Abfall:Für die Tonne

Wenn jeder nur noch für den Restmüll zahlt, den er selbst produziert, sinken die Menge und  Kosten. Abgerechnet wird dabei nach Volumen - über Hightech-Behälter. Das System kommt bei Mietern meist gut an.

Von Lars Klaaßen

Wohnungsgenossenschaft führt Müllschleusen ein

Rein damit: Eine Mieterin entsorgt ihren Hausmüll durch eine Müllschleuse.

(Foto: Martin Schutt / dpa)

Als die ersten Haushalte für ihren Restmüll entsprechend ihrem jeweiligen Aufkommen zahlen sollten, waren die Betroffenen zunächst nicht begeistert. 2011 hatte die Wernigeröder Wohnungsgenossenschaft sich entschlossen, diesen Testballon zu starten. Bis dahin hatte man es dort gehandhabt wie üblich: Die Abfallgebühren wurden pro Haus über die Nebenkostengebühren abgerechnet, auf alle Bewohner nach Wohnfläche umgelegt. Ob ein Haushalt viel oder wenig in die Tonne geworfen hatte, machte für die Abrechnung keinen erkennbaren Unterschied.

"Als wir nun sagten, jetzt zahlt jeder genau für den Restmüll, den er selber produziert, hatten viele Mitglieder potenzielle Kosten vor Augen", sagt André Vollmer, kaufmännischer Vorstand der Genossenschaft. "Dass sie auch bislang schon dafür Gebühren gezahlt hatten, machten sie sich nicht klar." Doch genau dieses Bewusstsein, dass man sich mit selbst produziertem Müll persönliche Kosten verursacht, hatte den gewünschten Effekt: "Die Leute haben ihren Müll seitdem deutlich akkurater getrennt", so Vollmer. "Dadurch sind ihre Kosten um etwa die Hälfte reduziert worden." Heute zahlen alle 2742 Haushalte der Genossenschaft ihren Restmüll verursachergerecht, abgerechnet wird nach Volumen. Die Zahlen variieren, gemeinsam ist allen Akteuren jedoch, die Müll nach Volumen trennen, dass die Haushalte finanziell davon profitieren. Die Mieter der Beeskower Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft mbH etwa zahlten 2016 für die Entsorgung ihres Mülls etwa 16 Prozent weniger als zuvor - obwohl die Gebühren in der gleichen Zeit um etwa sechs Prozent angehoben worden sind.

Fünf, zehn oder 20 Liter: Für jeden Müllbeutel gibt es eine eigene Klappe

Technisch ist das Prinzip simpel: Jeder Mieter erhält einen Transponder, mit dem er die Müllschleusen für den Restmüll öffnen kann. Es gibt eine Klappe, die fünf Liter, eine für zehn Liter und eine Klappe für Beutel bis zu 20 Liter. Wer welche Klappe wie oft benutzt, speichert das elektronische System ab. Es wird immer das volle Volumen berechnet. Die Müllschleusen, in denen die sich die Restmülltonnen befinden, sehen etwa so aus wie herkömmliche Betonbehälter. Oben drauf befindet sich ein Solarpanel, das die Steuerung mit Strom versorgt. An der Front sieht man ein paar Lampen. Direkt über dem Transponderfeld gelegen signalisieren sie, ob alles betriebsbereit ist. Die restliche Elektronik ist im Innenleben versteckt. Imvisio, Hersteller dieser Müllschleusen, betreibt die Anlagen in Wernigerode und bundesweit auch für andere Wohnungsgesellschaften. "Ob die Anlagen einwandfrei funktionieren, überwachen wir aus der Ferne per Modem", erläutert Geschäftsführerin Rita Slekyte-Einmal. Einmal im Jahr gucke sich ein Techniker jede Müllschleuse direkt an Ort und Stelle an. "Trotz der Kosten für den Betrieb sparen die Haushalte dafür auf der anderen Seite mehr ein, weil die Abfallgebühren deutlich sinken." Was vielen Menschen nicht bewusst ist: Wertstoffe wie Altpapier und Verpackungsmaterial, die korrekt entsorgt werden, kosten nichts. Für die blaue und gelbe Tonne werden keine Gebühren erhoben. Bereits beim Kauf wird der Verpackungsanteil wie Aludosen oder Tetrapacks von den Verbrauchern im Voraus bezahlt. Abfallgebühren werden lediglich für die Restmülltonnen erhoben, in vielen Kommunen auch für die braune Bio-Tonne. Wer nur noch für seinen eigenen Müll zahlt - und damit auch direkten Einfluss auf die persönlichen Ausgaben hat, interessiert sich dann auch verstärkt für solche Feinheiten der Entsorgung und der damit verbundenen Gebühren.

Damit alles glatt läuft mit den Hightech-Tonnen, informiert Imvisio die Mieter ausführlich, nicht nur über die Bedienung, sondern vor allem auch über die Mülltrennung. Mit der Zeit geht ein Teil der Wirkung verloren. "Deshalb informieren wir unsere Mitglieder regelmäßig über die korrekte Entsorgung des Hausmülls", berichtet Vollmer. Das geschieht bei Versammlungen der Genossenschaftler, in der Mieterzeitung und wenn sich jemand mit Fragen zur Betriebskostenabrechnung an die Verwaltung wendet. Regelmäßige Beratung sei wichtig, "denn nach den Erfolgen der ersten Jahre sind die Zahlen ein wenig rückläufig."

Manche Mieter tricksen und werfen ihren Müll in den gelben Sack. Der kostet nichts

Der notorische Nebeneffekt in Wernigerode und anderswo: Ein Teil der Haushalte verinnerlicht lediglich, dass die gelbe Tonne nichts kostet - und entsorgt darin Dinge, die nicht hineingehören. Bemerkt die Müllabfuhr so etwas, kann die gesamte Tonne zu Hausmüll umdeklariert werden. Das kostet dann wieder. "Um solchen Mülltourismus zu minimieren, müssen wir das Bewusstsein immer wieder von neuem schärfen", sagt Vollmer.

Um übertriebenem Gebührengeiz Wind aus den Segeln zu nehmen, zahlt jeder Haushalt der Wernigeröder Wohnungsgenossenschaft obligatorisch für ein Mindestvolumen Restmüll von zehn Litern pro Woche und Wohnung. In einem bundesweiten Vergleich der Abfallgebühren ging die Eigentümergemeinschaft Haus & Grund 2016 von einem durchschnittlichen Aufkommen von 15 Litern Restmüll pro Person und Woche aus. Bei einem Dreipersonen-Haushalt wären das 45 Liter pro Woche. "Lediglich ein paar ältere Mitglieder, die alleine leben, unterschreiten unser Mindestvolumen von zehn Litern pro Woche", sagt Vollmer, "und das auch nur geringfügig - nicht mehr als 30 Personen, die auf etwa 430 bis 480 Liter jährlich kommen, statt der 520." Und selbst sie zahlten im Vergleich zum alten System nun weniger.

Es sind nicht vor allem die sinkenden Abfallmengen, die den Gebührenbetrag senken, sondern vor allem eine Verschiebung des Mülls in andere Tonnen. imvisio hat diese Entwicklung bei einer Siedlung der ABG Holding in Frankfurt mit 386 Wohneinheiten erfasst: Innerhalb eines Jahres hat sich dort das Volumen der gelben Tonne auf gut 25 000 Kilo fast vervierfacht, Altpapier hat sich auf 30 000 und die Biotonne auf 6000 Kilo jeweils verdoppelt. Diese Verlagerung schont nicht nur den Geldbeutel: "Durch die bessere Wertstofftrennung werden 51 Tonnen CO₂ eingespart", sagt Slekyte-Einmal. "Das entspricht dem CO₂-Ausstoß eines Autos auf 5000 Kilometer oder der CO₂-Einsparung durch Vollwärmedämmung von zwei Einfamilienhäusern."

Müll in Zahlen

Im vergangenen Jahr wurden 38,1 Millionen Tonnen Abfälle bei den Haushalten eingesammelt. Das waren 0,7 Millionen Tonnen oder sieben Kilogramm pro Kopf mehr als 2015, berichtet das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Zahlen. Im Durchschnitt fielen 462 Kilogramm Haushaltsabfälle pro Person an. Mehr als die Hälfte der Abfälle (59 Prozent) wurden getrennt von Haus- und Sperrmüll gesammelt. Das entsprach einer Zunahme von etwa 0,6 Millionen Tonnen. Dabei stiegen die Bioabfälle um 0,5 Millionen Tonnen auf 10,2 Millionen Tonnen beziehungsweise um knapp sechs Kilogramm auf 123 Kilogramm pro Person und erreichten damit den bisher höchsten Wert seit 2004. Einen Grund dafür vermuten die Experten des Bundesamts in der zunehmenden Verbreitung der Biotonne; seit 2015 gibt es die Pflicht zur getrennten Sammlung von Bioabfällen.

Das Aufkommen an Wertstoffen (hierzu zählen unter anderem Papier, gemischte Verpackungen und Glas) erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr hingegen nur leicht - um ein Kilogramm auf 148 Kilogramm pro Kopf, insgesamt waren es 12,2 Millionen Tonnen.

Nahezu unverändert zum Vorjahr wurden pro Kopf circa 188 Kilogramm Haus- und Sperrmüll eingesammelt. Das Aufkommen an Hausmüll (Restmüll) belief sich auf 13,1 Millionen Tonnen oder 159 Kilogramm je Einwohner. Beim Sperrmüll waren es 2,4 Millionen Tonnen oder 29 Kilogramm je Person. SZ

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