versiegeln ließen. Dann wurde in die Wand des Doping-Kontrolllabors in Sotschi ein Loch getrieben, durch das die Positivproben nationaler Medaillenhelden gegen negative ausgetauscht werden konnten.

Dieser gigantische Sportbetrug hätte eine härtere Strafe verdient

Wofür der Aufwand? Das russische Team sprang von Rang elf der globalen Medaillenwertung, den es 2010 in Vancouver belegt hatte, auf Platz eins. Das einte die Heimat und beglückte den Kreml, der 50 Milliarden Dollar in die Sotschi-Schimäre gepumpt hatte.

Es war der größte Sportschwindel der Neuzeit. All das hätte eine Komplett-Sperre angemessen erscheinen lassen - so, wie es die eigenen Regeln vorsehen, und wie es andere Verbände schon bei den Sommerspielen 2016 in Rio taten. Aber was tut das IOC? Es windet sich mit Ausnahmen und Klauseln: Erkennbar ist das Bemühen, Wladimir Putin irgendwie entgegenzukommen, ohne die Glaubwürdigkeit der olympischen Bewegung vollends ad absurdum zu führen. Die russischen Sportler sollen unter dem Kürzel "OAR" starten - "Olympic Athlete from Russia". Also doch wieder: Russland. Und schon vor der Schlussfeier kann das IOC die Sanktionen aufheben.

Möglich, dass die Verantwortlichen in Moskau es vorziehen, ihren Landsleuten weiter von der globalen Verschwörung gegen das eigene Land zu erzählen, als den gigantischen Schwindel zuzugeben. Möglich, dass sie nicht über die Brücke gehen, die das IOC ihnen gebaut hat. Das ändert aber nichts daran, dass diese Brücke nicht hätte gebaut werden dürfen, wenn die Integrität des Wettkampfs wirklich das höchste Gut wäre für das IOC.

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