Lootboxen:Mit diesem Prinzip zocken Hersteller Computerspieler ab

Lootboxen: So schaut die Lootbox "Winter Wonderland" im Computerspiel Overwatch aus.

So schaut die Lootbox "Winter Wonderland" im Computerspiel Overwatch aus.

(Foto: Blizzard Entertainment/PR)
  • Computerspieler können sogenannte Lootboxen für echtes Geld kaufen.
  • Diese Beutekisten enthalten virtuelle Gegenstände, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden.
  • Mehrere Länder untersuchen, ob das illegales Glücksspiel ist.
  • Rechtlich problematisch wird es, wenn sich die digitalen Inhalte später wieder in Dollar oder Euro verwandeln lassen.

Von Caspar von Au

Die grüne Geschenkbox mit roter Schleife liegt da. Ein Klick, und Funken sprühen, das Geschenkband löst sich, die Box beginnt zu vibrieren. Mit einem Lichtblitz fliegt der Deckel ab, vier Münzen schießen rotierend in die Höhe. Dann zeigt sich der Inhalt der Kiste: ein Schneeanzug für den Helden "Soldier 76", ein Haufen Münzen, ein Graffitilogo, ein Profilbild.

Sogenannte "Lootboxen" (deutsch: Beutekisten) sind wesentlicher Bestandteil von immer mehr Spielen für Computer, Konsolen und Smartphones. In ihnen befinden sich virtuelle Inhalte, die Spieler einsetzen können. Sie erhalten sie als Belohnungen, wenn sie im Spiel bestimmte Erfolge erreichen, meist können sie die Kisten auch für echtes Geld im Shop innerhalb des Spiels erwerben.

Was eine Lootbox enthält, bestimmt der Zufall. Für die Spielehersteller sind die Kisten ein Geschäftsmodell, mit dem sie über den Ladenpreis hinaus Geld verdienen. Beim Öffnen setzen die Entwickler oft auf Reize, die man auch von Glücksspielautomaten kennt. Die Gaming-Branche diskutiert daher seit Oktober heftig über die Kisten, auch die Politik hat es mittlerweile erreicht. Dabei geht es vor allem um eine rechtliche Frage: Zählen Lootboxen zum Glücksspiel, müssen Videospiele deshalb anders reguliert werden?

Lootboxen stehen in Belgien unter Glücksspielverdacht

Felix Falk, Geschäftsführer des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) zeigt sich "überrascht von der Debatte". Schließlich werde dieses Geschäftsmodell seit mehr als zehn Jahren von vielen Spielern angenommen. Das 2016 erschienene "Overwatch" machte die Lootboxen vor Kurzem auch für Titel salonfähig, die im Laden schon Geld kosten. Zuvor waren die Kisten vorrangig ein Geschäftsmodell gewesen, um kostenlos herunterzuladende Spiele zu finanzieren.

Die oben beschriebenen Geschenkboxen stammen aus dem "Winter Wonderland"-Event von Overwatch. Die Inhalte der Lootboxen sind dabei für den Spielfortschritt irrelevant. Mit ihnen kann der Spieler die Helden oder sein Profil im Spiel schmücken. Auch ist er nicht darauf angewiesen, die Kisten mit echtem Geld zu kaufen; wenn er im Spiel ein Level aufsteigt, erhält er eine Kiste als Belohnung.

Dennoch ist Overwatch neben "Star Wars: Battlefront 2" eines von zwei Spielen, die Belgiens Glücksspielkommission derzeit darauf untersucht, ob Lootboxen als Glücksspiel eingestuft werden müssen. Battlefront 2 war zudem der Auslöser eines Shitstorms, der die Debatte weltweit ins Rollen brachte. Die Lootboxen im Spiel enthalten nämlich Gegenstände, die dem Spieler einen Vorteil verschaffen. Die Spieler konnten sich Spielfortschritt erkaufen: Pay-to-win, das geht aus Sicht vieler Spieler gar nicht. Als Reaktion auf den Protest hat der Entwickler Electronic Arts die Möglichkeit, Lootboxen mit echtem Geld zu erwerben, vorerst deaktiviert.

In Deutschland beschäftigt das Thema den Bundestag

Auch im US-Bundesstaat Hawaii setzen sich Politiker dafür ein, dass Spiele mit Lootboxen künftig erst ab 21 Jahren freigegeben werden. In Neuseeland und Großbritannien stufen Kommissionen Lootboxen dagegen nicht als Glücksspiel ein. Bayerns Landtag verabschiedete Ende November als erste deutsche politische Institution zwei Dringlichkeitsanträge, in denen er angemessenen Jugendschutz für Glücksspielelemente in Computerspielen fordert.

Die Regulierung von Glücksspiel in Deutschland ist Ländersache, dennoch beschäftigt das Thema auch die Bundestagsfraktionen: Der CDU-Abgeordnete Thomas Jarzombek bezeichnet Lootboxen als "1a Glücksspielmechaniken". Der Spieler setze Geld ein, er habe keinerlei Einfluss auf den Inhalt der Kisten, und ein "geldwerter Vorteil" - so lautet die rechtliche Definition - sei der versprochene Gewinn allemal.

"Lootboxen sind nach der Definition kein Glücksspiel", sagt dagegen Rechtsanwalt Stefan Bolay von der Kanzlei Hambach und Hambach. Nur wenn Spieler gewonnene virtuelle Gegenstände in echtes Geld umwandeln könnten, sei dies geldwerter Vorteil. "Das ist der Knackpunkt."

Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) und der industrienahe BIU urteilen ähnlich: "Lootboxen entsprechen Sammelkartenspielen, Panini-Sammelbildern oder Überraschungseiern, unterscheiden sich aber deutlich von Glücksspiel-Mechanismen", so BIU-Geschäftsführer Falk.

Bis zu 1500 Euro für virtuelle Gegenstände

Rechtlich problematisch wird es, wenn sich die virtuellen Gegenstände doch in echtes Geld umwandeln lassen. Zwar verbieten die Spielehersteller das ausdrücklich in ihren Geschäftsbedingungen. Auf der Spieleplattform Steam können aber Nutzer mit virtuellen Gegenständen und ihrem Guthaben handeln. Dadurch erhalten die Inhalte von Lootboxen ein Preisschild: Je nach Seltenheit eines Gegenstands bewegen sich die Preise zwischen wenigen Cent und 1500 Euro. Drittanbieter machen sich illegale Schlupflöcher des Systems zunutze, über die Nutzer virtuelle Gegenstände gegen echtes Geld verkaufen können.

"Die Lootbox-Debatte zeigt, wo die Schwächen des Systems liegen", sagt Rechtsanwalt Wulf Hambach. Ein grundsätzliches Verbot von Spielen, die Lootboxen enthalten, hält er dennoch für falsch: "Verbieten ist einfach, zulassen ist komplex." Er fordert einen runden Tisch, an dem Vertreter aus Industrie und Politik sitzen, wie es ihn etwa in Dänemark gebe.

Bundestagsabgeordnete von CDU, SPD, Grünen und FDP sehen vor allem Jugendschutz und Verbraucherschutz in Gefahr. Eine Idee wäre, auf Lootboxen in Spielen auf der Verpackung hinzuweisen. "Es muss transparent sein, was im Karton drin ist", sagt CDU-Politiker Jarzombek. Ob und wie der Gesetzgeber eingreift, ist noch unklar - die Debatte könnte die Videospielindustrie aber nachhaltig beeinflussen.

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