Nahostkonflikt:Netanjahu: Europa ist scheinheilig

Israels Premier geißelt den Umgang mit Donald Trumps Beschluss, Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen. Die Palästinenser wollen ihre Kontakte zu den Vereinigten Staaten abbrechen.

Von Moritz Baumstieger und Paul-Anton Krüger, München/Manama

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu wirft den europäischen Staaten im Umgang mit Israel Doppelmoral vor. Während Europa den US-Präsidenten Donald Trump für seine "historische Erklärung" kritisiert, Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen, habe er keine "Verurteilungen der auf Israel abgeschossenen Raketen oder der schrecklichen Hetze" gehört, so Netanjahu am Sonntag. Er sei nicht bereit, "diese Scheinheiligkeit zu akzeptieren".

Netanjahu traf am Sonntag in Paris mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zusammen. Es war die erste Reise von Israels Premier, seit Trump am Mittwoch die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem angekündigt hatte. Macron verurteilte nach dem Treffen alle Arten von Angriffen gegen Israel. Er bat um eine Beruhigung der Lage rund um die Kontroverse, die Trump ausgelöst hatte. Netanjahu forderte er zu Gesten an die Palästinenser auf, um dem Frieden in Nahost "eine Chance zu geben". Dazu könnte ein Stopp israelischer Siedlungsaktivitäten zählen. Trumps Beschluss missbilligte Macron erneut. Der Schritt sei nicht mit internationalem Recht in Einklang zu bringen. An diesem Montag plant Netanjahu eine Gesprächsrunde mit den Außenministern der EU in Brüssel. Dort wolle er "Israels Wahrheit ohne Angst und erhobenen Hauptes" präsentieren.

Die Palästinenser kündigten an, ihre Kontakte zu den USA abzubrechen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas will sich nicht mit US-Vizepräsident Mike Pence treffen, der bald in die Region reisen soll. Trotz der Aufforderung der Partei von Abbas zu weiterem Widerstand ebbten die Demonstrationen im Westjordanland am Sonntag ab. Der Chef der radikalislamischen Hamas, Ismail Hanija, rief jedoch nochmals zu einer Intifada auf. Martialisch äußerte sich auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Sonntag: Israel sei ein "Terrorstaat", man werde Jerusalem nicht der Gnade "eines kindermordenden Landes überlassen". Macron rief Erdoğan daraufhin in einem Telefonat zur Mäßigung auf. Netanjahu wies Erdoğans Verbalattacke zurück. "Herr Erdoğan hat Israel angegriffen. Ich bin es nicht gewohnt, Vorträge über Moral von einem Anführer zu bekommen, der in seiner Heimat Türkei kurdische Dörfer bombardiert, Journalisten einsperrt, Iran beim Umgehen internationaler Sanktionen hilft, und der Terroristen, einschließlich im Gazastreifen, dabei hilft, unschuldige Leute zu töten", sagte Netanjahu.

Am Sonntag verletzte ein Palästinenser einen israelischen Wachmann am Busbahnhof Jerusalem mit einem Messer. Am Samstag hatte Israels Luftwaffe im Gazastreifen zwei Mitglieder der radikalislamischen Hamas getötet. Nach einer Krisensitzung verabschiedete die Arabische Liga in Kairo eine Erklärung, in der sie den USA die Rolle als Mittler im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern abspricht. Trumps Entscheidung betrachte man als nichtig. Die Außenminister der 22 Mitgliedstaaten forderten die internationale Gemeinschaft auf, einen Palästinenser-Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt anzuerkennen.

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