G-20-Gipfel:Die G-20-Ermittler hilfssheriffisieren die Öffentlichkeit

Pk der Hamburger Polizei und Staatsanwaltschaft zu G20

Mit diesen Bildern, ausgestellt bei einer Pressekonferenz, sollen die Plünderungen während des G-20-Gipfels aufgeklärt werden.

(Foto: dpa)

Der Fahndungsexzess nach dem G-20-Gipfel ist nicht nur rechtswidrig, sondern auch unverhältnismäßig und hilflos.

Kommentar von Heribert Prantl

Es gibt Sätze, die einem in der Hitze des Gefechts so herausrutschen. Darin machen sich Empörung, Gift und Galle Luft. "Alle in einen Sack stecken und dann draufhauen; es trifft immer den Richtigen": Das ist so ein Satz. Rechtsstaatlich ist er natürlich nicht. Juristen, zu deren Gaben es gehören muss, ohne Zorn und Eifer abzuwägen und zu urteilen, nennen solch üble Pauschalisierungen in ihrer leidenschaftslosen Sprache "unverhältnismäßig". Umso bitterer ist es, dass die Ermittlungsbehörden in Hamburg bei der Fahndung nach sogenannten G-20-Chaoten dem üblen Motto vom Sack folgen.

Die Polizei hat hundert Fotos und ganze Videosequenzen ins Netz gestellt, auf denen sehr, sehr viele Personen zu sehen sind. Ob sie wirklich alle Straftäter sind? Keiner weiß es, die Polizei vermutet es nur; sie erschließt das aus der räumlichen Situation, aus der Nähe zu einem strafrechtlichen Geschehen. Ergibt sich daraus schon ein ausreichender Verdacht wegen "einer Straftat von erheblicher Bedeutung", wie das Paragraf 131 b Strafprozessordnung verlangt? Dieser Paragraf regelt die Öffentlichkeitsfahndung als Ultima Ratio, als allerletztes Mittel der Fahndung also.

Es steht in diesem Paragrafen aber nicht, dass man zu Zwecken öffentlicher Fahndung eine Art Massenscreening veranstalten darf, eine gewaltige Schleppnetzfahndung im Netz. Wie verträgt sich das mit der Unschuldsvermutung? Die Fotos der Betroffenen sind und bleiben ja in der Welt - unabhängig davon, was die Ermittlungen ergeben; also auch dann, wenn sich der angeblich Verdächtige als unschuldig erweist. Solche Öffentlichkeitsfahndung muss daher zurückhaltend praktiziert werden. Davon ist in Hamburg nichts zu spüren.

Pauschale Aufforderung zu einem öffentlichen Suchspiel

Der Zweck, also die Aufklärung der Ausschreitungen auf dem Gipfel, soll offenbar das Mittel heiligen. Aber der Satz vom heiligen Zweck ist so rechtswidrig wie der Satz vom Sack für alle. Es ist ungut, unverhältnismäßig und hilflos, wenn die Ermittler ganze Ausschnitte aus Demonstrationen als Videos in Netz stellen und die Öffentlichkeit auffordern: Schaut euch das an, sucht mit, erkennt euren Nachbarn. Das ist die Hilfssheriffisierung der Öffentlichkeit. Das ist ein Fahndungsexzess. Das ist rechtswidrig; und das bleibt rechtswidrig, auch wenn diese Fahndung da und dort Erfolg hat. Soll Fahndung künftig wirklich so aussehen, dass Polizei und Bild-Zeitung in Kooperation Menschen jagen? Das ist nicht Aufklärung, das ist ein Skandalon.

Die Öffentlichkeitsfahndung à la Hamburg ist keine Fahndung nach den Regeln der Strafprozessordnung. Es handelt sich um die pauschale Aufforderung zu einem öffentlichen Suchspiel. Mit dieser Aktion setzt die Hamburger Polizei die fatale Taktik fort, die sie schon beim G-20-Gipfel praktiziert hat: Sie wirft G-20-Kritiker in einen Topf mit Gewalttätern vom schwarzen Block. Das ist schwarze Fahndung.

Linksextreme haben reagiert, in dem sie Fotos von 54 Polizisten veröffentlichten; das ist eine Unverschämtheit. Die Rechtswidrigkeitsspirale dreht sich weiter. In Hamburg lernt man nichts dazu.

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