Nahaufnahme:Der Essensretter

Nahaufnahme: „Im ersten Jahr haben wir kein Geld verdient. Wir haben im Büro auf Matratzen geschlafen, zum Duschen sind wir ins Fitnessstudio gegangen.“ Klaus Pedersen.

„Im ersten Jahr haben wir kein Geld verdient. Wir haben im Büro auf Matratzen geschlafen, zum Duschen sind wir ins Fitnessstudio gegangen.“ Klaus Pedersen.

(Foto: oh)

Klaus Pedersen kämpft mit seinem Lebensmittel-Start-up gegen die Verschwendung. Und ist dabei ziemlich erfolgreich.

Von Vivien Timmler

Es war eine vermeintlich unverfängliche Frage, die Klaus Pedersen seinem Chef am Abend seines ersten Arbeitstages stellte: "Das übrig gebliebene Gemüse da im Kühlschrank ... darf ich das eigentlich mitnehmen?" Doch Pedersen, damals studentische Küchenhilfe in einem dänischen Restaurant, erntete nur einen verständnislosen Blick. Natürlich nicht, so sein Chef, das werde alles ordnungsgemäß weggeworfen. Pedersen stutzte und grübelte, doch dann nahm er die Antwort hin - bis Jahre später ein Freund das Thema wieder aufbrachte.

Auch er hatte Mitarbeiter eines Restaurants dabei beobachtet, wie sie frisch zubereitete Speisen in den Müll warfen. "Lange hatte ich gedacht, das sei eine Ausnahme", sagt Pedersen, heute 27, "dabei ist es überall auf der Welt so üblich." Allein in Deutschland landen jährlich 18 Millionen Tonnen noch verwertbare Lebensmittel in der Tonne, pro Kopf kommt jeder Deutsche im Jahr auf 82 Kilogramm.

Gemeinsam mit vier Freunden gründete Pedersen vor zwei Jahren schließlich in Kopenhagen das Start-up "Too Good To Go", was so viel heißt wie "Zu schade zum Wegwerfen". Sie programmierten eine App, in der Bäckereien, Cafés und Restaurants ihre übrig gebliebenen Speisen anbieten können, die sie sonst entsorgen müssten. Die Kunden bestellen und bezahlen diese über die App und können das Essen dann in einem festgelegten Zeitraum für wenige Euro im Geschäft abholen. Ein Euro davon geht an das Start-up.

Zunächst sollte die App lediglich in Kopenhagen starten, doch nur einen Monat nach der Gründung berichtete plötzlich das norwegische Fernsehen über die Idee. Um Nachahmern zuvorzukommen, expandierten sie quasi sofort und bauten innerhalb weniger Wochen ein Netzwerk in Norwegen auf. Mittlerweile gibt es die App auch in Frankreich, Großbritannien, der Schweiz - und in Deutschland. So richtig bemerkt hat das hierzulande aber lange kaum jemand. Das änderte sich mit einem Auftritt der fünf Jungs bei der Gründer-Show "Die Höhle der Löwen". Zwar kam der vereinbarte Deal letztendlich nicht zustande, die Zahl der Downloads hat sich seitdem jedoch von 400 000 auf 700 000 gesteigert. Zwischenzeitlich belegte die App sogar Platz eins im App Store - 1600 Betriebe bieten mittlerweile ihr übrig gebliebenes Essen an.

Die Gründer profitieren davon, dass die Debatte um Lebensmittelverschwendung seit einiger Zeit auch in der deutschen Öffentlichkeit angekommen ist. Initiativen wie die Tafel oder der Berliner Verein Foodsharing retten bereits rohe Lebensmittel, für zubereitete Speisen gab es bisher aber kein Konzept. Das Konkurrenz-Start-up Mealsaver etwa, das ein ähnliches Konzept verfolgte, musste sich aus den meisten Städten in Deutschland bereits wieder zurückziehen und ist im Frühjahr mit der Firma Resq Club aus Finnland zusammengegangen.

Auch die Dänen hatten es anfangs schwer: "Im ersten Jahr haben wir kein Geld verdient. Wir haben im Büro auf Matratzen geschlafen, zum Duschen sind wir ins Fitnessstudio gegangen." Das ist mittlerweile anders: Europaweit macht Too Good To Go in diesem Jahr voraussichtlich einen Umsatz von 32 Millionen Euro, in Deutschland eine halbe Million. Pedersen denkt aber schon weiter. Er will die App früher oder später auch in die USA bringen, auch wenn Europa gerade noch Priorität hat. "Aber vielleicht warten wir damit ohnehin lieber, bis Donald Trump nicht mehr das Sagen hat."

Die wirklich wichtige Zahl ist neben Umsatz und Gewinn für die Gründer aber ohnehin eine andere: 2,3 Millionen. So viele Mahlzeiten haben sie mit ihrer App bereits gerettet.

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