Chinesischer Künstler Hua Yong:"Wenn sie mich kriegen, bin ich wohl so gut wie tot"

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Hua Yong in einem Video der Zeitung Libération. (Foto: Video-Screenshot: libération.fr)

Hua Yong dokumentierte, wie Hunderttausende Nicht-Pekinger aus der Hauptstadt verwiesen wurden. Nun wurde der Künstler verhaftet - und richtet eine anrührende Botschaft an seine Tochter.

Von Kai Strittmatter, Peking

Ergänzung vom 19. Dezember: Die NYTimes meldete heute unter Berufung auf Freunde, dass Hua Yong unter Auflagen freigelassen wurde und unterwegs nach Chengdu zu seiner Tochter ist.

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"Sie sind da!!!!" Das waren die letzten Worte des Künstlers Hua Yong auf Twitter, mit ihnen hat er die Abschiedsbilder überschrieben, die er aus seinem Versteck noch mit der Welt teilte. Draußen hörte man schon die Beamten, die dabei waren, die Türe aufzubrechen. Und Hua Yong setzte sich noch einmal vor eine weiße Wand, augenscheinlich gefasst, und nahm mit seinem Handy einen letzten Gruß an seine zweijährige Tochter auf. "Mein Mädchen, mein Baby", sagt er. "In den Augenblicken, die mir bleiben, will ich dir ein Lied singen." Dann ringt er sich ein breites Lächeln ab und singt "Happy Birthday".

Freitagnacht war das. Das Video wurde mittlerweile 100 000 Mal aufgerufen, und das, obwohl Twitter und Youtube von China aus nur mit besonderer Tunnel-Software zugänglich sind. Hua Yong, der 1969 geborene Pekinger Maler, war schon seit knapp einer Woche auf der Flucht gewesen, er wusste, dass die Polizei hinter ihm her war. Hua Yongs Verbrechen: Er war in den letzten Wochen zum Chronisten der Zwangsräumung von Hunderttausenden Nicht-Pekingern aus der Hauptstadt geworden. Die Erbarmungslosigkeit, mit der die Behörden dabei die aus der Provinz Zugezogenen aus ihren Heimen in die Winterkälte warfen und ganze Nachbarschaften in Schutt und Asche verwandelten, hatte am Ende auch die Pekinger selbst empört.

Dass sie die verstörenden Bilder überhaupt zu sehen bekamen, verdankten nicht wenige Hua Yong. Er zog wochenlang durch die betroffenen Stadtviertel, interviewte Sicherheitskräfte ebenso wie die obdachlos gewordenen Wanderarbeiter und filmte mit seinem Handy den Abriss von Häusern ebenso wie Proteste der Betroffenen, die verzweifelt riefen: "Wir wollen es warm!"

Die Videos stellte er auf Youtube und auch auf den chinesischen Messagingdienst Wechat, wo sie meist umgehend gelöscht wurden. Den Sicherheitsbehörden war Hua schnell ein Dorn im Auge, er wurde gewarnt, in einem handgeschriebenen Brief kurz vor seiner Flucht schrieb er: "Ich hätte nicht gedacht, dass es so ernst werden würde ... Wenn sie mich kriegen, bin ich wohl so gut wie tot."

Einer allein gegen Chinas Polizei? Hua war 2012 schon einmal zu einem Jahr Lagerhaft verurteilt worden, weil er mit einer Performance auf dem Tiananmen-Platz an das Massaker von 1989 erinnert hatte. Warum tut sich einer so etwas an? In seinem Brief findet sich diese Zeile: "Wenn sich eine Lawine löst, dann bleibt keine Schneeflocke unschuldig."

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Im Video an seine Tochter sagt Hua Yong, alles was er tue, tue er für sie. "Damit unser Land ein besseres wird. Ein Land, in dem Bürger Menschen sein dürfen. Ein Land, in dem man sich traut, im hellen Licht der Sonne und auf offener Straße die Wahrheit zu sagen." Sie solle mehr essen, mahnt er seine Tochter dann noch. "Und wenn ich frei bin, dann werde ich dir die Welt zeigen." Seit Freitagnacht ist Hua Yong verschwunden.

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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