"Schaumschlägerei" und "unterste Schublade":Heftige Aussprache

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In der Kreistagsdebatte um den Pflegenotstand am Helios-Amper-Klinikum kommen auch Zwistigkeiten der Lokalpolitiker untereinander auf den Tisch. FW-Kreisrat Sebastian Leiß teilt aus und muss einiges einstecken

Von Robert Stocker, Dachau

Wenn sich Sebastian Leiß im Kreistag zu Wort meldet, geht es meistens um einen Antrag, den er wortreich begründet. Und der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler Dachau stellt viele Anträge. Das Themenspektrum reicht vom Katastrophenschutz bis zur Bürgerehrung, doch seine Eingaben haben in der Regel keinen Erfolg. "Schaufensteranträge" hat sie einmal Michael Reindl genannt. Sie würden nur unnötig die Verwaltung belasten und kosteten den Steuerzahler damit unnütz Geld. Auch Reindl gehört den Freien Wählern an. Allerdings nicht dem Dachauer Ortsverein, sondern dem Kreisverband der Wählergruppierung. Beide sind sich nicht besonders grün. Doch das ist wieder eine andere Geschichte.

Auch die anderen Fraktionen können Leiß-Anträgen wenig abgewinnen. In der Regel sieht er sich einer parteiübergreifenden Allianz ausgesetzt. So wie jetzt wieder einmal im Kreisausschuss, in dem es um die Pflegemängel in den Amper-Kliniken geht. Das Thema ist zum Politikum im Landkreis geworden. Die Kommunalpolitik steht unter Druck, bei der Klinikleitung auf Verbesserungen hinzuwirken. Doch ihre Einflussmöglichkeiten sind begrenzt. Der Landkreis hält nur noch 5,1 Prozent der Anteile an der Aktiengesellschaft. CSU und SPD haben Anträge eingebracht, um die Situation zu verbessern. Natürlich gibt es auch einen Vorstoß von Sebastian Leiß, der einen Krankenhausausschuss für die beste Lösung hält. "Wir müssen uns intensiver um unsere Beteiligung kümmern", fordert Leiß. Die Kliniken würden nur einmal pro Jahr im Rahmen des Beteiligungsberichts thematisiert. Stünden sie einmal auf der Tagesordnung im Kreisausschuss, seien sie ein Thema unter ferner liefen. Das sei nicht zielführend, sagt Sebastian Leiß. Der Kreistag müsse seine Mitwirkungsrechte stärker ausüben, die ihm das Aktienrecht gewährt. Zum Beispiel eine Hauptversammlung einberufen, wenn er es für nötig hält. Leiß wirft Landrat Stefan Löwl (CSU), dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der AG, mangelnde Transparenz und Kontrolle vor. Es sei seltsam, dass ein stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender die Kündigung von Geschäftsführer Thomas Eberl erst aus der Zeitung erfahren habe.

Emotionen kochen hoch

Die Emotionen kochen hoch. "Es ist ein starkes Stück, mir Inkompetenz vorzuwerfen", kontert Löwl. Als er vom Geschäftsführerwechsel informiert worden sei, habe er diese Information sofort an die Kreisräte weitergegeben. Der meistens gelassene CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Offenbeck wird ungewohnt heftig. "Sie setzen auf Populismus und Nebelkerzen, wir machen sachbezogene Politik", sagt Offenbeck. Der Antrag von Leiß zeuge von dessen "notorischem Hang zu mehr Ausschüssen". Ein Ausschuss soll einen anderen ersetzen, "das macht es nicht besser", sagt Offenbeck. Schützenhilfe erhält er von seinem SPD-Kollegen Harald Dirlenbach. Der Antrag von Leiß sei "Schaumschlägerei", der Vorwurf an den Landrat "unterste Schublade". Löwl habe die Kreistagskollegen "schnell und eins zu eins" über den Geschäftsführerwechsel informiert.

Der Landrat hatte zuvor klargestellt, dass der Landkreis nur klassische Aktionärsrechte habe. Sie beziehen sich nur auf den Vorstand, dessen Entlastung der Landkreis beantragen kann. Weisungen kann er der Aktiengesellschaft nicht erteilen. Daran würde auch ein Krankenhausausschuss nichts ändern. Die Anteile an den Helios-Amper-Kliniken sind von der mittlerweile aufgelösten Fördergesellschaft des Landkreises Dachau an eine fiduziarische Stiftung übergegangen, die allerdings nicht rechtsfähig ist. Die Verwaltung der Mittel obliegt jetzt dem Kreisausschuss. Würde ein Krankenhausausschuss eingerichtet, müsste diese Regelung geändert werden.

Ombudsstelle geplant

"Wir brauchen ein Gremium, das mit dem Krankenhaus unmittelbar reden kann", betont SPD-Mann Dirlenbach. Auf Antrag der SPD beschließt der Kreisausschuss einen Beirat, dem die Klinikleitung, der Betriebsrat, Ärzte und Kreistagsmitglieder angehören. Sie sollen sich intensiv austauschen. Beschlossen wird ebenfalls eine Ombudsstelle, die die CSU beantragt hat. Sie wird mit Experten aus den Bereichen Medizin, Pflege und möglicherweise Recht besetzt. Die Ombudsstelle soll Beschwerden von Patienten nachgehen und Einzelfälle kompetent beurteilen können. Dazu müsse die Klinik bereit sein, ihre Daten offen zu legen, sagt Offenbeck. Die Klinikleitung hat bereits zugesagt, bei der Einrichtung eines Beirats und einer Ombudsstelle zu kooperieren.

Auch mit einer Mitarbeiterbefragung zur Arbeitsbelastung und einem Ausfallmanagement ist sie einverstanden. "Die Belastung der Mitarbeiter ist der Knackpunkt, deswegen ist ein Ausfallmanagement wichtig", betont Dirlenbach. "Wir brauchen geballte Kompetenz in diesen Gremien", sagt Offenbeck. Das sieht auch Marese Hoffmann von den Grünen so. Der Betriebsrat müsse zwingend im Beirat sitzen, damit er mit der Klinikleitung "auf Augenhöhe" mitreden könne.

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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