Wahl in Alabama:Der Anstand hat nur knapp gewonnen

Wahl in Alabama: Jubelnde Gewinner, betende Verlierer: In Alabama scheinen die Lager noch tiefer gespalten zu sein, als sonst wo in Amerika.

Jubelnde Gewinner, betende Verlierer: In Alabama scheinen die Lager noch tiefer gespalten zu sein, als sonst wo in Amerika.

(Foto: AFP/AFP)

Es ist gut, dass Trumps Kandidat Roy Moore in Alabama die Senatswahl verloren hat. Für eine Wende taugt das Ergebnis aber nicht.

Kommentar von Thorsten Denkler, New York

Natürlich, es ist eine Sensation. Zum ersten Mal seit 25 Jahren gewinnt in Alabama wieder ein Demokrat das Rennen um einen Senatorenposten. Und natürlich ist es ein Grund, tief durchzuatmen, dass der unterlegene Republikaner Roy Moore nicht in den US-Senat einziehen wird.

Das ist gut, weil Moore, 70 Jahre alt, ein hartrechter Evangelikaler ist, der Homosexualität am liebsten verbieten würde. Der den Klimawandel für eine Lüge hält. Der für ein hartes Abtreibungsverbot eintritt. Der als ehemaliger Richter das Recht selbst mit Füßen getreten hat. Und der vor Jahrzehnten in seinen Dreißigern minderjährige Mädchen sexuell bedrängt haben soll. Eines soll damals erst 14 Jahre alt gewesen sein.

Aber das Wahlergebnis ist zu knapp, um daraus eine Wende im Trump-Amerika abzuleiten. Dem nach allen menschlichen Maßstäben unwählbaren Roy Moore haben trotz allem immer noch mehr als 48 Prozent der Wähler in Alabama ihre Stimme gegeben. Einem Kandidaten, der selbst in seinem Heimatstaat nicht wirklich geliebt wird.

Moore ist seit Langem eine ebenso bekannte wie umstrittene Persönlichkeit in Alabama. Und jetzt kamen noch die Vorwürfe hinzu, Teenager bedrängt zu haben. Das war es, was ihn den Sieg gekostet hat. Nicht seine ultrarechten Positionen. Nicht seine Nähe zum rechten Einpeitscher Steve Bannon. Nicht seine Nähe zu Donald Trump.

Seine Niederlage heilt keine Wunden - auch wenn manche Demokraten das jetzt hoffen mögen. Sie ist auch noch keine Trendwende im Kampf gegen den Trumpismus, der sich längst abgekoppelt hat von der Person Donald Trump. Sie verdeckt nur, wie es um das Land steht. In weiten Teilen der USA sind nachweisbare Fakten nur noch Glaubensfragen. Es gilt: Was nicht sein darf, das ist auch nicht.

In Alabama sehen das mindestens 48 Prozent der Wähler so. Sie haben entweder den Frauen nicht geglaubt, die unter Nennung ihres Namens ihre Erfahrungen mit Moore in der Öffentlichkeit geteilt haben. Oder ihnen war es egal. Da kann jeder selbst entscheiden, was er für schlimmer hält. Ansonsten aber teilen sie seine Ansichten.

Und nur zur Erinnerung: Trump hat Alabama im vergangenen Jahr noch mit 62,1 Prozent gewonnen. USA-weit hatte er nur 46,1 Prozent der Stimmen geholt. Trump gewann, weil er die meisten Wahlmännerstimmen aus den Bundesstaaten für sich gewinnen konnte. Auch aus Alabama. Aber der Staat ist für Trump nicht verloren, nur weil Moore dort verloren hat. Jones wird aus Alabama keinen demokratischen Staat machen. Ein anderer Kandidat, und die Republikaner hätten gewonnen. Die Wahlbeteiligung lag an diesem Dienstag bei nur etwa 40 Prozent.

Ein Gutes hat das Ergebnis: Die Republikaner verlieren im Senat einen Sitz. Statt mit 52 zu 48 führen sie künftig nur noch mit 51 zu 49 Stimmen. Das macht es den wahren Trumpisten unter den Republikanern schwerer, ihre zerstörerische Agenda umzusetzen. Schwerer, aber eben auch nicht unmöglich.

Der republikanische Senator Jeff Flake aus Arizona, ein ausgewiesener Trump-Kritiker, hat das Wahlergebnis auf Twitter so kommentiert: "Anstand gewinnt." Richtiger wäre: Der Anstand ist mit einem blauen Auge davongekommen.

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