Alabama:Botschaft aus dem Süden

Die Niederlage des Republikaner-Kandidaten Moore ist nicht nur ein schrilles Signal an Trump - sondern auch Ausdruck des heftigen Kulturkampfs im rechten Lager.

Von Stefan Kornelius

Amerikas Politszene neigt zur Dramatisierung, das ist nichts Neues. Gerade das Ansehen des Präsidenten oszilliert stets zwischen göttlicher Allmacht und Höllensturz. So hat Donald Trump vor einer Woche erst seine Apotheose, seine Erhöhung, erlebt, als die Republikaner - angeblich seine Partei - im Repräsentantenhaus und im Senat eine Steuerreform auf den Weg brachten. Ob die jemals am Ziel ankommt, ist zwar mehr als zweifelhaft, aber immerhin: Damit hatte keiner gerechnet, am Ende war es Trumps Steuerreform, sein Triumph.

Genauso aber ist nun die geradezu historische Niederlage dieser Partei bei den Nachwahlen in Alabama auch die Niederlage Trumps. Und so stellen manche die Frage, ob in einem der rückständigsten Bundessstaaten, einem klassischen republikanischen und auch trumpistischen Umfeld, jetzt ein Zeichen gesetzt wurde - ein Zeichen, dass dieser Präsidentschaft doch keine lange Lebenszeit und vor allem kein Erfolg gegönnt sein wird.

Auch innerhalb des Lagers der Rechten tobt der Kulturkampf

Immerhin: In Alabama kam alles zusammen, was Amerikas Kulturkampf in dieser fast revolutionären Zeit ausmacht: autoritäres, das Recht beugendes Gebaren; ein unversöhnlicher Konflikt im rechtskonservativen Lager; sehr grundsätzliche Fragen über Moral und Anstand, oder besser über Doppelmoral und Unanständigkeit.

Weil Alabama so ein Extremfall ist, sollte es auch nicht als die neue Normalität verstanden werden. So wie die Steuerreform nicht als Werkstück für Trumps Meisterfeier angesehen werden kann, so ist der Sieg des Demokraten Doug Jones auch kein Zeichen einer prinzipiellen Wende in diesem nationalen Drama um die politische Seele der USA. Aber Alabama lässt ein paar sehr wichtige Schlüsse zu über die nächsten Monate bis zur Zwischenwahl im November und vor allem über den Zustand der, nein, die diversen Zustände in der Republikanischen Partei.

Die Partei wird nun eine durchschaubare und hässliche Taktik anwenden, um zu retten, was zu retten ist. Die Ernennung Jones' wird durch Nachzählungen und andere Verfahrenstricks hinausgezögert. Diese Zeit wird Trump dafür nutzen wollen, um mit den Republikanern im Kongress die Steuerreform und vor allem bedeutende Besetzungen von Stellen im Justizapparat durchzupeitschen. Die geschrumpfte Mehrheit von nur noch einer Stimme im Senat treibt zur Eile.

Viel wichtiger als das taktische Geplänkel ist aber die symbolische Wucht dieses Wählervotums. Natürlich bedeutet der Wahlsieg eines Demokraten in Alabama einen regelrechten Umbruch. Einen Demokraten im tiefsten Süden - das gab es seit 25 Jahren nicht mehr. Dass das Wahlergebnis so knapp ausfiel, zeigt auch, wie schwer dieser Sieg trotz der erdrückenden Missbrauchsvorwürfe gegen Roy Moore zu erringen war.

Zweitens sendet diese Entscheidung ein klares Signal an die politische Klasse, die nun den Wahlen in einem knappen Jahr entgegensieht. Die Dynamik hat sich gegen Trump gerichtet, plötzlich ist die Mehrheit der Republikaner im Senat gefährdet. Dem Präsidenten bleibt womöglich nur die Option, Politik auf dem Verordnungsweg zu betreiben.

Vor allem aber hat Alabama gezeigt, welchen tektonischen Verschiebungen das politische System unter Trump ausgesetzt ist. Stephen Bannon, Chefeinflüsterer Trumps damals wie (weniger intensiv) noch heute, hat sich in Alabama ungewollt zum Symbol dieses Kulturkampfes unter den Rechten gemacht. Hier in Alabama sind die Strömungen besonders gut zu sehen, die das klassisch konservative, das evangelikale und das rechtsradikal-nationalistische Lager spalten.

Bannon war es, der sich in Alabama gemein gemacht hatte mit der Sache des Richters Moore. Bannon ist es, der wie Moore die Zerstörung des etablierten, republikanischen Parteimilieus zum Ziel erklärt. Und Bannon ist es schließlich auch, der den Bruch der republikanischen Partei bis zum Frühjahr des kommenden Jahres prophezeite. Alabama nimmt möglicherweise also vorweg, was das gesamte Land bald erlebt. Alabama zeigt auch, welches Potenzial die demokratische Seite in diesem Kulturkampf mobilisieren kann: Frauen, Schwarze, junge Erwachsene - sie wählten gegen die Zerstörer.

So wie Bannon und seine Schöpfung Trump das Land vor geradezu unmoralische Alternativen stellt, so war es in Alabama der Kandidat Moore, der einem konservativen, aber moralisch integrem Publikum eine schier unerträgliche Seelenqual bereitete. Wie soll man einen Mann wählen, der nachweislich die Familienwerte verhöhnt, der betrügt, das Gesetz nicht achtet und selbst vor Kindern nicht haltzumachen scheint? Diese Fragen wird auch Trump beantworten müssen.

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