Meeresbiologie:Korallen mit Karies

Mit dem Abwasser aus Hotelanlagen, Fischfarmen oder Städten gelangt auch viel Zucker ins Meerwasser. Davon profitieren Algen und Bakterien, die wiederum Korallenriffen massiven Schaden zufügen können.

Von Andrea Hoferichter

Paradiesische Zustände in tropischen Meeren sind längst passé, vor allem für Korallen. Die Tiere leiden nicht nur unter steigenden Temperaturen und zunehmend saurem Wasser, sondern immer häufiger auch unter Krankheiten. Schuld könnte zu viel Zucker sein, wie Forscher des Bremer Leibniz-Zentrums für Marinetropenforschung (ZMT) im Fachblatt The ISME Journal berichten. Die süßen Stoffe strömen mit Abwässern ins Meer und werden auch von Algen abgesondert.

Die Zucker, darunter Galaktose, Mannose, Xylose und der Haushaltsklassiker Glukose, bewirken offenbar, dass Keime sich besonders stark vermehren können. Und sie machen aus sonst harmlosen Bakterien regelrechte Schadstoffschleudern. "Die Zucker schalten in den Mikroorganismen bestimmte Gene an, die einen Cocktail an Giftstoffen produzieren", sagt die ZMT-Forscherin Astrid Gärdes. Normalerweise hielten Korallen diesen stand, aber ihr Immunsystem sei heute oft schon durch andere Faktoren geschwächt. Ein gestresstes Riff könne sich schlicht nicht mehr ausreichend wehren.

Schmutzwasser aus Hotelanlagen enthält oft viel Zucker, der das Wachstum von Algen beschleunigt

Für ihre Untersuchungen nahmen die Bremer Forscher gemeinsam mit Fachkollegen der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) in Saudi-Arabien Meerwasserproben an einem Korallenriff im Roten Meer, füllten sie im Labor in Vierliterflaschen und gaben verschiedene Zuckermischungen hinzu. Nach zwei Tagen untersuchten sie mit genanalytischen Methoden, wie stark sich welche Bakterienarten vermehrt hatten, welche Stoffe sie produzierten und welche Gene dafür verantwortlich waren.

Eine schädliche Zuckerdosis ist Gärdes zufolge vor allem dort zu finden, wo Abwässer von küstennahen Städten, Hotels, Feldern und Fischfarmen ins Meer strömen. Das Schmutzwasser bringt nicht nur direkt Zucker mit, sondern kurbelt durch die ebenfalls enthaltenen Stickstoffverbindungen und Phosphate auch das Wachstum von Algen an, die dann noch mehr Zucker produzieren. Wo außerdem zu viele Fische gefangen werden, sodass auch noch Algenfresser fehlen, ist die Situation besonders heikel. "Deshalb ist zum Beispiel die Karibik ein Hotspot für Korallenkrankheiten", sagt die Wissenschaftlerin.

Die neuen Erkenntnisse bringen Licht in die Forschung zur Zunahme von Korallenkrankheiten "Bisher war weitgehend unbekannt, welche Mechanismen dahinterstecken", sagt Gärdes. Als Nächstes will ihr Team herausfinden, ob sich die Erkenntnisse aus dem Labor auch in der Natur bestätigen.

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