Tourismus:Mitten in den Boom platzt die Krise

Tourismus: Sonnenuntergang über der Jerusalemer Altstadt im Sommer.

Sonnenuntergang über der Jerusalemer Altstadt im Sommer.

(Foto: AFP)
  • Das Reiseziel Israel wird direkt vor dem Weihnachtsgeschäft von dem neu aufgeflammten Konflikt um Jerusalem getroffen.
  • Das Auswärtige Amt hat seine Sicherheitshinweise verschärft, aber bislang keine generelle Reisewarnung ausgesprochen.
  • Deutsche Veranstalter reagieren trotz der Nachrichtenlage eher gelassen.

Von Monika Maier-Albang und Irene Helmes

Israel ist nie ein einfaches Reiseland. Auch zuletzt gab es immer wieder tödliche Auseinandersetzungen zwischen Juden und Muslimen - und trotzdem hat das Land 2017 einen Besucheransturm erlebt wie nie zuvor. Schon in der ersten Jahreshälfte lag die Zahl ausländischer Besucher nach Angaben des israelischen Tourismusministeriums mit zwei Millionen um 24 Prozent über dem Vorjahreswert, Kreuzfahrturlauber und Tagesgäste nicht einmal mitgerechnet.

Bei den Deutschen stieg das ohnehin schon große Interesse an Israel noch stärker: Fast ein Drittel mehr Deutsche kamen im ersten Halbjahr, nämlich 117 200. Vor allem Studienreisen sind bei ihnen beliebt. Der Münchner Veranstalter Studiosus etwa verzeichnete 2017 sogar ein Plus von 74 Prozent.

Die Krise kommt in einer Erfolgsphase

Auch für 2018 waren Anbieter bisher sehr optimistisch. Historische Orte und Welterbe-Stätten wie Jerusalem und Bethlehem sind traditionell touristische Anziehungspunkte, Tel Aviv ist als Partystadt international bekannt. Zuletzt hat sich Israel darauf konzentriert, weitere Strände und die Negev-Wüste für Gäste attraktiv zu machen. So gibt es in En Bokek und Hamei Zohar am Toten Meer große Hotel-Neubauprojekte. Ganz im Süden, in Eilat am Golf von Akaba am Roten Meer, soll Anfang 2018 ein neuer Flughafen eröffnen, um mehr Badeurlauber in die Region zu bringen. Israel profitierte als Reiseland ausgerechnet auch davon, dass sich viele Menschen von kulturell vergleichbar interessanten Ländern wie Ägypten oder der Türkei abwandten.

Nun platzen die veränderte US-Außenpolitik und die Drohung einer Dritten Intifada in diesen Boom. Das Auswärtige Amt (AA) weist in seinen aktuellen Sicherheitshinweisen auf die Gefahr von Ausschreitungen in Jerusalem, dem Westjordanland und dem Gazastreifen hin. Dort könne es nun zu Demonstrationen kommen, "gewalttätige Auseinandersetzungen können nicht ausgeschlossen werden".

Bisher gebe es zwar keine Hinweise darauf, dass Ausländer gezielt angegriffen werden. Erhöhte Vorsicht sei dennoch geboten. In Bezug auf Jerusalem rät das AA, der Tempelberg sei an örtlichen Feiertagen und freitags besser zu meiden. Außerdem sei besonders in der Altstadt jederzeit mit Unruhen zu rechnen. Reisende sind dazu aufgerufen, sich über die lokalen Medien zu informieren und die betroffenen Gebiete zu meiden.

Eine generelle Reisewarnung gibt es weiterhin nicht

Die höchste Eskalationsstufe im Bereich Tourismus wäre eine Reisewarnung für ganz Israel. Diese wird ausgesprochen, wenn akute Gefahr für Leib und Leben, auch von Urlaubern, erwartet wird. Sogar Deutsche, die in dem betroffenen Land dauerhaft leben, werden in solchen Fällen gegebenenfalls zur Ausreise aufgefordert. Erst wenn das AA in dieser Form ausdrücklich warnt, holen Reiseveranstalter ihre Gäste auf jeden Fall zurück und gebuchte Reisen dürfen gebührenfrei storniert werden. Eine generelle Reisewarnung für Israel und die palästinensischen Gebiete gibt es von den deutschen Behörden jedoch weiterhin nicht, lediglich die bekannte Teilreisewarnung für den Gazastreifen.

Heikel für die Reisewelt ist der Zeitpunkt der neuen politischen Krise. Denn auch wenn die eigentliche Saison in Israel im Frühjahr und im Herbst liegt, zieht Weihnachten besonders viele Menschen aus dem Ausland an religiöse Pilgerstätten wie Jerusalem und Bethlehem. Am tradierten Geburtsort Jesu hat man sich besonders auf die christlichen Gäste eingestellt. Auf dem Manger Square, dem Krippenplatz vor der Geburtskirche, steht jedes Jahr ein riesiger Weihnachtsbaum, geschmückt in den palästinensischen Nationalfarben Schwarz, Rot, Grün und Weiß. Viele Spezialveranstalter planen gerade über die Feiertage Gruppenreisen.

Die Veranstalter beobachten die Lage

Diese starten jedoch meist erst kurz vor Weihnachten. "Wir beobachten die Situation sehr genau", sagt deshalb Angela Bürvenich vom Bayerischen Pilgerbüro. Maßgeblich sei wie immer die Einschätzung des AA. Allerdings habe man selbst auch langjährige Routine mit dem schwierigen Ziel Israel - und dabei auch die Erfahrung gemacht, "dass Wellen oftmals sehr hoch schlagen", man dann aber eventuell doch problemlos durchs Land reisen könne. "Wir verfallen jetzt nicht in Panik", über eventuelle Absagen werde von Gruppe zu Gruppe neu entschieden.

Auch Ury Steinweg, Geschäftsführer des Studienreise-Veranstalters Gebeco, sagt, es sei noch zu früh, um abzusehen, ob man Änderungen bei den geplanten Reisen im Dezember vornehmen müsse.

Henriette Pansold vom Staatlichen Israelischen Verkehrsbüro in Berlin sagt, momentan lasse sich noch schwer einschätzen, wie sich die Lage weiter entwickelt. "Bislang herrscht bei uns positive Ruhe", es gebe noch keine Anfragen von Reisenden, die ihren bevorstehenden Urlaub in Israel absagen möchten.

Der größte deutsche Reiseveranstalter Tui, derzeit dem Trend gemäß mit "kräftigem Buchungsplus" für Israel, gibt ähnliche Auskunft. "Wer eine Reise nach Israel bucht, weiß, dass das Land immer mal wieder im Fokus politischer Konflikte steht", sagt Tui-Sprecherin Anja Braun: "Die Reaktion der Kunden ist entsprechend gelassen", bisher gebe es keine Stornierungswünsche.

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