H&M:H&M ist nicht mehr cool

H&M-Filiale

Mal zwölf, mal 25 Stunden in der Woche - und Spätschichten, die weit über den Geschäftsschluss hinausgehen: Arbeiten im Modehandel ist alles andere als lustig.

(Foto: Akos Stiller/Bloomberg)
  • Die Konkurrenz ist billiger und im Online-Handel besser aufgestellt: Deshalb verliert H&M Kunden.
  • Der schwedische Modekonzern plant Sparmaßnahmen. Auch in Deutschland sollen acht Filialen geschlossen werden.
  • Ein neuer Produktionsstandort und hochpreisige Angebote sollen die Misere beenden.

Von Silke Bigalke, Stockholm, und Michael Kläsgen

In der Stockholmer Drottninggatan ist es genauso wie wohl überall in den größeren Einkaufsstraßen Europas: An vielen Ecken prangen dieselben beiden roten Buchstaben. In der Stockholmer Einkaufsmeile drängen sich allein vier H&M-Filialen um die Kreuzung zu jener Straße, an der auch der Hauptsitz des Modekonzerns "Hennes & Mauritz" liegt. Ob diese Nähe zum Mutterschiff eine Bestandsgarantie ist? Sicher scheint jedenfalls zu sein, dass der Konzern sein Filialnetz nun verkleinern will - und zwar schneller als ursprünglich geplant.

In Deutschland werden 2018 acht Geschäfte geschlossen, aber auch acht neue Läden eröffnet. So viel steht im Moment fest. Ob weitere Schließungen hinzukommen, ist noch offen, sagte ein Sprecherin. Man schaue sich jede Filiale genau an. Deutschland gilt als einer der wichtigsten Märkte von H & M. Fast jede zehnte Filiale des Konzerns befindet sich hier. Gleichzeitig ist es kein Geheimnis, dass sich in den deutschen Innenstädten nur ganz schwierig mit Bekleidung Geld verdienen lässt. Das gilt für fast alle Modemarken, auch für H & M.

Die Kette stößt seit Längerem mit ihrem Verkaufskonzept, Trends möglichst schnell und preiswert in die Läden zu bringen, an ihre Grenzen. Doch nun ist der Umsatz so überraschend deutlich und schnell gefallen, dass man sich ernsthaft Sorgen macht in Stockholm. H & M verkaufte im abgelaufenen Quartal bis Ende November vier Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Erlöse seien damit "erheblich unter den eigenen Erwartungen" geblieben, schrieb Unternehmenschef Karl-Johan Persson in einer Pressemitteilung. Die Zahlen haben offenbar auch die Investoren überrascht: An der Stockholmer Börse brach der Kurs am Freitag zeitweise um etwa 15 Prozent auf 16,9 Euro ein. So billig war die H&M-Aktie seit neun Jahren nicht mehr.

H & M ist der zweitgrößte Modekonzern der Welt, nach dem spanischen Unternehmen Inditex, zu dem unter anderem die Marke Zara gehört. Trotz des Umsatzeinbruchs haben die Schweden innerhalb von drei Monaten Mode im Wert von mehr als fünf Milliarden Euro verkauft. Doch nun zeigt sich, dass H & M ein grundsätzliches Problem hat: Es kommen zu wenige Käufer in die Läden. Im Gegenzug schafft es H & M nicht, den Onlinehandel so stark auszubauen, dass er diesen Rückgang ausgleicht. Also bleibt viel Kleidung liegen. Dann versuchen die Läden, sie über Schlussverkäufe loszuwerden. Doch die drücken den Gewinn. Im November hatte es Meldungen gegeben, wonach schwedische Kraftwerke H&M-Klamotten statt Kohle verbrennen würden. Dabei handelte es sich nicht um einen schlechten Witz, sondern tatsächlich um fehlerhafte Kleidung, die niemand hätte tragen können, stellte der Konzern klar.

Zum Sparprogramm gehört auch, in Äthiopien zu produzieren

Ihm macht vor allem der Wettbewerb im Internet zu schaffen, Anbieter wie Amazon und Zalando. In den Einkaufsstraßen konkurriert H & M längst mit Anbietern, die ihre Kleidung noch preiswerter verkaufen oder die Trends noch schneller in die Läden bringen, etwa mit Primark, Inditex, Asos oder TK Maxx. Auch Aldi und Lidl setzen den Schweden zu. Konzernchef Persson weiß das, hat aber offenbar die Ausmaße des Problems unterschätzt. Er wolle den Wandel des Unternehmens nun "beschleunigen", noch schneller reagieren auf das sich anscheinend rasant verändernde Kundenverhalten. Das bedeutet: mehr Läden schließen und weniger neue eröffnen.

Zum Sparprogramm gehört auch, einen Teil der Produktion nach Äthiopien zu verlagern. China gilt vielen Textilhändlern inzwischen als zu teuer, und Bangladesch ist politisch umstritten. Eine weitere Strategie ist, sich breiter aufzustellen. Damit hat der Konzern vor zehn Jahren langsam begonnen, indem er neue Modelabel dazu gekauft oder selbst erschaffen hat: COS, Weekday, Cheap Monday, Monki und "& Other Stories". Zuletzt kam die Marke Arket dazu, mit eher hochpreisiger Kleidung, die keinen schnellen Trends folgt, sondern auf bewährte Modelle, nüchterne Schnitte und teurere Stoffe setzt - ein klares Gegenkonzept zu den H&M-Filialen.

In Deutschland hat der erste Arket-Laden im Oktober in München eröffnet, weitere gibt es bisher nur in Kopenhagen, Brüssel und London. Ansonsten setzt Arket im Laden auf ein integriertes Café, um Kunden anzulocken und sie zum Verweilen zu animieren - und natürlich aufs Internet. Ein Prinzip, dem der gesamte Konzern nun stärker folgen möchte oder muss, um den Umsatzrückgang in den Geschäften wettzumachen.

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