US-Senat:Fünf Lehren aus der Alabama-Wahl

Democratic Senate Candidate Doug Jones Holds Election Night Watch Party In Birmingham

Doug Jones konnte die schwarzen Wähler mobilisieren und hat einen exzellenten Wahlkampf geführt.

(Foto: AFP)

Trump und sein Ex-Berater Bannon sind die großen Verlierer der Senats-Nachwahl. Die US-Demokraten hoffen nun, 2018 den Senat zu gewinnen.

Von Matthias Kolb

Weil US-Präsident Donald Trump den erzkonservativen Senator Jeff Sessions zu seinem Justizminister gemacht hat, mussten die Wähler in Alabama einen Nachfolger bestimmen. Alabama liefert sich mit Mississippi einen permanenten Wettkampf: Welcher der beiden Bundesstaaten landet bei Wirtschaftsleistung, Bildungsniveau und Wohlstand auf dem allerletzten Platz? Beide sind zudem erzkonservativ und so schien noch im Sommer klar, dass auf Sessions ein Republikaner folgen würde.

Dass von Januar an mit Doug Jones ein Demokrat Alabama vertreten wird, ist schlicht eine Sensation - und wäre damit vergleichbar, dass die Linken plötzlich den bayerischen Ministerpräsidenten stellen. Die Umstände dieser Wahl mit den vielen Vorwürfen der sexuellen Belästigung gegen den republikanischen Kandidaten Roy Moore (Details hier) waren gewiss sehr speziell - und da insgesamt nur etwas mehr als eine Million US-Amerikaner ihre Stimmen abgegeben haben, sind Verallgemeinerungen schwierig. Doch diese fünf Lehren lassen sich ziehen.

1. Die Demokraten können auf Mehrheit im Senat hoffen - ein bisschen

Das Ergebnis aus Alabama ist eine fantastische Nachricht für die Demokratische Partei. Die Republikaner kontrollieren nur noch 51 der 100 Sitze im Senat, die Demokraten stellen nun 47 und werden nahezu immer von den unabhängigen Senatoren Bernie Sanders und Angus King unterstützt. Für die Kongresswahl im November 2018 ist der zusätzliche Sitz sehr wichtig, denn für die Demokraten sind Zugewinne schwer: Sie stellen in 23 der 33 Bundesstaaten, in denen abgestimmt wird, bislang den Senator; auch die beiden Independents stellen sich zur Wiederwahl.

Für eine demokratische Mehrheit müssen also alle Sitze verteidigt und den Republikanern zwei weitere abgenommen werden. Dies ist nicht unmöglich (in Arizona und Nevada sind Umfragen vielversprechend) und das Ergebnis aus Alabama gibt sicher Zuversicht. Allerdings müssen Demokraten auch eine Mehrheit bekommen in Staaten wie Indiana und West Virginia, wo Trump triumphierte (68,5 Prozent in West Virginia) und die Republikaner 2012 Tea-Party-Kandidaten aufstellten, die ähnlich unwählbar waren wie Roy Moore.

In der Trump-Ära sind Prognosen schon riskant, wenn es um Zeiträume von elf Tagen geht - wie die Lage in knapp elf Monaten aussieht und was dieser US-Präsident bis dahin gesagt und getan haben wird, weiß niemand. Aber die Demokraten haben Grund zur Hoffnung, wenn sie die richtigen Kandidaten aufstellen (siehe Punkt 5).

2. Präsident Trump hat sich wieder verzockt

Neben dem Fundamentalisten Roy Moore, der seine Niederlage immer noch nicht eingestehen will, ist der US-Präsident der größte Verlierer dieser Wahl. Das Image des Siegers, der problemlos seine Anhänger mobilisieren und politische Gesetze aushebeln kann, wird noch mehr angekratzt. 13 Monate zuvor hatte Trump in Alabama bei der Präsidentschaftswahl fast zwei Drittel aller Stimmen gewonnen - nun muss er zusehen, dass sein Kandidat in dem erzkonservativen Bundesstaat verliert.

Für Trump ist es die zweite Pleite in drei Monaten: Bei der Vorwahl hatte er noch Interims-Senator Luther Strange unterstützt, doch Ende September setzte sich Moore durch. Sofort schwenkte Trump zu Moore über und rief - trotz aller Vorwürfe, der ehemalige Richter habe als 30-Jähriger Teenager sexuell belästigt - zu dessen Wahl auf. Nur so bliebe die Vier-Stimmen-Mehrheit im Senat erhalten, die ihm helfe, seine Agenda durchzusetzen, argumentierte Trump. Diese Unterstützung war ein Risiko, das nicht aufging und sein morgendlicher Tweet ist die typische Umdeutung eines schlechten Verlierers und Realitätsverweigerers: Angeblich wusste er immer, dass Roy Moore keine Chance habe.

Nun ist die Mehrheit der Republikaner im Senat auf zwei Stimmen geschrumpft (51:49) - dies gibt Kritikern wie John McCain, Bob Corker, Jeff Flake oder Susan Collins noch mehr Macht. Und wegen seiner Unterstützung für Moore wird nach einigen Wochen #MeToo-Debatte wieder mehr über die Vorwürfe jener Frauen gesprochen, die Trump beschuldigen, sie belästigt und begrapscht zu haben.

3. Steve Bannons "Krieg" gegen das Establishment ist entzaubert

Während Trump nicht offiziell mit Roy Moore auftrat, legte sich sein Ex-Berater und Ex-Wahlkampfchef Steve Bannon mächtig für den 70-jährigen Republikaner ins Zeug. Am Vorabend der Wahl trat Bannon mit dem Ehepaar Moore auf. Er hat seit seinem Auszug aus dem Weißen Haus einen "Krieg gegen das republikanische Establishment" verkündet - und will alles tun, um Mitch McConnell, dem republikanischen Mehrheitsführer, das Leben zu erschweren und diesen aus dem Amt zu fegen.

Die Mehrheit der Republikaner im Senat ist nun geschmolzen, doch damit dürfte McConnell eher leben können als mit einem Senatskollegen Roy Moore, gegen den sofort ein Ethik-Verfahren begonnen hätte und der das Wort "Parteidisziplin" nicht kennt. Der Machttaktiker McConnell dürfte darauf setzen, dass die knappe Mehrheit disziplinierend wirkt und moderatere Republikaner (und die Spender im Hintergrund) sehen, dass weiterhin nur eine Minderheit der Konservativen den nationalistischen und wirtschaftspopulistischen Kurs Bannons mitträgt. Dass Breitbart nun auf "republikanische Saboteure" schimpft, ist nur erwartbar. Dieses kleine GIF von Mitch McConnell bringt die Erleichterung des konservativen Establishments auf den Punkt.

4. Afroamerikaner lassen sich mobilisieren

Zwei Wählergruppen waren entscheidend für den Erfolg von Doug Jones (hier ein Porträt): 58 Prozent der Wählerinnen stimmten für ihn, nur 41 Prozent für Moore. Dass 96 Prozent der Schwarzen für Jones stimmten, wundert nicht - wichtiger war, dass sie in großer Zahl an die Urnen gingen. 27 Prozent der Bewohner von Alabama sind Afroamerikaner und an diesem Dienstag stellten sie 28 Prozent der Wähler. Das sind Werte, die Barack Obama 2008 und 2012 erreichte - nicht aber Hillary Clinton vor einem Jahr (wobei ein Sieg für sie in Alabama unmöglich war).

Anders als 2016 mobilisierte die Bürgerrechtsbewegung NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) Hunderte Freiwillige, um Wähler anzurufen und bezahlte Dutzende Mitarbeiter, um in Schwarzenvierteln von Tür zu Tür zu gehen (Details hier). Auch andere Organisationen waren sehr aktiv, um Wähler zu rekrutieren. Dies ist ein weiteres positives Zeichen für die Demokraten: Sie brauchen neben der Unterstützung der progressiven Elite die Stimmen von Latinos und Afroamerikanern, um 2018 gegen die leichter zu mobilisierende Basis der Republikaner zu bestehen. Hier besteht viel Spielraum: Erfahrungsgemäß ist der Anteil der minorities bei Kongresswahlen viel niedriger als in Jahren, in denen zeitgleich der Präsident bestimmt wird.

5. Auf den richtigen Kandidaten kommt es an

Diese Einsicht ist natürlich ziemlich allgemein, aber trotz aller Schwächen des Skandal-Kandidaten Roy Moore brauchte es einen attraktiven Herausforderer, der die eigenen Leute mobilisiert und für parteiunabhängige Wähler akzeptabel ist. Im Sommer fehlten Jon Ossoff in Georgia diese Eigenschaften, die sich für Geld nicht kaufen lassen - Doug Jones war vielen in Alabama ein Begriff und kennt die Prioritäten der Leute dort. Er redete also weniger über Reizthemen wie Abtreibung (er ist dafür, die Mehrheit der Wähler dagegen) und Waffenbesitz, sondern über Jobs und die Zukunft. Er war glaubwürdig genug, um nicht als Marionette Washingtons zu gelten - und sein Wahlkampf war exzellent.

Der Polit-Blogger Chris Cilizza von CNN bringt es auf den Punkt: "Selbst in einem so konservativen Staat wie Alabama kann man keinen belasteten Kandidaten aufstellen und erwarten, dass die Wähler wegen ihrer Parteibindung diese Person immer wählen." Dies sollte den Demokraten Hoffnung geben, dass sie in eher konservativen Staaten wie Tennessee eine Chance haben - und zugleich eine Warnung sein, dass auch sie mehrheitsfähige Kandidaten aufstellen.

Diese Wahl hat die US-Politik noch spannender gemacht als sie ohnehin ist. Weitere Kommentare von US-Präsident Trump sind zu erwarten - für diesen Nachmittag ist eine Rede zur Steuerreform angekündigt, bei der ihm Reporter sicher Fragen zu Alabama zurufen werden. Ansonsten gilt aber weiterhin die goldene Regel für die Trump-Ära: Erwarte stets das Unerwartete.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: