Pflegenotstand:Vorsichtig optimistisch

Lesezeit: 2 min

Gewerkschaftssekretär Christian Reischl vertritt die Interessen der Pflegekräfte am Amperklinikum. (Foto: Niels P. Jörgensen)

Die Bürgerinitiative "Für bessere Pflege" bleibt auch nach der Kehrtwende in der Politik des Amperklinikums wachsam

Von Christiane Bracht, Dachau

Eine Einigung scheint in Sicht zu sein: Der Helios-Konzern hat offenbar eingelenkt und ein Angebot zur Arbeitsentlastung der Pfleger am Amperklinikum vorgelegt, das die Gewerkschaft Verdi begrüßt hat. Fünf Stunden hatten am Donnerstag vor einer Woche die Verhandlungen zwischen der Klinikspitze, der Geschäftsführung und den Arbeitnehmervertretern gedauert. Am Ende soll man eine Lösung gefunden haben, über die jedoch Stillschweigen bis zum 19. Dezember vereinbart worden ist. Zumindest, das bestätigte Helios-Pressesprecherin Katharina Mathern im Anschluss, habe es einen sehr konstruktiven Austausch über viele strittige Fragen gegeben. Die Bürgerinitiative, die sich zur Unterstützung des Pflegepersonals in Dachau gegründet hat, will indes die Helios-Politik weiter kritisch begleiten.

Noch zwei Tage davor hatte die Helios Amper-Kliniken AG einen geplanten dreitätigen Streik der Pfleger und Krankenschwestern per einstweiliger Verfügung gerichtlich untersagen lassen. Verdi-Vertreter vermuten, dass der zunehmende Druck von Kommunalpolitikern, Pflegekräften, Patienten und Ärzten jetzt zu einer Kehrtwende der Konzernspitze geführt habe. Seit Monaten schon kritisieren die Beschäftigen der Krankenhäuser in Dachau und Markt Indersdorf, dass die Pflegekräfte völlig überlastet seien - mit einem Pflegenotstand kämpfen die meisten der Krankenhäuser in Deutschland. In Dachau war es mehrmals zu Arbeitsniederlegungen gekommen. Doch schien die Klinikleitung von jedem Protest unbeeindruckt zu bleiben.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer lassen nun den erarbeiteten Kompromiss prüfen. Bis das Ergebnis vorliegt, will Verdi noch nicht von einem Ende des Arbeitskampfs sprechen. Erst am Mittwoch, 20. Dezember, soll das Ergebnis der jüngsten Verhandlungsrunde bei einer Betriebsversammlung verkündet werden. Unterdessen ist in Dachau eine Bürgerinitiative gegründet worden, die die neue Entwicklung mit vorsichtigem Optimismus beobachtet. Bürger, Patienten, Politiker, Hausärzte und einige Pfleger sowie Vertreter von Verbänden hatten sich vor knapp vier Wochen zusammengeschlossen, um Pflegern und Krankenschwestern den Rücken zu stärken. Die Bürgerinitiative fordert mehr Personal in Pflege, Reinigung und Service. Auch bessere Löhne und Ausbildungsbedingungen müssten zeitnah geschaffen werden. Darüber hinaus hat man - vorläufig zurückgestellte - Aktionen geplant. Mit Flashmobs wollte die Initiative zeigen, dass die Bevölkerung hinter den Streikenden steht. Und nun? "Die Bürgerinitiative ist dennoch gut. Sie kann den Prozess weiter begleiten", sagt Verdi-Gewerkschaftssekretär Christian Reischl, der nicht nur in die Tarifverhandlungen involviert ist, sondern auch bei der Gründung der Bürgerinitiative "Für bessere Pflege" eine tragende Rolle gespielt hat.

Möglicherweise werden die Aktionen vielleicht nie so stattfinden, wie ursprünglich gedacht. Dennoch hat allein die Tatsache, dass sich zuletzt etwa 40 Bürger zusammengeschlossen haben, um die Pfleger zu unterstützen, den Arbeitskampf vorangetrieben. Die Pfleger standen nicht mehr allein da. "Die Bürgerinitiative hat der Führungsspitze im Krankenhaus nicht gefallen und auch die zunehmend negative Stimmung in der Bevölkerung nicht", sagt Reischl. Auch wenn sich für die Pfleger nun vieles zum Guten wenden dürfte, könne die Bürgerinitiative jedoch ihre Blickrichtung ändern und sich vor allem mit der Situation der Patienten beschäftigen.

So können sich Unzufriedene in der Klinik zwar über die schlechte Behandlung, die ihnen widerfahren ist, beschweren - der Einzelne kann jedoch nicht viel ausrichten. Wenn eine Bürgerinitiative hingegen die Klagen sammelt und dafür sorgt, dass sie Gehör finden, könnte sie etwas bewegen. "Das wäre hilfreich." Laut Reischl wären auch Veranstaltungen zu bestimmten gesundheitlichen Themen denkbar. Der große Vorteil der Bürgerinitiative sei nämlich, dass sie viel Distanz zum Krankenhaus habe - mehr noch als der Kreistag.

In einer Pressemitteilung bekräftigt die Initiative den Vorwurf: "Investiert wird in Häuser und Betten, aber nicht ins Personal." Das nächsten Treffen der Bürgerinitiative findet am Mittwoch, 13. Dezember, um 18.30 Uhr im Stockmann-Saal des Ludwig-Thoma-Hauses in der Dachauer Altstadt statt.

© SZ vom 13.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: