Energiekonzerne:Grüne Torten für Stromkunden

Die Verbraucher sollen eigentlich mit der Stromrechnung erfahren, woher die Elektrizität kommt. Doch ein Gesetz verschleiert die Herkunft. Das hat wiederum mit der Ökostrom-Umlage zu tun.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Was die Herkunft des Stroms angeht, dürfen sich die meisten deutschen Stromkunden in grüner Gewissheit wiegen: Ihr Strom ist sauberer als der Bundesdurchschnitt - und das selbst dann, wenn es kein Ökostrom ist. So jedenfalls legt es die Stromrechnung nahe. Denn dort wird beides verglichen, gerne in Tortendiagrammen: Dort der Bundesmix, hier der Strommix des jeweiligen Versorgers. Das Problem: Die Torte trügt.

Ursache sind die Vorgaben für die Stromkennzeichnung. Demnach müssen Stromanbieter in der Torte auch die Ökostrom-Umlage einbeziehen; im Schnitt zahlt jeder Haushalt im Jahr dafür gut 200 Euro. Die Folge: Stromanbieter können ihrem Kuchen ein fettes grünes Tortenstück hinzufügen, in der Regel um die 40 Prozent. Und das selbst dann, wenn der wahre Ökostrom-Anteil nahe null liegt.

Dahinter steht simpler Dreisatz. Angenommen, ein Stadtwerk versorgt 100 000 Haushalte. Jeder davon zahlt 200 Euro Ökostrom-Umlage, die so genannte EEG-Umlage: macht 20 Millionen Euro. Den so geförderten Ökostrom darf der Versorger nun anteilig seinem Strommix gutschreiben. Für die Haushalte kommt bei dieser Methode meist ein weit höherer Anteil Ökostrom heraus als im Bundesmix, aber auch das liegt nicht am Stromanbieter - sondern am jeweiligen Anteil großer Industriekunden. Die sind nämlich oft von der EEG-Umlage verschont. Gibt es im Ort X viele Industriekunden, wird das grüne Stück kleiner. Mit Umweltschutz hat all das wenig zu tun.

Die Anrechnung der Ökostrom-Umlage verzerrt auch die Klimabilanz

Verbraucherschützer bringt das auf die Palme. "Die Kennzeichnung sollte Transparenz schaffen, aber dieses System hat wenig mit Transparenz zu tun", sagt Udo Sieverding, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Diese EEG-Mengen müssen aus der Torte raus, sonst hat sie überhaupt keine Aussagekraft mehr." Der Gesetzgeber habe versucht, zweierlei Informationen in eine zu pressen: Einerseits sollte die Kennzeichnung zeigen, wo ein Konzern oder Stadtwerk seinen Strom einkauft, andererseits sollten Kunden sehen, dass ihre Ökostromumlage einen Nutzen stiftet. "Beides zusammen geht aber nicht", sagt Sieverding.

Auch Stromfirmen gestehen ein, dass Kunden der wahre Mix so verborgen bleibt. "Dafür müssten sie in den Geschäftsbericht schauen", heißt es beim Karlsruher EnBW-Konzern. Zufrieden ist das Unternehmen damit nicht. "Für unsere Kunden würden wir uns mehr Transparenz wünschen", sagt ein Sprecher. Ähnlich sieht es die Mannheimer MVV.

Wie groß die Unterschiede zwischen realen und begrünten Angaben ist, hat der Hamburger Ökostrom-Anbieter Lichtblick kürzlich ausrechnen lassen. Bei EnBW etwa führt die EEG-Anrechnung zu einem Ökostrom-Anteil von gut 50 Prozent - in Wahrheit sind es aber nur 5,7 Prozent. Aus 94,3 Prozent fossilem und nuklearem Strom werden in der Torte weniger als die Hälfte; bei anderen Stromanbietern sieht es meist nicht besser aus. Das verschönert auch die Klimabilanz: Der Kohlendioxid-Ausstoß sinkt auf wundersame Weise.

An diesem Donnerstag tritt im Bundeswirtschaftsministerium eine Expertengruppe zusammen, sie soll sich das Problem noch einmal näher anschauen. Doch lösen wird sie das Problem absehbar nicht. Das Wirtschaftsministerium hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, es empfiehlt ein paar kleinere Änderungen bei der Darstellung - und eine Fußnote für den EEG-Strom: "Dieser Anteil wird nicht durch den Stromlieferanten beeinflusst, sondern ergibt sich aus der Höhe der gesetzlich geregelten EEG-Umlagezahlungen der Stromverbraucher." Dann ist ja alles klar. Oder?

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